„Du sollst lenken und nicht denken!“

Fahrpreiserhöhungen bei einer gleichzeitigen Angebotskürzung im ÖPNV sorgt für Ärger bei den Fahrgästen. Dabei gibt es eine selten gehörte Seite – die der Busfahrer*innen.

Osnabrück. Um 3,4 Prozent sollen die Busfahrpreise ab Januar 2024 steigen, im gesamten Gebiet der Verkehrsgemeinschaft (VOS) sogar um 4,9 Prozent. Dabei werden ab Februar 2024 Linien und Abschnitte mit geringer Auslastung um insgesamt 6 Prozent gekürzt. Diese Ankündigung regt Unmut in der Bevölkerung, die schon jetzt das Preis-Leistungs-Verhältnis überwiegend als sehr schlecht ansieht. Osnabrücker Busfahrer*innen berichten von der Basis.

R*: Wir sind gewerkschaftlich organisiert und sprechen für viele Kolleg*innen vor Ort. Die Arbeitsbedingungen und der Umgang mit uns sind mehr als schlecht.

L: Gefühlt sind die Arbeitsbedingungen hier im Vergleich zu anderen Großstädten besonders miserabel. Ich fange mal an mit der Aufteilung des öffentlichen Raums für Fußgänger, Radfahrer, Autos und Bussen – der ist hier mehr als mangelhaft.

E: Dazu die andauernden Baustellen, wegen denen wir ständig im Stau stehen. Und dadurch auch unsere Bus-Vorrang-Ampeln erst wesentlich später erreichen. Dies führt zu massiven Zeitverlusten, die von unseren Pausenzeiten abgehen oder sogar zu Linienausfällen führen, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Mindest-Pausenzeiten nicht mehr eingehalten werden können.

L: Über Jahrzehnte wurde der Bevölkerungszuwachs nicht berücksichtigt. Seit Jahrzehnten weiß die Stadt, dass die Bevölkerung wie in allen deutschen Großstädten zunehmen wird. Da hat die Stadt nicht vorausschauend geplant und somit versagt.

E: Versagt hat die Stadt auch dadurch, dass nicht frühzeitig begonnen worden ist, die unterirdischen Netze – wie Strom- und Gasleitungen – zu sanieren. Dadurch haben die Baustellen in der Stadt massiv zugenommen. Unverständlicherweise wurden unsere Fahrpläne trotz der zunehmend extrem schwierigen Bedingungen in den letzten Jahren immer enger getaktet.

R: Absurd eng getaktet! Da kommt es zum Beispiel vor, dass wir zwei hintereinander liegende Haltestellen innerhalb von einer Minute erreichen müssen. Wie soll das gehen? Es gibt Menschen, die mit Rollator, Rollstuhl oder Kinderwagen einsteigen, es werden Fahrscheine verkauft. Das alles ist zeitlich so nicht zu schaffen.

L: Viele neue, eigentlich sinnvolle, Regelungen, wie z.B. 7 km/h beim Rechtsabbiegen, Schritttempo in der Johannisstraße und neue 30er Zonen, wurden in unsere Fahrpläne nicht eingepflegt, was regelmäßig zu weiteren Zeitverlusten führt.

E:  Es wird einfach hingenommen, dass der ÖPNV so nie – ich betone nie! – zuverlässig und zeitgerecht fahren kann.

R: Manche Fahrgäste lassen ihren Frust auch an uns aus, wenn sie wieder einmal lange auf einen Bus warten mussten. 45 Minuten oder der Ausfall ganzer Linien sind leider keine Ausnahmen. Die meisten Fahrgäste sind allerdings sehr freundlich zu uns, das muss ich schon sagen.

L: Mich frustrieren diese Verspätungen auch und die Tatsache, dass wir Zuverlässigkeit nicht gewährleisten können. Ich arbeite ja nicht nur für das Geld, sondern möchte auch gute Arbeit leisten und die Fahrgäste zufriedenstellen.

R: Wir Busfahrer*innen lieben unseren Job und machen eine echt gute Arbeit. Obwohl sich in den letzten Jahren der Verkehr sehr verdichtet hat, haben Busfahrer*innen sehr selten Unfälle, wobei Personen zu Schaden kamen, verursacht.

E: Wir stehen unter einem enormen Druck wegen der gesamten Arbeitsbedingungen. Trotz steigender Krankenstände und Fachkräftemangel verschärfen sich diese.

R: Ich frage mich, wieso unsere Leitung gerade an uns Arbeitskräften spart? Das ist auch aus wirtschaftlicher Sicht sehr kurzfristig gedacht: Höhere Krankenstände sind teuer. Ein dermaßen schlechter Service hat in den letzten Jahren viele Abonnenten veranlasst, abzuspringen.

L: Nicht alle sind zum Fahrrad, viele sind auch wieder zum Auto zurückgekehrt. Dabei geht eine Energiewende nicht ohne einen gelungenen ÖPNV.

R:  Wir wünschen uns den Bedingungen entsprechend angepasste Fahrpläne, um Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit in Osnabrück zu garantieren. Ferner wünschen wir uns für unsere verantwortungsvolle und anstrengende Arbeit mehr Wertschätzung und Anerkennung.

L: Wir sind davon überzeugt, dass die Einbeziehung und Berücksichtigung unseres Wissens und unserer Kompetenzen bei der Planung des ÖPNVs viele jetzt vorhandene Probleme verhindert hätte.

R: Ein Vorgesetzter hat auf meine konstruktiv vorgetragene Kritik mal geantwortet: „Du sollst lenken, nicht denken!“

E: Auch wenn´s nicht erwünscht ist, wir Lenker*innen denken mit! (Gelächter unter den Fahrer*innen)


*Die vollständigen Namen sind der Redaktion bekannt.

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