Achim Reichel in der Osnabrück Halle
Es gibt diese Momente, in denen das Publikum eins wird mit dem auftretenden Künstler. Eine ganz bestimmte Atmosphäre entsteht, ein Gefühl des Zusammenseins, das über das bloße Konsumieren einer Bühnenshow hinausgeht. Diese ganz besondere Resonanz war spürbar beim Gastspiel von Achim Reichel im Rahmen seiner Tour „Schön war es doch!“ in der Osnabrück Halle.
Reichel möchte auf dieser seiner wahrscheinlich letzten Tournee aus seinem reichhaltigen Musikerleben erzählen und beginnt die Reise durch seine Karriere mit „Fliegende Pferde“ eher verhalten. Dennoch nehmen er und seine Band, unterstützt durch die stimmungsvoll mit Naturmotiven eingerichtete Bühne, das Publikum sofort gefangen. Der Sound der Band bestehend aus, Bass, Gitarre, Perkussion und einem dreiköpfigen Bläsersatz ist exquisit. Darüber in bester Sprachverständlichkeit Reichels Stimme, rauh, herzlich und intensiv. Ein gelungener, sanfter Einstieg in ein Konzert, das dann kurz danach mit „Der Spieler“ einen ersten Höhepunkt hat. Reichel hat sich die E-Gitarre umgehängt, erhöht die Schlagzahl, erreicht jeden mit dieser Geschichte eines ewigen Verlierers. Leicht in den Knien gebeugt treibt der mittlerweile Achtzigjährige die Rhythmusgruppe an, während die Bläser messerscharfe Akzente setzen.
Nach diesem Song aus den Achtzigern, der in Zusammenarbeit mit den Schriftsteller Jörg Fauser entstand, findet Reichel den Weg zurück in die Sechziger, seine wilde Zeit in der er „nur Rock ’n‘ Roll im Kopf hatte“. Hier spart er allerdings seine englischsprachige Zeit bei den Rattles oder Wonderland aus und präsentiert Bearbeitungen großer Lieder aus dieser Zeit. Hans Albers‘ „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ und später Hilde Knefs „Aber schön war es doch“, gleichzeitig auch das Motto dieser Tour. Beide Songs trifft er stilsicher mit seinem rauhen Charme, wobei er Hans Albers bekanntestes Lied gekonnt in einen mitreißenden Viervierteltakt transferiert.
In der Folge schnürt Reichel dann sein erstes Doppelpack mit Songs über die Urgewalt der Meere. Da ist „Exxon Valdez“ aus eigener Feder über das katastrophale Tankerunglück an der Küste Alaskas im Jahre 1989 und „Trutz blanke Hans“, dieses Lied über den Untergang der Insel Rungholt, eine Bearbeitung des gleichnamigen Gedichtes von Detlef von Liliencron. Beide Songs kommen wuchtig daher, Bass, Gitarre und Schlagzeug treiben die harten Rhythmen voran, die Bläser setzen glasklare Klangsplitter und darüber liegt der markante Gesang des Hamburgers, der die beiden Geschichten über den Hochmut des Menschen emotional und packend auf den Punkt bringt.
Dass Achim Reichel ein brillanter Geschichtenerzähler ist, beweist er erneut nach der Pause mit seiner Kombination aus der „Regenballade“ von Ina Seidel und Morgensterns Klassiker „Der Mond ist aufgegangen“. Das Licht auf der Bühne ist heruntergedimmt, das Querflötenintro zur Regenballade erklingt und schon ist man drin in der kleinen Horrorstory um den Schnatermann, inzwischen ein Naherholungsgebiet in der Nähe von Rostock. Reichels Stimme ist jetzt eindringlich, flüsternd, kehlig und beschwörend, als er vom Verirrten im ehemaligen Sumpfgebiet und dem fischartigen Fabelwesen erzählt, kongenial an den Gitarren unterstützt von seinem langjährigen Begleiter Nils Tuxen. Das Publikum folgt ihm gebannt und ist fast erlöst, als sich in „Der Mond ist aufgegangen“ der Nebel lichtet und die Regenballade noch zu einem guten Ende kommt. Das ist einfach tolles akustisches Kino!
Danach hat der sympathische Hamburger leichte Hand. Willig genießen die Zuhörer Herrn von Ribbeks Birnen als Vorspeise vor saftig präsentierten „Steaks, Bier und Zigaretten“, gehen mit Kapitän Reichel bei „Halla Balou Balle“ mit aufs Schiff, um dann mit Ringelnatz und „Kuddel Daddel Du“ noch einmal auf die Reeperbahn zurückzukehren.
Dann ist es Zeit für eine Zäsur. Die Geschichte des Mega-Hits „Aloha Heja He“ will erzählt werden. Augenzwinkernd und amüsant berichtet Reichel vom fast in den Schubladen vergessenen Song, der dann zum kleinen Hit wurde, dann zum Party Kracher mit ausgeprägter Rudergymnastik und letztendlich im letzten Jahr zum Mega-Hit in China inklusive Tourneeanfrage..
Alles andere anschließend ist ein Selbstläufer. Bei „Aloha Heja He“ vereinigen sich Künstler und Band, lösen danach zusammen „Kreuzworträtsel“ und lassen den Abend mit „Leben Leben“ und “ Halt die Welt an“ eher besinnlich ausklingen.
Zum Abschluss gibt es stehende Ovationen und es entsteht die anfangs erwähnte Aura, die Publikum und Musiker einschließt. Beide haben sich emotional und empathisch die Hände gereicht, sich verstanden. Falls das wirklich die letzte Tour des authentischen und sympathischen Achim Reichel war, er wird uns fehlen. Aber vielleicht gibt es ja doch noch die Konzertreise nach China und dann wirklich ein allerletztes Mal bei uns.
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