Dienstag, 7. Mai 2024

„Der ambivalente Herr Calmeyer“

Film über den umstrittenen Osnabrücker „Schindler“

Auch die OR hat die Debatte mehrfach dokumentiert: Der Streit um eine angemessene Würdigung des Osnabrücker Rechtsanwalts Hans Georg Calmeyer (1903-1972) nahm im Laufe der Zeit an Schärfe zu. Besonders war dies der Fall, als es um die Neubenennung der Villa Schlikker ging. Jetzt wird filmisch noch einmal zusammenfassend vor die Linse genommen: Worum ging es bei diesem Streit?

Die Fronten des Disputs lassen sich grob so beschreiben: Die einen halten den Osnabrücker Rechtsanwalt für einen der erfolgreichsten Retter von Jüdinnen und Juden vor der Shoah, bedeutsamer als der bekannte Oskar Schindler. Demnach bewahrte Calmeyer in den von Deutschland besetzten Niederlanden mehrere Tausend Menschen jüdischer Abstammung vor der Deportation.

Andere hingegen halten den Juristen zugleich für einen willfährigen Vollstrecker der nationalsozialistischen Besatzungspolitik. Auch seine Mitarbeit in der Besatzungsverwaltung ermöglichte danach das reibungslose Funktionieren einer Judenverfolgung, die in den Niederlanden zu den größten Opferzahlen in einem westeuropäischen Land unter deutscher Herrschaft führte. Wiederum andere erkennen in Calmeyer den Prototyp eines „gewöhnlichen Deutschen“, der sich nach und nach durch Kompromisse und Zugeständnisse in ein verbrecherisches System verstrickte.

Die recht unterschiedlichen Bewertungen von Calmeyers Tätigkeiten während des Zweiten Weltkrieges führen mitunter zu emotional aufgeladenen Diskussionen. Die Trennlinien verlaufen dabei quer zu politischen Lagern oder Ländergrenzen.


Sichtweisen in Bild und Ton

Nun gibt es einen Film, der diesen Streit dokumentiert. Der Osnabrücker Historiker Reiner Wolf bemüht sich in dem Dokumentarfilm Der ambivalente Herr Calmeyer – Chronik einer umstrittenen Würdigung darum, den Streit zu rekonstruieren und die sich scheinbar ausschließenden Positionen zusammenzuführen. Dazu begleitet der Film Menschen aus Deutschland und den Niederlanden, die sich seit Jahren mit der Frage beschäftigen, ob – und wenn ja – wie an den bekannten Osnabrücker erinnert werden sollte.


Die Vorpremiere des Dokumentarfilms findet am 7. Mai um 19:30 Uhr in der Lagerhalle statt.

„Der ambivalente Herr Calmeyer“: Deutschland 2024; 91 Min.; Buch & Regie: Reiner Wolf; Kamera: Mias König; Mitwirkende: Petra van der Boomgaard, Joachim Castan, Els van Diggele, Alfred Edelstein, Robert van Galen, Mathias Middelberg, Jan van Ophuijsen, Heiko Schulze u. a.; deutsch (z.T. englisch/niederländisch mit dt. Untertiteln); eine Produktion des Vereins für Kleinkunst, Kultur und Bildung e. V.

Hier die Infos der Lagerhalle: https://www.lagerhalle-osnabrueck.de/content/veranstaltungen/der-ambivalente-herr-calmeyer/

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