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You’ll Never Walk Alone

Begegnungen an der Bremer Brücke

Es ist Sommerpause, Dienstag, die Mannschaft des VfL ackert und schwitzt auf der Illoshöhe und für einen normal sterblichen Fan gäbe es keinen Grund, sich am Stadion herumzutreiben. Eigentlich …

Für den Autor jedoch hatte sich durch eine Beschränkung beim Online-Ticketing die Notwendigkeit ergeben, dass er sich für den Kauf einer Dauerkarte zum Fan-Shop aufmachen musste, und zwar weil man im Ticket-Portal keine zwei zusammenhängende Plätze buchen kann (weshalb das so ist, bleibt schleierhaft, soll hier aber nicht weiter hinterfragt werden). Da man zum Fußball in der Regel jemanden an seiner Seite haben möchte (s. o.), muss man das zu zweit analog im Shop erledigen. Eigentlich undenkbar in Zeiten, in denen das Onlinebuchen zum Normalfall geworden ist. Eigentlich.

So aber kam es für den Autor zu zwischenmenschlichen Begegnungen, die er sonst nie hätte erleben dürfen …

 

Um 16 Uhr hatte man sich am Shop verabredet.

Eine schöne Tour mit dem Fahrrad. Da tut man was für die Fitness. Schon von Weitem erkennt der Autor bei seiner Ankunft hinter der Südtribüne den guten Freund, der im angeregten Plausch mit einem anderen steht, der sich beim Näherkommen als ein bekanntes Gesicht entpuppt. Er schreibt für den Sportteil einer Zeitung in unserer schönen Hasestadt.

Hallo beiderseits, man stellt sich höflich etwas abseits, um nicht zu stören. Schon bald kommen sie zum Ende, man versichert sich der gegenseitigen Wertschätzung, und tschüss.

 

Eine Standpauke aus dem Stegreif

Doch dann die plötzliche Wendung. Die gewichtige Stimme des Lokalsports nimmt unversehens den Autor ins Visier, denn da sei etwas, was gesagt werden müsse. Und zwar sei die Art und Weise, wie er in der OR über den VfL schreibe, nicht hinnehmbar. Insbesondere wie über Spieler geurteilt würde, sei unmöglich und menschlich daneben. Da würde sich jemand etwas anmaßen, der von Fußball und alles, was damit zusammenhinge, keine Ahnung habe.

Einem Sebastian Klaas zu unterstellen, er würde nach Bekanntwerden seines Wechsels zu Paderborn nicht mehr alles geben für den VfL, sei schlicht unverschämt und habe im Journalismus nichts zu suchen. Außerdem sei dieser Spieler keinesfalls verletzungsanfällig, wie der Autor behauptet hätte, sondern habe nur Pech gehabt mit Unfällen, die allesamt nichts mit dem sportlichen Betrieb zu tun hätten. Im Übrigen sei der Spieler topfit und mit überragenden Fähigkeiten ausgestattet. Dass er in Paderborn wieder in der Reha gelandet ist, würde dem nicht entgegenstehen, sei eben auch Pech, doppeltes oder dreifaches.

Überhaupt fehle dem, wie der Autor über den VfL schreibe, jegliches Niveau. Wenn man Spieler nicht persönlich kenne, habe man kein Recht über ihn und sein Spiel zu urteilen. Daran erkenne man den Hobbyjournalisten, der sich etwas anmaße, wovon er keinen Schimmer habe. So würden sie in ihrer Redaktion nicht arbeiten, sie seien professionell und würden sich ihrer Meinung enthalten. Was der Autor sich da zusammenschreibe, sei amateurhaft und damit eigentlich nicht zulässig.

Rumms! Schönen Tag noch – und nichts für ungut.

Na klar, alles gut. Warum schlecht denken, wenn einem so viel Gutes widerfährt?

Was der davonradelnde alte Profi nicht ahnen konnte, mit welchem Glücksgefühl der von ihm Gescholtene den weiteren Nachmittag bestritten hat, getragen von der Erkenntnis, dass tatsächlich gelesen wird, worüber er schreibt. Dass es Emotionen weckt, die Menschen nicht mehr loslassen. Autorenherz, was willst du mehr? Wenn es bis dato noch einen Beleg gebraucht hätte, hier wurde es offenbar: Die OSNABRÜCKER RUNDSCHAU wird gelesen und bewegt!

 

Ein Service für echte Fans

Da der Fan-Shop wegen Umbauarbeiten zurzeit geschlossen ist, kann man die Dauerkarten im ersten Stock im Foyer zum VIP-Bereich kaufen. Das Servicepersonal erwies sich als ebenso professionell wie zuvorkommend, sodass die Abwicklung in einer wahren Wohlfühlatmosphäre vonstatten ging. Schon tauchten die nächsten Kunden am Treppenabsatz auf, etwas zögerlich, weshalb sie ermuntert wurden, näherzutreten, sie würden umgehend bedient.

Ein Missverständnis, denn die beiden jungen Herren wollten gar kein Season-Ticket. Und dann wurde es international: Sie seien aus England, genauer aus Derby bzw. Nottingham, und hätten gern ein Trikot des VfL Osnabrück erstanden. Leider sei der Shop geschlossen. Was tun?

Prompt zeigte sich erneut die fixe Flexibilität des Personals, die sowohl dem Wunsch der extra von der Insel angereisten Fans nach einem »Shirt« nachkamen als auch dem danach hereingeschneiten Familienvater aus Cloppenburg weiterhalfen, der dringend ein Trikot für seinen Filius benötigte. An diesem schönen Sommernachmittag schien alles möglich.

 

Groundhopping an der Bremer Brücke

Deshalb sollten auch die beiden Jungs von Derby County und Nottingham Forrest nicht gänzlich unverrichteter Dinge abziehen. Wenn schon keine Stadionführung von innen, so könnten sie doch eine von außen erhalten.

Diesen Job übernahmen spontan und ehrenamtlich der Autor und sein Freund. Unter Anwendung aller zusammengekratzten Englischkenntnisse wurden die beiden Fan-Touristen ums Stadion geführt und mit Kommentaren aus einem radebrechenden englischähnlichen Vokal -und Konsonanten-Mix ins Bild gesetzt über die legendäre Bremer Brücke.

Vorbei an der Kriegsbemalung der Eingänge Ost, weiter zur Tribüne Nord, begleitet von historisch bemühten Ausführungen über den früheren Zustand, den Umbau und die skurrile Geschichte darüber, warum man das Stadion Richtung West nicht direkt umrunden kann. Das gibt es eben nur in Osnabrück. So ohne Trubel und menschenleer mag das Areal auf unbeteiligte Passanten wie ein schmuckloses Betonkarree wirken, für die beiden Gästefans aus England nicht. Sie zeigten sich äußerst beeindruckt von Größe und Aura des Ortes, schossen Fotos hier und da, gaben sich weiterhin etwas betrübt darüber, dass man nicht hineinkönne (In dieser Situation bedauerten ihre Begleiter, keinen Schlüssel dabei zu haben …).

Als man sich schließlich an der Ecke Bremer Straße verabschiedet hatte (»Good bye and have a nice trip« – »We wish a good season«), musste der Autor erstmal für ein paar Minuten die Eindrücke der letzten Stunde auf die Reihe kriegen, bevor er sich wieder auf seinen Drahtesel setzen konnte.

Welch ein Nachmittag! Angestoßen durch die ernsteste Nebensache der Welt. Erst eine persönliche Abmahnung der lokalen Reporter-Inquisition, dann originale Groundhopper aus England, hier in Osnabrück, um die Bremer Brücke zu besichtigen, unser Stadion.

Wenn schon ein normaler, im Grunde ereignisloser Tag in der Sommerpause derart aufregend verläuft, wie wird es erst werden, wenn´s richtig losgeht auf´m Platz …?

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