Mittwoch, 21. Februar 2024

Wach werden und früh aufstehen für Demokratie

Protest gegen AfD-Treffen in Osnabrück

Respekt für die Osnabrücker Omas gegen Rechts – am Freitag noch in Münster und im WDR zu sehen, waren sie gestern morgen um 9:00 Uhr schon wieder vollzählig dabei, im Landwehrviertel klare Kante gegen Rechts zu zeigen.

„Wach werden für Demokratie“ – diesem Aufruf auf einem Plakat sind trotz des abgelegenen Veranstaltungsortes am Stadtrand erstaunlich viele Menschen gefolgt. Auch wenn sie naturgemäß nicht so zahlreich sind wie bei der großen Demonstration vor zwei Wochen, zeigt sich hier ein durchaus repräsentativer und bunter Durchschnitt der Osnabrücker Stadtgesellschaft, der sich schon so früh an einem Samstagmorgen aufgemacht hat, um den Rechtsaußen zu zeigen: „Wir sind mehr!“

Zufrieden mit allem zeigte sich auch Olaf Cramm, für den Osnabrücker DGB einer der Mitorganisatoren der Zusammenkunft. Cramm: „Hunderte fanden sich ein, laut und bunt ihrer Verärgerung Ausdruck zu geben. Schilder, Transparente, Trommeln und Trillerpfeifen. Es gab die ganze Vielfalt von Protest. Getragen von der Nachbarschaft aus Atter und der Unterstützung aus der Stadtgesellschaft.“

Thomas Kater von „Wir in Atter“ wies auf die Aktivitäten des Bürgervereins für Respekt, Vielfalt und Toleranz vor Ort im Stadtteil hin. Weitere Redner betonten, dass das Treffen in Potsdam nur der Beweis einer gefährlichen Entwicklung sei, die sich schon lange gezeigt habe – und kritisieren dabei auch die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung.

Dass die Demonstration vom ursprünglich vorgesehenen Belfastplatz zum Ort des Geschehens gezogen war, der Turnhalle also, in der das AfD-Treffen stattfand, war nachvollziehbar, denn wie will man es sonst den Rechten erschweren, die Räume für ihre menschenfeindliche Propaganda auch noch optimal zu nutzen? Ein weiterer Mitveranstalter konnte die Kursänderung, auf OR-Frage hin, gut nachvollziehen: „Vielleicht chaotisch, aber entschlossen zogen immer mehr Menschen mit. Was einmal als Zwischenkundgebung eines Demonstrationszuges um die Halle geplant war, wurde nun direkt an deren Eingang vollzogen. Ein lauter Protest und die Positionierung verschiedener Gruppen. Angefangen mit ‚Wir in Atter‘. So haben die Teilnehmenden es entschieden.“

Fotos: Osnabrücker RundschauFotos: Osnabrücker Rundschau
Fotos: Osnabrücker RundschauFotos: Osnabrücker Rundschau
Fotos: Osnabrücker RundschauFotos: Osnabrücker Rundschau
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Auf diese Weise bekamen die AfD-Mitglieder jedes Mal, wenn sie das Gebäude verließen, laut und deutlich zu hören, was Osnabrück von ihnen hält. Ein Vater aus dem Viertel erklärte seinem kleinen Kind, dass man hier sei, weil man mit den Auffassungen dieser Leute in der Halle nicht übereinstimme. In der Tat: Das machen die fast 500 Demonstrant*innen laut und vernehmlich deutlich, von denen übrigens, entgegen eines NOZ-Berichts,  keine anonym vermummte Person zu sichten war.

„Es war ein spannender Protest!“, befanden Beteiligte aus dem Stadtteil. Gemeinsam hatten auch sie sich getraut und rundum wohl gefühlt. Und die Botschaft, im Stadtteil, am Arbeitsplatz, auch beim Einkaufen gegen Rechts einzustehen, seien angekommen, betonte eine der Anwohnerinnen. Olaf Cramm: „Eine großartige Gemeinschaft, die da klare Kante gegen Rechts zeigt. Jetzt ist es Zeit, überall!“

Vor dem Münsteraner Rathaus, wo vorgestern die AfD getagt hat bzw versucht hat zu tagen ist heute eine Gedenkstätte für Nawalny

Ein Mann mit einem Bild von Alexej Nawalny erinnerte auch die Putinfans der AfD daran, dass wir in einem freien Land leben. Zum Vergleich: Putin hat seit gestern über 300 Menschen verhaften lassen, die an den Regimekritiker und seinen Mut erinnern wollten, der einen grausamen Tod auf Raten sterben musste.

Zum ersten Vorsitzenden des neuen AfD-Stadtverbands wurde Florian Meyer gewählt, der die friedlichen Demonstrant*’innen und Familien aus dem Viertel in goebbelsscher Manier gestern als „extremes Pack“ und „Horde“ bezeichnete. Der Ton erinnerte an das Hetzblatt „Der Stadtwächter“, das zunächst wöchentlich erschien, oder an die später täglich erscheinende „Osnabrücker Zeitung“, die den Nationalsozialisten zwischen 1929 und 1933 auch in der Hasestadt den Weg bereiteten.

Dass an Deutschlands rechtem Rand gerade Hemmungen fallen, zeigen nicht nur die menschenverachtenden Kommentare im rechtsextremen telegram-Kanal „Grundrechte Osnabrück“. Auch der Bund Osnabrücker Bürger*innen (BOB) hat im letzten Kommunalwahlkampf demonstriert, dass er mangels Argumenten mit primitiven persönlichen Beleidigungen arbeitet. Dass der BOB-Vorsitzende Dr. Steffen Grüner im niedersächsischen Vorstand des Fördervereins der gestern gegründeten ultrarechten Partei „WerteUnion“ ist und dass das ehemalige BOB-Stadtratsmitglied Thorsten Wassermann gestern als Beisitzer in den Osnabrücker Kreisvorstand der AfD gewählt wurde, verwundert nur diejenigen, die jahrelang die Augen vor rechter Hetze im Internet verschlossen haben.

Und auch CSU-Mann Markus Söder hat bewiesen, dass seine Partei rein gar nichts aus der Geschichte gelernt hat, wenn er den SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert oder die grüne Parteivorsitzende Ricarda Lang mit seinem Hund Molly vergleicht, der im Gegensatz zu den beiden als Schutzhund immerhin eine Ausbildung habe. Der Gipfel der Demagogie war dann am politischen Aschermittwoch, als er Bundesumweltministerin Steffi Lemke als „grüne Margot Honecker“ bezeichnete, die die Freiheit der Menschen durch immer neue Auflagen einschränke. Die Grünen-Politikerin stammt übrigens aus der DDR und hatte 1989 gegen die SED-Regierung protestiert. Söders Worte zeigen völlige Geschichtsunkenntnis über das, was Margot Honecker im ostdeutschen Bildungssystem angerichtet hat, das Lemke den Zugang zum Abitur verweigert hatte.

All das ist kein bayerisch-deftiger Humor, wie manche Medien verharmlosend meinten, sondern nichts als Hetze im finstersten Stürmer-Stil. Wie heißt es auf vielen Plakaten zur Zeit? „Hatten wir schon mal, war kacke!“

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