„Ick bün all hier“ – Trari Trara, die Igelpost ist da: Der Hase auf dem Sprung ins Rathaus?

Liebe Leserin, lieber Leser,
bevor Du hier weiterliest, möchte ich mich erst einmal vorstellen: Ich bin der schreibende Igel in der OR-Redaktion und verantwortlich für das Projekt „Das isso! Muss man wissen!“. Gepackt hat mich die Schreiberei, weil ich mich vor einiger Zeit dem Lesen einer quälenden Lektüre unterworfen habe. Sie nennt sich mit Zweitnamen ebenfalls „Post“, ist auch online unterwegs und besitzt als Vornamen nicht mich, sondern den eines hastig nagenden Langohrs. Ein Igel ist bekanntlich viel schneller und cleverer als dieser stets gehetzte Vierbeiner, der bei jeder Gelegenheit vor vermeintlich grünen Jägern oder roten Reitern in kopflose Panik gerät. Aber anstatt sich zu verziehen, plustert er sich dummdreist auf, und wenn jemand so aufgeblasen daherkommt, steche ich gern zu.

IGELPOST – 1/24 – 3. Jahrgang
Die neue Igelpost – billig wie immer
Der Hase fürchtet um die Demokratie im Stadtrat

Die Igelpost in alter Langfassung – eine letzte XXL-Ausgabe folgt noch am kommenden Wochenende – würde sich selbst untreu werden, wenn sie nicht immer wieder hochaktuelle Verlautbarungen der Hasenpost auf die eigenen Igelstacheln piekste.

Dieses Mal hat jenes Organ, ohne das es uns nicht gäbe, in einem kaum zu glaubenden Anflug aufgeblasener Selbstüberschätzung tatsächlich den Notstand der Osnabrücker Demokratie ausgerufen. „Die Harmoniesucht im Stadtrat ist das eigentliche Gift der Demokratie“, stellt Chefkommentator Heiko Pohlmann in seinem Spaßmagazin am 11. Januar fest – und brüstet sich danach als selbstverliebter Analytiker des Osnabrücker Ratsgeschehens. Mehr noch: Pohlmann scheint tatsächlich, wollte man ihn ernstnehmen, ins Auge gefasst zu haben, das Seinige dazu beizutragen, dass bald im Stadtrat ganz andere Kräfte als bislang den Ton angeben. Dies ist, folgt man der Hasenlogik, dringend notwendig, weil der aktuelle Rat bestehe „zu 90% tatsächlich nur aus dem, was die neuen Herausforderer abschätzig als ‚Altparteien‘ bezeichnen“. Was für eine gewagte Vorhersage bei all den bundesweit bekannten Wahlprognosen, aber so sind sie nun mal diese „Ich hab’s ja gleich gesagt“-Schisshasen. Exakt dies soll fortan anders werden!

Originalton Pohlmann: „Ich glaube nicht, dass das lange so bleiben wird. Und ich glaube, dass die Harmonie- und Gefallsucht im Osnabrücker Stadtrat nicht nur den weiteren Stillstand in Osnabrück befördert, sondern entscheidend dazu beitragen wird, mit welcher Stärke die neuen Herausforderer mit ihren angeblich einfachen Lösungen bei der nächsten Kommunalwahl Plätze der bisherigen Zauderer übernehmen werden.“ Angeblich einfache Lösungen? „Angeblich“ einfache Lösungen hat der Rechtsblock im Stadtrat aus AfD und AfDlight (BOB) schon heute parat.

Ein Hase kurz vor dem Sprung in die Schaltzentrale des Osnabrücker Rathauses? An die Hebel der Macht? Da wir Igel Hasensprüche eigentlich nie ernstnehmen, erspare ich mir hier den Blick in Pohlmanns Glaskugel, die ohnehin nach gewaltigem Schütteln nichts als Seifenblasen und künstlichen Schnee produziert. Versuchen wir es mal, was allerdings verdammt schwerfällt, mit Zitaten. Folgt man dem Chefhasen, steht nämlich felsenfest die folgende Erkenntnis: „Im Osnabrücker Stadtrat wird nicht mehr gestritten. Dafür hat man sich zuletzt beim Handgiftentag ganz besonders freundlich auf die Schulter geklopft.“ Pohlmann versteht seinen Kommentar übrigens als eine Replik auf den NOZ-Kommentar von Wilfried Hinrichs, mit der Überschrift „Die Friedensstadt ist (noch) immun gegen das Gift der Demokratiefeinde“.

Für den Hasen nun mal wieder ein wenig Nachhilfe in Heimatkunde, auch wenn wir es langsam leid sind, ständig auf die eklatanten Wissenslücken des Langohrs hinweisen zu müssen. Igel hingegen sind ja allein durch ihre Evaluationsphasen im Winterschlaf ziemlich firm darin, auf die Geschichte zu blicken. Der Osnabrücker „Handgiftentag“ ist nämlich seit 1348 (!) jenes Datum, an dem sich „Wahlmänner zum Zeichen guter und ehrbarer Absichten gegenseitig die Hände“ reichen. Was einst in der Stadthistorie Wahlmänner waren, die alljährlich zu Jahresbeginn den Stadtrat wählten oder auch auswürfelten, sind heute Ratsmitglieder, Ehrenbürger*innen und sonstige Menschen aus der hiesigen Zivilgesellschaft, welche sich in Schulterhöhe die Hand reichen, um im Folgejahr gemeinsam zum Wohle der Stadt zusammenzuwirken. Dass dies ohne Betonung des politisch Trennenden passiert, zählt bereits seit den besagten Jahrhunderten zur Tradition des „Handgiftens“. Tja, so etwas hätten belesene Hasen wissen können.

Zumal wir immer wieder feststellen müssen, dass der Hasenpost wenig über die Stadtgeschichte bekannt ist, dürfte man dort bis heute meinen, dass „Handgiften“ nicht „Handgeben“ heißt, sondern etwas mit „Giften“ zu tun hat. Zum Glück ist die Zahl aktueller Giftzwerge im Stadtrat sehr überschaubar. Aber was soll’s? Sein Name ist eben Hase – und der weiß auch in diesem Fall von nichts.

Dass auch Haushaltsbeschlüsse deshalb gefunden werden, um Fortschritte im  Einvernehmen und jenseits unterschiedlicher Mehrheitsverhältnisse der Zukunft zu sichern, passt der Hasenpost natürlich ebenso wenig. Besonders schuldig macht sich nach Hasenlogik die Osnabrücker CDU und damit die bitter enttäuschte alte Hasenliebe. Originalton: „Es ist vor allem die Osnabrücker CDU, die mit der Verweigerung der Oppositionsrolle dafür sorgt, dass es keine klaren Gegenentwürfe mehr zur grün dominierten Mehrheitsgruppe mit Volt und SPD gibt.“

Wäre der Hase in der Lage, durch seinen vernebelten Verstand hindurch reale und seit Jahrzehnten bestehende Differenzen im kommunalen Geschehen zu erkennen, wären sogar ihm schnell grundlegende Dispute der unterschiedlichen Lager ins Auge gesprungen. Der gewichtige Streit im Schulbereich, ob inklusive Konzepte wie Integrierte Gesamtschulen oder klassische elitäre Gymnasien die Bildungslandschaft prägen, ist ein Evergreen – und wurde übrigens vom „durch gelegentliche Zwischenrufe auffallenden Spaßkandidaten Kalla Wefel“ wieder aufs Tapet gebracht.

Wie mühselig war der Prozess, als Rot-Grüne nach deren Abschaffung durch Schwarz-Gelbe und gegen deren Widerstand endlich wieder eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft schaffen konnten?

Wie strittig unter den Ratsparteien ist der Weg zu kostenlosen Krippen, Kitas und Horten?

Wie heftig geht es her, sobald Konservative wieder mal Teile der Grünen Finger bebauen wollen?

Wie heftig wird um Parkplätze und Parkgebühren gerungen?

Wie ideologisch wird es, wenn Konservative einmal mehr bei fast jedem Bebauungsplan um möglichst viele Freiflächen für Einfamilienhäuser streiten, während Rot-Grüne eher mehrstöckige Wohnhäuser auf dem Index haben?

Wie unverdrossen müssen Rot-Grüne unverändert um jeden Kompromiss mit Autophilisten der bürgerlichen Parteien streiten, um Verkehrsraum für Autos zu verringern und für Radfahrer*innen, Busse und Fußgänger*innen zu vermehren?

Lassen wir es bei diesen wenigen markanten Beispielen, denn die Debatten finden in erster Linie in den Ausschüssen und nur selten in den Ratssitzungen statt.

Wir Igel wissen es eben besser als hektische Hasen: Baustellen für Kontroversen bleiben, im Sinne einer streitbaren Demokratie, in der Wiedervorlageliste der Osnabrücker Kommunalpolitik. Und das ist gut so.

Woher soll ein Hase, der von nichts weiß, das alles wissen?


Ps
Die Igelpost reagiert von nun an lieber direkt auf Kommentare in der Hasenpost. Eine große Zusammenfassung der Hasenpost-Downlights aus dem vierten Quartal 2023 erscheint irgendwann in den nächsten Wochen.

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