„Herausfordernde Zeiten brauchen mutige Entscheidungen“

Im Wortlaut: Haushaltsreden der SPD-Fraktion

Nicht nur im Bundestag debattiert man Haushaltsprobleme. Der Osnabrücker Stadtrat hat am Dienstagabend einen Minus-Etat verabschiedet. Das Zahlenwerk stellt die ehrenamtlichen Ratsmitglieder vor immense Probleme. Thomas Fillep, Stadtrat und Finanzvorstand, muss künftig mit 75 Millionen mehr Ausgaben als Einnahmen wirtschaften. Zwischen den Fraktionen gab es ein hartes Ringen. Zum Schluss fand sich ein fast harmonisches Ende: Grüne, SPD, Volt, CDU, Kalla Wefel und OB Katharina Pötter stimmten dem Haushalt zu.

Im Detail wird klar, wie schwierig alles war. Die OR zitiert beispielhaft uns zugestelte Redebeiträge der SPD-Fraktionsvorsitzenden Susanne Hambürger dos Reis und ihres Kollegen Heiko Panzer, Sprecher für Finanzen und Beteiligungen. Beide gingen auf Schwerpunkte ein, die aus ihrer Sicht keine Einschnitte zulassen dürfen.


Susanne Hambürger Dos Reis:
„Stillstand verhindern – Stabilität schaffen!“

Einnahmen von rund 750 Millionen Euro stehen Ausgaben von 825 Millionen Euro im Jahr 2024 gegenüber. Nun könnte man meinen, dass es sinnvoll wäre, nicht mehr auszugeben als man einnimmt. Aber was würde das bedeuten? Es würde Stillstand für Osnabrück heißen. Noch mehr. Osnabrück würde zurückgeworfen beim bereits begonnenen Umbau unserer Schulen und bei wichtigen Projekten der Stadtentwicklung. Denn wir müssten die Unterstützung unserer Kinder- und Jugendeinrichtungen einschränken, unser kulturelles Engagement herabsetzen und auch die Finanzierung unseres Klinikums und der Stadtwerke neu überdenken, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.

Aber genau das wollen wir als SPD, wollen wir als Mehrheitsgruppe im Rat der Stadt Osnabrück nicht. Wichtig und essenziell für unsere Gesellschaft ist es doch, dass wir die Balance in diesen herausfordernden Zeiten halten. Das Gleichgewicht in unserer Gesellschaft ist durch die unruhigen Zeiten in der Welt schon jetzt sehr fragil. Deshalb müssen wir Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker für Stabilität in unserer Stadt Sorge tragen und den Bürgerinnen und Bürgern genau das auch vermitteln. Darum ist es für uns vollkommen richtig, dass wir im Fachbereich Soziales 2024 ca. 3,8 Millionen Euro mehr ausgeben als im Jahr 2023.


Kein Zögern bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums

Viele Menschen bedürfen der Unterstützung. Heute in Not zu geraten geht sehr schnell. So nimmt die Wohnungslosigkeit zu, auch unter Jugendlichen. Mit dem am 7. November einstimmig gefassten Beschluss zum Konzept der integrierten Notversorgung Obdachloser und wohnungsloser Menschen in der Stadt Osnabrück ist das Thema von Politik und Verwaltung frühzeitig aufgenommen worden. Diesen Bereich mit einer weiteren Stelle im Stellenplan der Stadt zu stärken, ist aus unserer Sicht mehr als sinnvoll.

Darüber hinaus bleiben steigende Mieten und hohe Energiekosten ein Problem für die meisten Menschenmit mit niedrigem Einkommen und mittlerweile auch von Menschen mit mittleren Budget. Unsere kommunale Wohnungsgesellschaft, die WIO, ist und bleibt daher ein wichtiger Baustein für die stetige Schaffung von bezahlbaren Wohnraum in Osnabrück. Wir müssen sie darum weiterhin mit der Kapitalzuführung der Stadt ausstatten, bis sie sich irgendwann selbst trägt.

Für die Wohnungsbaugesellschaften und die Baubranche, die in Osnabrück die Kümmerer für den Wohnungsmarkt sind, sind das zeitliche Aussetzen der Infrastrukturabgabe zusätzlich ein deutliches Signal des Rates. Wir nehmen ihre Sorgen ernst und wollen das Bauen für sie etwas leichter machen.


Frauen, Kinder, Jugend und Familien

Wie ich oben bereits erwähnte, darf man an der sozialen Infrastruktur nicht sparen. Die Unterstützung der Frauenberatungsstelle ist uns daher ein besonderes Anliegen. Ihr großes Engagement gegen Gewalt an Frauen – auch Gewalt in digitaler Form –  ist auch uns ein großes Anliegen, welches wir mit diesem Haushalt festigen und ausbauen. Frauen und Menschen, denen Gewalt angetan wird, müssen Hilfen und Schutzräume erfahren. Das werden wir weiter aus Überzeugung unterstützen.

Im Fachbereich Kinder, Jugend und Familie geben wir voraussichtlich in 2024 19,7 Mio. Euro mehr aus als im Jahr 2023. Unsere Familien, unsere Kinder und Jugendliche sind die Zukunft. Jeder Euro, der jetzt investiert wird, zahlt sich später aus.


Gute Arbeitsplätze

Bei den Beschäftigten in diesem Bereich, natürlich auch in anderen Bereichen, faire Gehälter zu zahlen und die Steigerung der Tarifkosten zu übernehmen ist selbstverständlich. Gerade die Investitionen im Personalbereich muss man genau beleuchten. Denn beim heutigen Fachkräftemangel ist die Investition in die Marke „ Arbeitgeber Stadt Osnabrück“ enorm wichtig.

Es muss Freude bereiten bei der Stadt zu arbeiten und es muss sich auch lohnen. Dafür muss man Geld in die Hand nehmen.


Krankenhäuser sichern

Apropos Geld in die Hand nehmen. Dies muss man auch für in Not geratene Krankenhäuser. Das hochbelastete Gesundheitswesen war vor Corona schon angeschlagen, nach Corona erst recht. Jetzt kommen noch einmal Faktoren wie hohe Energiepreise und der Fachkräftemangel dazu. Es trifft alle Krankenhäuser in Deutschland und auch wir müssen hier vor Ort unterstützen.

Mit 21 Millionen in 2023 haben wir dem Klinikum erste Hilfe geleistet. Erste Hilfe wird wohl jedoch nicht reichen. Der Patient wird eine längere Behandlung benötigen. Es geht aber auch um die Existenz der Niels- Stensen- Kliniken. Als langjährige Mitarbeiterin des Marienhospital habe ich mir so eine Situation bislang nicht vorstellen können.

Auf der einen Seite ist mein Beruf als Krankenschwester ein recht krisensicherer. Wir werden immer gebraucht. In den Zeiten des Fachkräftemangels noch mehr.

Der nichtöffentliche Hilferuf, der dann öffentlich wurde, was vielleicht im Rückblick positiv zu sehen ist, birgt auf der anderen Seite aber auch die Chance, dass Land und Bund sich endlich finanziell bewegen. Denn das müssen sie ohne Wenn und Aber tun. Wir haben es fünf nach zwölf, und die Zeit drängt. Bund und Land müssen Mittel bereit stellen, um ein massenhaften Krankenhaussterben in Deutschland verhindern!

Unsere gesundheitliche Grundversorgung steht auf dem Spiel. Die Leistungsträger, die sich vor Ort um die Kranken und Sterbenden kümmern, kann man nicht im Regen stehen lassen. Ich bin mir sehr sicher, dass die Oberbürgermeisterin und die Landrätin sich auch Richtung Berlin für monetäre, unterstützende Maßnahmen einsetzen. Danke an dieser Stelle dafür.


Heiko Panzer:
„Osnabrück zukunftsfähig weiterentwickeln!“

Wenn die Verwaltung den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern einen Haushaltsentwurf mit zu Beginn 75 Millionen mehr Ausgaben als Einnahmen übergibt, dann sind uns im Grunde alle Möglichkeiten genommen, politische Akzente zu setzen. 740 Millionen Erträge stehen Aufwendungen von jetzt etwa 825 Millionen Euro Ausgaben gegenüber. Die Deckungslücke ist im Verlauf der politischen Verhandlungen noch einmal um etwa 10 Millionen angestiegen. Die Voraussetzungen für Verhandlungen konnten also nicht schwieriger sein.


Lauter Ruf nach Sparvorschlägen

Der Ruf nach Sparvorschlägen und Konsolidierung wird immer lauter. Die Vorschläge der Verwaltung kamen aus Sicht der SPD-Fraktion sehr spät, einen Tag vor den internen Haushaltsberatungen. Diese Sparvorschläge umfassten die geringe Summe von 2,9 Millionen – und ließen darum den Schluss zu, bei einem Haushaltsvolumen von über 800 Millionen nicht wirklich substanziell an Problemlösungen gearbeitet zu haben.

Inhaltlich wären die Sparvorschläge der Verwaltung trotzdem geeignet gewesen, viel ehrenamtliches Engagement in dieser Stadt zu stoppen, die kulturelle Vielfalt einzuschränken und die Infrastruktur zu schwächen, wenn man sie vollständig umgesetzt hätte. Also mussten wir viele dieser ungeeigneten Vorschläge zurückweisen oder korrigieren.


Eigene Beiträge

Bedanken möchte ich mich bei den Fachverwaltungen, die Vorschläge gemacht haben, die sie selbst betreffen, wenn sie zum Beispiel Beiträge aus Personalkosten zu leisten bereit waren. Unsere eigenen Beiträge zur Haushaltssicherung sind ein höherer Betrag bei der Globalabsetzung der Personalkosten, da es auch für die Stadtverwaltung immer schwieriger wird offene Stellen zu besetzen und Nachfolgeregelungen bei ausscheidendem Personal zu treffen. Des Weiteren sind wir überzeugt, dass beim Treibstoff und bei Dienstreisen über alle Fachbereiche hinweg gespart werden kann.

Darüber hinaus haben wir die Einnahmeseite der Stadt beleuchtet. Wir haben Korrekturen bei den Zuwendungen, Umlagen und Kostenerstattungen gemacht und die Ansätze für den Erwerb von Vermögensgegenständen und Zinsen ins Positive verändert, um die finanzielle Lage der Stadt nicht weiter ins Minus rutschen zu lassen.


Schwerpunkte der SPD-Fraktion

Wo haben wir als SPD nun Schwerpunkte bei den Haushaltsberatungen gesetzt?

Uns ist es wichtig bei den Zukunftsthemen der Stadtgesellschaft besser voranzukommen. Darum haben wir gemeinsam mit den Grünen Akzente gesetzt. Beispielsweise bei Themen der Bildung, der Mobilitätswende, der Klimaanpassung, der Quartiersentwicklung und der Stadtsanierung.

Beim Thema Busbeschleunigung wollen wir endlich aus dem Planen in die Umsetzung kommen. Darum haben wir hier das Produktziel verändert. Am Ende steckt in jedem Kilometer, den der Bus insgesamt schneller fährt, auch ein Konsolidierungsbeitrag für die Stadt, weil dies uns zusätzlich hilft, Betriebskosten zu sparen.

Wir wollen die Maßnahmen zur Verbesserung des Radverkehr-Anteils der Stadt noch einmal verstärken. Und wir haben Ansätze für Radwege und Fahrradparkhäuser in Wohnquartieren erhöht.

Wir wollen die Stadtbewohner stärker vor Lärmquellen schützen und haben uns bei der Umsetzung des Lärmaktionsplans Ziele für die Umsetzung von Maßnahmen gesetzt.

Wir werden das erfolgreiche Programm „Grün statt Grau“ fortführen und einen Schwerpunkt bei der Entsiegelung von Flächen legen.

Die Stadtsanierung bekommt noch einmal neues Geld, um das Programm „Osnabrück saniert“ weiterzuführen.

Zudem haben wir uns für Planungskosten bei der Gesamtschulentwicklung stark gemacht.

Kritik müssen wir bei dem Umgang mit den Mehrbedarfen der sozialen und kulturellen Träger in der Stadt äußern. Hier war die Verwaltung mit der immer gleichlautenden Begründung bereit, viel Wertvolles auf ein Minimum zu reduzieren und so unnötig Strukturen zu gefährden.


Zufrieden mit Kompromissen

Zum Glück konnten wir in der interfraktionellen Runde viele Kompromisse finden und so wichtigen Einrichtungen den Rücken stärken. Alle stehen, genauso wie die Stadt, durch gestiegene Kosten finanziell mit dem Rücken an der Wand.

Stark umstritten war die Aussetzung der Kostenbeteiligung an den sozialen Infrastrukturkosten bei der Baulandentwicklung. Hier haben wir uns zunächst auf einen Zeitraum von zwei Jahren geeinigt, um so bei der Schaffung von Wohnraum in angespannter Marktlage für Entlastung zu sorgen.

Wir hoffen so in herausfordernden Zeiten die richtigen Weichen gestellt zu haben, um Osnabrück auf Kurs zu halten und die wichtigen Zukunftsaufgaben zu bewältigen.

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