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Wirkung verpufft! Spritpreisanstieg trotz Steuersenkung

Konzerne stecken sich den Tankrabatt in die eigenen Taschen

Das lange Pfingstwochenende hat begonnen – und prompt steigen die Spritpreise wieder. Nicht nur der ADAC befürchtet, dass die Mineralölkonzerne die Reisewelle ausnutzen und die Wirkung des Tankrabatts verpuffen lassen.

Mit Wut und Entsetzen dürften Autofahrer zu Pfingsten auf die Tankstellenpreise schauen. Dabei sollte doch der zum 1. Juni wirksame Tankrabatt für deutliche Reduzierung der Spritpreise führen. Aber alle, die so kalkulieren – inklusive Bundesregierung – haben die Rechnung ohne die Mineralölkonzerne gemacht. Die denken gar nicht daran, sich an irgendwelche volkswirtschaftlichen Absprachen zu halten, und schlagen weiter drauf. Die Wirkung der gerade erst in Kraft getretenen Energiesteuerentlastung schwindet nicht nur, sie ist teilweise schon wieder kassiert. Samstagmorgen lagen die Preise für Super über der Schmerzgrenze von 2 Euro. Um das zu überprüfen, braucht man keine staatlich beauftragten Marktforschungsinstitute, man muss nur die nächste Tankstelle ansteuern.

 

„Es wird immer teurer!“

„Es wird im Moment immer teurer“, sagt selbst ADAC-Experte Christian Laberer. „Das geht in die falsche Richtung, ohne dass der Ölpreis oder der Dollarkurs dafür einen Anlass geben würden.“ (dpa)

Denn tatsächlich sind die Ölpreise seit Monatsbeginn gesunken. Ende Mai notierte der Preis für die Rohölsorte Brent aus der Nordsee noch bei 1,2282 Dollar. Jetzt kostet Brent nur noch 1,1890 Dollar. Einen negativen Einfluss der Währungsentwicklung lässt sich ebenfalls nicht belegen. Der Dollar-Kurs hat sich seit Monatsbeginn kaum bewegt.

Die Steuerentlastung ist bislang gerade mal von Dienstag bis Donnerstag. beim Verbraucher angekommen. Und das auch nur bruchstückweise. Zu Monatsbeginn fielen die Preise im bundesweiten Tagesdurchschnitt nur um 27,3 Cent bei E10 und 11,6 Cent bei Diesel. Dabei ist die Steuerbelastung auf E10 um 35,2 Cent pro Liter gesenkt. Bei Diesel sind es 16,7 Cent. So müssten theoretisch die Preise für E10 bei etwa 1,80 Euro und für Diesel bei 1,88 Euro liegen.

 

„Kunden fühlen sich verschaukelt“

„Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Mineralölindustrie die Pfingstreisewelle für ihre Zwecke nutzt, um die Preise auf hohem Niveau zu belassen“, sagt ADAC-Experte Laberer. Die Kunden fühlten sich verschaukelt, ergänzt Thomas Mülther, Regionalsprecher des ADAC Nordrhein. Er hat den Verdacht, „dass die Mineralölkonzerne die Situation knallhart ausnutzen, wenn viele Menschen über Pfingsten wieder mit dem Auto in den Urlaub fahren und die Nachfrage hoch ist“. Den Tankrabatt nicht vollständig an die Verbraucher weiterzugeben und jetzt die ohnehin nach wie vor völlig überteuerten Preise sogar noch nach oben zu schrauben, sei „eine bodenlose Frechheit“. (tagesschau.de)

Experten halten den aktuellen Anstieg für nicht gerechtfertigt, zumal an den Tankstellen inzwischen immer mehr steuerreduzierter Kraftstoff ankomme. Insgesamt seien die Preise deutlich zu hoch: Schon vor der Steuersenkung sei E10 um etwa 20 Cent zu teuer gewesen – im Verhältnis zum Ölpreis und zum Dollar-Euro-Kurs, meint Laberer.

Die Begründung der Mineralölbranche, dass Kraftstoffe, die bis zum Stichtag am 1. Juni in die Tanks der Tankstellen gefüllt wurden, noch mit dem normalen Steuersatz belegt waren, reicht bei Weitem nicht aus, um die aktuellen Wucherpreise zu rechtfertigen.

Auch die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer befürchtet, dass Ölkonzerne trotz fallender Preise an den Tankstellen deutlichen Profit aus der Steuersenkung schlagen könnten. »Nach den Erfahrungen in der Vergangenheit, insbesondere bei der Mehrwertsteuersenkung 2020, halte ich das Risiko für hoch«, sagte die Ökonomin der „Augsburger Allgemeine“. Das heißt, genau betrachtet ist das Instrumentarium Tankrabatt sogar kontraproduktiv in Bezug auf den beabsichtigten Effekt. Er kommt nicht beim Kunden an, sondern fließt direkt in die Kassen der Konzerne. Auf diese Weise wird ein sozial gedachtes Hilfspaket so missbraucht, dass der Staat – unfreiwillig – die Konzerne beim Geldscheffeln noch unterstützt. So werden keine Verbraucherkosten sozialisiert, sondern privatwirtschaftliche Gewinnmargen subventioniert.

 

„Auf die Finger schauen“ und „beobachten“ …

Und was tut die Behörde dagegen, die für die Eindämmung von marktschädigender Preispolitik zuständig ist?

Das Bundeskartellamt will laut ihrem Chef Andreas Mundt, den Ölkonzernen sehr genau auf die Finger schauen. (Deutschlandfunk). Es gebe große Transparenz bei den Preisen. Dies habe den Vorteil, „dass wir unter Umständen auch sehr unangenehme Fragen stellen können“. Zudem will das Kartellamt die Entwicklung auch auf Ebene der Raffinerien und des Großhandels genau beobachten.

Nun wissen wir aus Erfahrungen, dass die Behörde nur begrenzte Handlungsmöglichkeiten hat, sie kann allenfalls sanktionieren. Wenn sie tatsächlich einmal eingreift, gestalten sich die Prozesse derart langwierig, dass sie meist nach Monaten oder Jahren im Sande verlaufen. Ein Schelm, der sich Böses dabei denkt? Oder ist es nicht eher so, dass die Lobby der Ölkonzerne ganze Arbeit leistet?

Wenn Mundt die Autofahrer aufruft, die Spritpreise mit Hilfe einer Preis-App zu vergleichen und so den Rabatt mühsam über das eigene Verhalten zu sichern, kann man sich nur an den Kopf fassen. Wofür wird der Mann eigentlich bezahlt? Das machen wir doch schon seit Jahren, um uns vor der Dreistigkeit der Unternehmen wenigstens ein bisschen zu retten.

 

Das böse Wort von der Verstaatlichung

Energiestoffe, seien es nun fossile oder erneuerbare, sind für eine Gesellschaft von existenzieller Bedeutung, sie gehören für die Bürger*innen zu den notwendigen Mitteln des alltäglichen Lebens. Dass man den Vertrieb von Ressourcen von immensem volkswirtschaftlichen Wert in die Hände von privatwirtschaftlichen, also profitorientierten Unternehmen legt, darf angesichts der immer unsicher werdenden Energieversorgungslage infrage gestellt werden.

In Bezug auf Folgen der durch den Ukraine-Krieg verschärften Situation auf dem Energiesektor hat sich gezeigt, wie das geht.  Auf Initiative von Wirtschaftsminister Harbeck hat das reformierte Gesetz zur Energiesicherung den Bundestag mit einer Mehrheit passiert. Sollte die Versorgungssicherheit bedroht sein, könnte der Staat jetzt notfalls zu Enteignungen greifen.

So soll die Exekutive dadurch künftig leichter auf Energieunternehmen zugreifen können, wenn erhebliche Engpässe bei der Versorgung drohen. Der Bundestag billigte mit den Stimmen der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP diese Reform des Energiesicherungsgesetzes.

Welch breiten Konsens solche Maßnahmen haben, zeigte sich daran, dass auch die Linke für den Gesetzentwurf votierte, die AfD lehnte ihn ab, die Union enthielt sich.

Wo ein politischer Wille ist, ergibt sich auch Weg. Wenn das Kapital zu raffgierig wird, ist da nicht der Anlass gegeben, dass sich eine Bundesregierung auf ihre vom Grundgesetz gestützte soziale Verantwortung besinnen sollte? Oder anders gefragt: Wie lange will diese SPD noch zaudern, um endlich ihren traditionellen Grundsätzen gerecht zu werden?

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