Vorbemerkung der Redaktion: Am kommenden Dienstag ist die nächste Ratssitzung. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir eine Stellungnahme und die Rede des Ratsmitglieds Nicole Emektas, die sich auf die vergangene Sitzung vom 7.11. beziehen. Grund ist der (mittlerweile leicht veränderte) Kommentar von Hasepost Herausgeber Heiko Pohlmann, in dem er Nicole Emektas‘ Entscheidung, sich bei einer Israel-Resolution zu enthalten, scharf kritisiert. (Die Osnabrücker Rundschau wird im Rahmen einer neuen IGELPOST-Weihnachtsausgabe u. a. auf den besagten Pohlmann-Kommentar eingehen.)
Stellungnahme von Nicole Emektas
„Nach der vergangenen Ratssitzung am 07.11.2023 musste ich mit Entsetzen feststellen, dass die Hasepost, allen voran Heiko Pohlmann und der von ihm über die Ratssitzung und insbesondere meinen dort erfolgten Wortbeitrag geschriebene Artikel, nicht nur die Wahrheit verzerrt, sondern ganz und gar alternative Fakten erfindet. Aufgrund meiner Wurzeln versucht Heiko Pohlmann ein Bild von mir zu zeichnen, das so nicht hinzunehmen ist. Auch hat Pohlmann, den Unterschied zwischen einer Partei und der Ratsfraktion noch nicht verstanden.
In dem Zeitungsartikel geht es um die Resolution: „Jüdisches Leben in Osnabrück schützen, Antisemitismus entschlossen entgegentreten, Solidarität mit Israel!“
Ich, Nicole Emektas, habe mich dieser Resolution im Rat enthalten. Meine Entscheidung ist einzig alleine dem geschuldet, dass die derzeitige humanitäre Lage Gazas nicht mit einem Satz in der Resolution erwähnt oder gar kritisiert wurde.
Zu Anfang meiner Rede habe ich mich mehr als klar ausgedrückt und gesagt, dass ich die Taten der Hamas und ihre Existenz verabscheue. Anscheinend ist ein derart deutliches Signal meinerseits für einen Herrn Pohlmann zu schwer zu verstehen – woran das liegt, weiß ich bis heute nicht.
Heiko Pohlmann und mein Ratskollege Herr Dr. Brickwedde (CDU Ratsmitglied) stellten die Behauptung auf, dass die Zahlen und Fakten die ich genannt habe „Hamas-Propaganda seien“. Damit behaupten beide, dass ich die Hamas noch stärke, obwohl die Zahlen, die ich genannt habe, nicht nur von den Vereinten Nationen (UN) bestätigt wurden. Selbst die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht davon, dass alle 10 Minuten ein Kind in Gaza stirbt. Aber wer kennt sie nicht, die Terrororsympathisanten WHO und UN – Herr Pohlmann offenbar.
Zu der „Geschichtsstunde“, die ich aufgrund meines Alters von Herrn Dr. Brickwedde nach meiner Rede bekommen habe, möchte ich gerne noch hinzufügen, dass in Gaza seit 2006 keine Wahlen stattgefunden haben. Die jungen Menschen im Gaza, die die Hälfte der Zivilbevölkerung ausmachen, haben noch nie in ihrem Leben gewählt. Es ist zynisch zu behaupten, dass alle Menschen in Gaza die Meinung der Hamas vertreten. Verschiedenen Schätzungen und Umfragen diverser NGOs und anderen Stellen zufolge lehnen *mindestens 70%* der Menschen in Gaza die Hamas als Organisation und vor allem als Machthaber ab; dies scheint jedoch nicht zu interessieren.
Einen Tag nach der Ratssitzung sprach unsere Bundesaußenministerin Baerbock genau von den Umständen, auf die ich in meiner Rede aufmerksam machte. Interessant ist hierbei, dass Oberbürgermeisterin Pötter und andere Ratsmitglieder Robert Habeck zitieren und loben – wird dies auch bei Baerbocks Aussagen passieren oder sucht man sich nur die Aussagen, die einem passen?
Ich möchte es auch hier noch einmal klar unterstreichen. Für mich steht außer Frage, dass jüdisches Leben geschützt werden muss, dies ist wichtiger denn je! Es darf und kann nicht sein, dass jüdische Menschen erneut Angst haben müssen, in diesem Land und überall anderswo offen ihre Religion auszuüben und zu leben. NIE WIEDER gilt heute wie gestern und auch für alle Menschen, die sich Verfolgung und Diskriminierung, Unterdrückung und Vertreibung ausgesetzt sehen! Die einen Menschen zu schützen heißt nicht, die anderen schutzlos zu lassen.
Man kann übrigens die israelische Regierung und das Vorgehen des israelischen Militärs kritisieren und gleichzeitig gegen Antisemitismus kämpfen.
Im Wortlaut: Nicole Emektas‘ Rede im Osnabrücker Stadtrat am 07.11.2023
Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender, sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Pötter, liebe Ratskolleg*innen!
Vorweg: Ich verabscheue die Taten und die Existenz der Hamas und stehe hinter der jüdischen Bevölkerung und all denen, die unterdrückt werden. Ich möchte einmal betonen, dass ich hier als Ratsfrau Nicole Emektas stehe und die folgenden Worte nicht als Sprecherin für meine Fraktion spreche, sondern als ich. Nelson Mandela sagte eins: „Frei zu sein bedeutet nicht nur, seine eigenen Fesseln zu lösen, sondern ein Leben zu führen, das auch die Freiheit anderer respektiert und fördert.“
Die Frage die ich mir stelle: Hätte die Resolution somit nicht lauten müssen Solidarität und mit der israelischen und palästinensischen Bevölkerung? Wenn wir solidarisch mit den Opfern des Krieges sind, wieso benennen wir nur die Hamas als gewalttätig? Seit dem 07.10. sind über 10.000 Menschen auf palästinensischem Gebiet getötet wurden. Davon stellen 70% Babys, Kinder, Frauen dar, die mit der Hamas in keinerlei Zusammenhang stehen. Es ist nicht nur eine Zahl von Toten, es sind Menschen gewesen, mit Hoffnung auf Frieden, auf Leben und Liebe. Wir reden hier nicht von einem Fußballspiel, wo man sich für eine Seite entscheiden muss. Israel hat ein klares Recht sich zu verteidigen.
Bedeutet Selbstverteidigung aber auch, Gebiete so lange zu zerstören, bis es keine funktionierende Infrastruktur mehr gibt? Bis die letzten Krankenhäuser dicht machen? Bedeutet das auch, Straßen übersät mit Leichen zu haben? Für mich hört Selbstverteidigung da auf, wenn Flüchtlingslager bombardiert werden, der Zivilbevölkerung der Zugang zu fließendem und sauberem Wasser verwehrt wird und eine klare rechte Netanjahu-Regierung zu haben, die nicht davor scheut zu sagen, wir werden die Palästinenser wie Tiere behandeln. Seit einem Monat schauen wir dabei zu, wie Menschenrechte mit den Füßen getreten werden.
„Nie wieder“ sollte für alle Minderheiten gelten.
Ich werde mich dieser Resolution enthalten. Denn ich sehe mit keinem Satz, eine kritische Stimme über die humanitäre Krise und der aktuellen Lage im Gaza. Das heißt nicht, dass ich gegen die Beschützung des jüdischen Lebens in Osnabrück und auf der Welt bin. Es ist heute wichtiger denn je. Ich fordere uns, die Friedensstadt auf, ein klares Zeichen für einen sofortigen Waffenstillstand beider Seiten zu setzen.