Liebe Leser*innen,
einige unserer ersten Artikel, die bundesweit durch die Decke gingen, wurden vor genau zwei Jahren veröffentlicht und wir erinnern noch einmal voller Genuss an einen der schlimmsten Osnabrücker Fremdschämhöhepunkte der vergangenen Jahre.
Niko Griesert: „Ich hab was auf dem Herzen und keiner weiß davon …“
Hubschrauber samt Hubschrauberlärm, warum auch immer, Niko grummelt etwas von „Wahnsinn …“, womit er unbesehen Recht hat, um dann die philosophische Grundformel aller Irrungen und Wirrungen nachzulegen: „Nicht zu wissen, ob man das Richtige tut oder das Falsche …“
A watt, Niko. Wer weiß das schon?
„… und trotzdem stehe ich hier vorne und muss irgendwie auf mein Herz hören.“
Cut1
Danach schreitet er mal wieder im Zeitlupentempo durch die Kulissen, unterlegt von einer schrecklich dramatisierenden Geräuschkulisse, was immerhin den Vorteil hat, dass man sein innervierendes Gestammel von vermeintlichen Gefühlsausbrüchen hinter der Dröhnmusik nur fragmenthaft verstehen kann.
Dass einzige Feuer, das hier brennt, kommt, warum auch immer, aus einer Kupferschale, die dort offenbar aus dämlich-dramaturgischen Gründen platziert wurde und nun das tut, was offenbar ihre Aufgabe ist: Flammen speien.
„Kann ich ganz kurz mit dir reden, ganz kurz?“ fragt er die Aufnahmeleiterin – die, die am Ende der letzten Folge den Fellmantel trug. „Ja, sagt sie“. Na denn …
Endlich wieder eiskalte, grausam ruckelige Schnitte, depperte Worthülsen und schon hockt Niko einsam und verlassen auf einer Hotelbettkante, um wiederholt vor sich hinzujammern: „Ich hab was auf dem Herzen und keiner weiß davon. Ich will die Frau einfach so packen und küssen und ich wusste sofort, es war die falsche Entscheidung. Michele fasziniert mich so krass …“
Cut2
Sorry, nun kann ich nicht mehr. Eins muss man der RTL-Regie allerdings lassen: Die ständigen, völlig unbegründeten Szenenwechsel samt nervender Cuts, die gruselig dröhnend bollernde Hintergrundmusik und Nikos in den Bart gestammelte Worte passen irgendwo rein qualitativ gut zusammen und verdichten sich zu einem Meisterwerk aus einem entsetzlich lärmenden Klangbrei, getunter Schmierenkomödie und Skripted Reality.
Der Cliffhanger der letzten Sendung bewahrheitet sich alsbald auf schnöde RTL-Manier. Niko ruft Michelle an, trifft sich mit ihr offenbar oder will das noch tun und ich schalte endlich auf Schnellvorlauf.
Cut3
Als er sich mit Mimi aus einem mir unerfindlichen Grund plötzlich in einer Limousine mit Bonner Kennzeichen durch den Regen kutschieren lässt, untermalt vom gefällig geleierten Gesang Lana del Reys, jener Galasängerin stilvoller Suizidpartys, schalte ich auf Normaltempo und bereue es im selben Augenblick.
Beide sitzen bei Sekt in einem Kino und schauen sich als Beweis ihrer gegenseitigen Zuneigung einen aus Schnipseln vorhergehender Bachelor-Folgen zusammengebastelten Lowest-Budget-Film an, in dem Mimi ständig eine Rose von „Du-wollen-Rose-kaufen?“-Niko erhält. Beide sind von sich zu Tränen gerührt und geschüttelt.
Cut4
Lana Del Rey leidet wieder mal im Hintergrund, während Niko der eigentlichen Finalteilnehmerin Stephie in einem Hotelzimmer (höchstens vier Sterne) mit dem Charme eines Milchshakes erklärt, dass sie nun für Michéle den Platz räumen müsse.
Okay, da waren’s nur noch zwei. Und weiter im Schnellvorlauf:
Cut5
Als Nächstes holt er offenbar, against all odds, Michèle in die Produktion zurück, um mit ihr heftigst rumzuturteln – das Vaterunser haben die beiden in dem Stundenhotel garantiert nicht gebetet – und sie in der letzten Nacht der Rosen dann doch noch routiniert abzuservieren.
Cut6
Machen wir es kurz:
Mimi kriegt also die letzte Rose, und das mit einer Rede, nach der die Geschichte der Poesiealben neu geschrieben werden muss. Selten wurden die rhetorischen Finessen Annett Louisans (deren Texte Männer schreiben) und deutscher Jammerbarden wie Andreas Bourani bis hin zu Mark Forster so treffend erhört und zusammengefasst wie in Nikos Abschlussrede voller Poesie und Ohrenschmalz, bevor er der auserwählten Mimi die letzte Rose in die Hand drückt:
„Mimi, was Salz und Pfeffer dir bedeuten, bedeutest du mir. Du bist einfach nicht wegzudenken. Ich bringe dir jeden Tag frische Croissants mit einer großen Notfalltasse Kaffee. Mimi … du bist meine Traumfrau, mein Zuhause und … meine Mimi. Mója Mimi. Du bist einfach zu lieben. Mimi, wenn du springst, dann springe ich auch. Du bist mein Lieblingsgedanke.“ Und zum Abschluss das übliche Gedöns: „Ich habe eine Frage an dich …“
„Nun springt doch endlich!“, möchte man den beiden Mut zurufen. Oder wollt ihr denn wirklich nicht Lana Del Rey erhören?
Cut7
Lieblingsgedanke? Falsch gedacht, Niko, denn nur wenige Tage nach der Ausstrahlung dieser Sendung später trennt er sich wieder von Mimi und schlurft unverhofft mit Michéle durch Köln. Was hat RTL wohl für dieses ganze Wirrwarr bezahlt?
Ach, egal: Ein neues Zuhause, ein neuer Lieblingsdanke, eine neue Heimat also und das klingt ja durchaus ein ganzes Stück nach den Amigos und den herzergreifenden Liebesliedern „Vielen Dank, Mutter“ oder „Lieber Papa“. Und Nikos Eltern werden zu allem Überdruss und Überfluss auch noch stolz auf ihren wankelmütigen Sohnemann sein. Sei’s drum.
Wie sagte einst mein Lieblingsphilosoph Antisthenes: „Das Ziel des Lebens ist Freiheit von Wahn.“
Tja, Niko, gut dass du jung genug bist, um dieses hehre Ziel eines fernen Tages entgegen allen Prognosen doch noch zu erreichen.
Zum versöhnlichen Ende, und um auf andere Gedanken zu kommen, deshalb dieses wunderbare, zu Herzen und in die Hose gehende Lied von Oliver Kalkofe.