Im Folgenden der Wettbewerbsbeitrag von Younes Hamid, Jahrgangsstufe 13. Morgen Abend um 19.00 foIgt der Beitrag von Lena Meineke, Jahrgangsstufe 11.
„Die Ingenieurinnen und Ingenieure werden die Welt retten“
Viele verbinden die Mobilitätswende mit der Elektrifizierung und Autonomisierung des Straßenverkehrs oder auch der Ausweitung des Schienennetzes. Aber auch in der Luftfahrt ist die Mobilitätswende, wenn auch weit unscheinbarer, angekommen. Nicht nur bei den großen multinationalen Flugzeugherstellern wie Airbus oder Boeing wird bereits jetzt an einer klimaneutralen Zukunft der Luftfahrt geforscht, sondern auch in zahlreichen Start-Ups, Forschungseinrichtungen und Universitäten hier in Deutschland.
Dass die Luftfahrt trotz des geringen Anteils von ungefähr drei Prozent an den Gesamtemissionen grün werden muss, meint auch Dr. Steffen Schrader, Universitätsprofessor und Testpilot. Im Jahr 1998 gründete er den Studiengang „Aircraft and Flight Engineering“ an der Hochschule Osnabrück. Zwar fokussiere sich dieser Studiengang der Luftfahrttechnik nicht auf nachhaltiges Fliegen, so Schrader, jedoch spüle das Thema allein „gesellschaftlich in unsere Institutionen hinein, und damit ist es da“. Jede ernst zu nehmende Bildungseinrichtung auf der Welt komme heute an der Herausforderung „Alternative Energien“ nicht vorbei, und dies gelte auch in Bezug auf die Luftfahrt. Obwohl Schrader langfristig gesehen die Zukunft im Bereich Wasserstoff und Power-To-Liquid, eine Form der nachhaltigen Luftfahrtkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels (SAF)) sehe, müsse man bei der Forschung stets technologisch offenbleiben. So lohne sich beispielsweise auch die Forschung an elektrischen Antrieben, die auf sehr kurzen Flügen von wenigen Kilometern genutzt werden könnten.
Schrader betreut aktuell genau zu diesem Thema eine Promotion in Kooperation mit dem Ostfriesischen Flug-Dienst (OFD), die sich mit den Möglichkeiten der hybrid-elektrischen Fliegerei beschäftigt. Schon bald soll eine eigens dafür umgebaute GA-8 Airvan, ein Flugzeug für bis zu fünf Passagiere, mit hybrid-elektrischem Antrieb auf der Linie zwischen Emden und der Nordseeinsel Borkum getestet werden. Während anfangs noch nur der Start elektrisch geflogen werden solle, sei das langfristige Ziel, „in Zukunft den normalen Verbrenner nur noch als Notfall-Backup dabeizuhaben und ansonsten elektrisch zu fliegen“. Gleichzeitig könne man versuchen, das normale Flugbenzin durch zu verbrennenden Wasserstoff oder SAFs zu ersetzen. Das Problem dabei, das für die gesamte Luftfahrt gelte, sei jedoch der Preis und die Verfügbarkeit der Power-To-Liquid-Technologie. Fern davon, den gesamten Markt zu bedienen, sei sie noch auf „Laborgrößenordnung“.
Pilotenausbildung elektrisch gestalten – Hochschulforschung an Regional Air Mobility an der FH Aachen
Auch in Aachen wird an der Zukunft der Luftfahrt geforscht. Über 2000 Studenten zählt der Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik der FH Aachen, an dem Prof. Dr.-Ing. Frank Janser Strömungsmechanik und Industrieaerodynamik lehrt. Forschung an nachhaltiger Luftfahrt bedeutet für ihn auch die Forschung an nachhaltiger Mobilität insgesamt, denn oftmals sei die Luftfahrt der „erste Trigger“ für Veränderungen in den anderen Mobilitätsbereichen. Laut Janser forsche die FH Aachen – Stichwort Technologieoffenheit – schon seit Jahrzehnten an mehreren alternativen Antriebsarten für die Luftfahrt. So sei bereits in den 1990er Jahren eine der ersten Wasserstoff-Brennkammern im Triebwerkslabor der FH Aachen entstanden. Wenige Jahre später, im Jahr 2001, habe man dann in Kooperation mit einem Hersteller das erste elektrische eigenstartfähige Ultraleicht-Segelflugzeug entwickelt. Momentan sei man nun am Start-Up „e.SAT“ beteiligt, das an ein für den Zubringerverkehr bestimmtes elektrisch angetriebenes und für vier Personen ausgelegtes „Silent Air Taxi“ forsche. Eine vom nordrheinwestfälischem Verkehrsministerium geförderten Vorstufe dieser noch theoretischen Idee sei der „Silent Air Trainer“, der in Kooperation mit dem slowenischen Hersteller Pipistrel und einer Aachener Flugschule in bereits 200 Flugstunden zur nachhaltigen Privatpilotenausbildung genutzt worden sei. Bis zu 40 Minuten könne sich dieses Flugzeug in der Luft halten, so Janser.
„Technologiescouting“ im Bauhaus Luftfahrt
Dr. Kay Plötner ist Leiter des Bereiches Ökonomie und Verkehr beim Bauhaus Luftfahrt e.V., einem Aviation Think Tank mit Sitz in Taufkirchen bei München, das von verschiedenen Institutionen und Unternehmen der Branche wie Airbus und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), als auch vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie gefördert wird und in Zusammenarbeit mit der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft an einer nachhaltigen Zukunft der Luftfahrt forscht. Anders als beispielsweise in Aachen bauen und testen die Forscher aus Taufkirchen hier nicht physisch neuartige Antriebstechnologien, sondern arbeiten rechnerbasiert anhand von Konzeptstudien. Dafür werde neben dem reinen technologischen Aspekt der nachhaltigen Luftfahrt auch die systemische Transition der Luftfahrt betrachtet, so Plötner. Beispielsweise arbeite man aktuell in Zusammenarbeit mit der TU Braunschweig und der Hochschule Worms an dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördertem Projekt „NetShAir“, das eine neue Art der Besitz- und Betriebsverhältnisse von Passagierflugzeugen untersuche, um so Airline-übergreifend Passagiere effizienter und emissionsärmer, beispielsweise durch mehr Direktverbindungen von A nach B, transportieren zu können.
Bei aller Technologieoffenheit sei es für Plötner dennoch wichtig, „Technologiescouting“ zu betreiben. Da rund 90 Prozent der vom Flugverkehr verursachten Emissionen von Flügen über 1000 Kilometern verursacht würden, müsse man dementsprechend auf für die Mittel- und Langstrecke geeigneten Antriebsarten setzen. Und dies seien eben keine elektrischen Antriebe, sondern die nachhaltigen Luftfahrtkraftstoffe (SAFs) oder die Verbrennung von verflüssigtem Wasserstoff in der Gasturbine, wobei letzteres aufgrund einiger Schwierigkeiten bezüglich der Tankstrukturen und Zuleitungen noch mehr Forschung bedarf und die großen Flugzeugbauer Airbus und Boeing diesbezüglich noch zurückhaltender seien. Das Problem bei den SAFs hingegen sei, wie bereits Schrader festhielt, die Verfügbarkeit, so Plötner: „Dieser Markt entwickelt sich nicht so, wie er eigentlich müsste. Dementsprechend sind im Moment ganz wenig verfügbare Mengen an Sustainable Aviation Fuels da.“ Genauer meint Plötner die Power-To-Liquid-Technologie, also strombasierte Kraftstoffe (E-Fuels), die mittels Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre und grünem Wasserstoff hergestellt werden. Die durch den Einsatz von SAFs ausgestoßene Menge an Kohlenstoffdioxid wird anschließend wieder für neuen SAF genutzt, bilanziell wird somit nur das ohnehin schon in der Atmosphäre vorhandene Kohlenstoffdioxid emittiert. Eine weitere Art der SAFs besteht aus Biomasse. Aus Pflanzenölen, alten Speiseölen und Fetten können Kohlenwasserstoffketten hergestellt werden, die anschließend zu SAFs raffiniert werden. Im Rahmen der „Tank vs. Teller“-Diskussion stünden diese Biokraftstoffe nicht ganz ohne Kritik da. Perspektivisch könnten aber Abfälle und Reststoffe, wie zum Beispiel Klärschlamm oder Gülle, die nicht zur Ernährung genutzt werden, über hydrothermale Verflüssigung (HTL), also durch viel Wärme und Druck, zu Biorohöl konvertiert werden.
Start-Ups tüfteln an Wasserstoff- und Elektroantrieben
Während den Olympischen Spielen 2024 in Paris plante das deutsche Start-Up „Volocopter“ aus Bruchsal erste kommerzielle Flüge mit seinem elektrischen Flugtaxi. Das Vorhaben scheiterte aufgrund einer fehlenden Musterzulassung, und es blieb bei einem Testflug. Dennoch wird das Thema der nachhaltigen regionalen Mobilität öffentlich immer ersichtlicher. Neben Volocopter forschen auch andere deutsche Unternehmen wie Lilium, H2FLY und APUS an ähnlichen Projekten. Phillip Scheffel ist Gründer und Geschäftsführer der Firma APUS aus dem brandenburgischen Strausberg, das seit zehn Jahren neben konventionellen Luftfahrtentwicklungen mit den Projekten APUS i-2 und APUS i-5 auch an alternativen Antriebsarten forscht. Die i-2, ein zweimotoriges Flugzeug der Hobbyfliegerei für bis zu drei Personen, das durch Wasserstoffbrennstoffzellen angetrieben wird, soll seinen Erstflug Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres absolvieren. Im Sommer 2025 soll dann die i-5 folgen, die bis zu 12 Passagiere fast 1500 Kilometer weit transportieren können soll. Die fehlende Musterzulassung für das „VoloCity“-Lufttaxi der Firma Volocopter zeigt eine Herausforderung auf, vor der auch Scheffels Firma APUS steht:
„Man muss aus dem Stand ein sehr hohes Zuverlässigkeitsniveau erzeugen, ohne Betriebserfahrungen zu haben. Und das ist schwierig, nachzuweisen und zu erreichen. Deshalb sind die Entwicklungszeiträume länger. Das ist wirtschaftlich eine riesen Herausforderung. Ich muss eine wahnsinnige Vorfinanzierung in die Entwicklung hereinbringen, bis ich überhaupt das erste Mal Geld verdiene. Deswegen ist es so schwierig, neue Technologien in die Luftfahrt zu bringen.“
Zwar fördere die Politik einzelne Projekte bis über 60 Prozent, dennoch sollte laut Scheffel neben der Technologieentwicklung auch die Markteinführung unterstützt werden. Beispielsweise könne man wie beim Elektrofahrzeug steuerliche Anreize setzen, damit mehr Kunden die Produkte kaufen und durch die damit verbundene Marktentwicklung auch ausländische Investoren nach Deutschland und Europa kommen.
Einen großen Konkurrenzdruck mit anderen Unternehmen und Start-Ups, die in die gleiche Richtung forschen, spüre Scheffel nicht. Stattdessen herrsche ein „sportliches Miteinander“, in dem man auf Kooperationen und Aufgabenteilung setze. Scheffels Meinung nach könne der Markt sogar noch größer werden: „Es ist so, dass viel zu wenige Akteure in dem Bereich Wasserstoffluftfahrt unterwegs sind. Damit der Stein ins Rollen kommt, müssen viele Flugzeuge auf den Markt gelangen, damit sich eine beispielsweise eine Bodeninfrastuktur überhaupt erst lohnt. Der Konkurrenzdruck ist da relativ gering.“
Hürden und Visionen auf dem Weg zur nachhaltigen Luftfahrt
Auf dem Weg zur „Mobilität ohne Reue“, wie Janser sie betitelt, müssten aber gerade in Deutschland noch einige Hürden überwunden werden. Zwar sei das politische Interesse an der Förderung nachhaltiger Luftfahrt vorhanden, jedoch stehe Deutschland vor einem „intergalaktischen Bürokratieabbau“, um „technologieoffen schnell Sachen entwickeln zu können“. Deutschland gehöre zwar technologisch weltweit zu den Vorreitern, jedoch würden bürokratische Hürden den Prozess der Entwicklung stark abbremsen. „Das ist bei uns auch innerhalb der Hochschulen, aber auch extern in den Verwaltungseinheiten, ein exorbitantes Problem“, so Janser. Andere europäische Länder wie England oder Frankreich hätten dieses Problem nicht.
Auch Kay Plötner vom Bauhaus Luftfahrt sieht noch Raum für Verbesserung in der deutschen Luftfahrtbranche, insbesondere in Bezug auf die Verfügbarkeit von E-Fuels: „Es scheitert an der Attraktivität der Investitionen. Was die Politik schaffen muss, ist, dass die Investitionen in diese Produktionsanlagen risikogering sind und durch hohe Renditen attraktiv wirken, und das ist halt das, wo es halt im Moment noch ein bisschen hakt.“
Auch wenn es unscheinbar ist und vieles hinter den Kulissen passiert, befindet sich die Welt der Luftfahrt in einer Transformation. Welche Technologien sich in welchem Marktsegment durchsetzen werden, ist noch unklar, die Forschungsarbeit findet jedoch auf Hochtouren statt – auch in Deutschland. Für Janser steht auf jeden Fall fest: „Mein alter Spruch ist: Die Ingenieurinnen und Ingenieure werden die Welt retten.“