Erinnerung an NS-Opfer und frühere Nachbarn
Am Mittwoch, dem 11. September, wurden in der Heinrichstr. 25 und fünf weiteren Orten insgesamt sechs neue Stolpersteine verlegt, um an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Mittlerweile erinnern 308 Gedenktafeln an die Menschen, die einst an jenen Orten freiwillig lebten oder wirkten, bevor sie von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden.
Am 12. Dezember 2006 beschloss der Rat den Antrag der SPD-Fraktion und der Fraktion der Grünen – gegen die Stimmen der CDU-Fraktion – zur Umsetzung des Projekts „Stolpersteine“. Damit wurde die Verwaltung beauftragt, in Kooperationen mit Organisationen, Vereinen und Initiativen, die im Rahmen der Erinnerungskultur aktiv sind, in Kontakt zu treten. Aber auch Einzelpersonen, die Universität, das Kulturgeschichtliche Museum, die Jüdische Gemeinde, das niedersächsische Landesarchiv und weitere Interessenten können Vorschläge für die Umsetzung machen. Mittlerweile erinnern in Osnabrück 308 Stolpersteine an die Opfer des Nationalsozialismus. Der erste Stolperstein wurde bereits 2007 vor dem Christus-König-Pfarramt für Johannes Prassek verlegt.
Walter Sundermann
In der Heinrichstraße 25 wurde der Stolperstein für Walter Sundermann verlegt. Geboren am 24. Juni 1920 als Sohn eines Schlossermeisters, besuchte er bis 1931 die Volksschule und anschließend bis 1937 die Möser-Mittelschule. Nach einer abgebrochenen Schulausbildung begann er eine Lehre als Maschinenschlosser. Mit 20 Jahren wurde Sundermann zur Wehrmacht eingezogen und nach einer Ausbildung als Funker an die Ostfront geschickt. Dort wurde er im November 1941 wegen Fahnenflucht verhaftet und zu einer Zuchthausstrafe verurteilt. Im Januar 1942 kam er als „wehrunwürdig“ ins Lager Esterwegen, wo sich sein Gesundheitszustand durch die harten Haftbedingungen rapide verschlechterte.
Trotz Bemühungen seines Vaters verstarb Walter Sundermann am 1. Juli 1943 im Marienhospital Osnabrück an den Folgen einer offenen Lungentuberkulose. Die Verlegung des Stolpersteins soll an sein tragisches Schicksal erinnern und seiner Familie gedenken, die ihn in einer Zeit der Verfolgung verlor.
Bei der Biografie von Walter Sundermann half die 8a der Möser-Realschule, die gemeinsam mit dem Verein Spurensuche Osnabrück e. V. die Hintergründe des ehemaligen Schülers erarbeiteten. Dazu besuchte die Klasse die Gedenkstätte in Esterwegen und befasste sich mit dem Feldurteil. Bei der Verlegung vom Stolperstein waren neben der kommissarischen Schulleiterin Hale Ünlü-Lachnitt auch die 9. und 10. Klassen der Möser-Realschule gekommen, um Walter Sundermann zu gedenken und ihn zu würdigen.
Wilhelm Gustav Breckenfelder
Im Gedenken an Wilhelm Gustav Breckenfelder wurde ein Stolperstein in der Spindelstraße 19 verlegt. Breckenfelder wurde am 26. Mai 1900 in Osnabrück geboren, wuchs als Sohn eines Bürstenmachers auf und erlernte den Beruf des Klempners. Er führte ein unruhiges Leben mit vielen Wohnortswechseln, bevor er 1941 aus unbekannten Gründen in das KZ Sachsenhausen eingeliefert wurde, wo er die Häftlingsnummer 36 792 erhielt. Aufgrund der katastrophalen Haftbedingungen erkrankte Breckenfelder mehrfach. 1942 wurde er im Rahmen der Krankenmordaktion „14 f 13“ zur Tötungsanstalt Bernburg transportiert, wo er am 9. Oktober 1942 in der Gaskammer ermordet wurde. Die Verlegung erinnert an sein Schicksal und das unermessliche Leid, das er im KZ erfuhr.
Bernhard Meyer
Für Bernhard Meyer wurde ein Stolperstein in der Sutthauser Straße 28 verlegt. Meyer wurde am 3. November 1917 in Osnabrück geboren. Als jüngster Sohn einer evangelischen Familie verlor er früh seine Mutter und wuchs unter schwierigen Umständen auf. Als Gefreiter in der Wehrmacht entfernte sich Meyer während des Krieges mehrfach von seiner Einheit und flüchtete mit einem Kameraden. Sie begingen auf der Flucht angeblich verschiedene Straftaten, darunter, so die damaligen Ankläger, Diebstahl und Urkundenfälschung. Nach ihrer erneuten Festnahme wurden beide am 5. Oktober 1940 wegen Fahnenflucht und anderer Vergehen zum Tode verurteilt. Bernhard Meyer wurde schließlich mit nur 23 Jahren auf einem Wehrmachtschießstand in Düsseldorf hingerichtet. Der Stolperstein erinnert an sein Schicksal als Opfer der NS-Militärjustiz und an seine Weigerung, den verbrecherischen Krieg weiter zu unterstützen.
August Wille
Für August Wille wurde ein Stolperstein am Stahlwerksweg 11 verlegt, dessen Patenschaft der Europaabgeordnete Tiemo Wölken übernommen hat. Bei der Verlegung des Stolpersteins war Marike Erlenstedt aus seinem Osnabrücker Büro anwesend, die dabei auch die Biografie von August Wille verlesen hat. Geboren am 7. November 1905 in Duisburg, war Wille Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und war ab 1933 mehrfach wegen seines politischen Widerstands gegen das NS-Regime festgenommen worden. Nach mehreren Haftstrafen wurde er 1937 aus der Strafanstalt Hameln entlassen und der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt übergeben. In den letzten Kriegstagen, am 3. Mai 1945, fand August Wille bei der Schiffskatastrophe in der Neustädter Bucht, als Häftling des KZ Neuengamme, den Tod. Nahezu 7000 Häftlinge starben bei dem britischen Luftangriff, als die Schiffe „Cap Arcona“ und „Thielbek“ in Brand gerieten. Der Stolperstein soll an seinen mutigen Widerstand und an sein tragisches Ende erinnern.
August Hinrichs
An August Robert Wilhelm Hinrichs erinnert ein Stolperstein in der Rothenburgerstraße 23a, an dem ein Teil der Bewohner des Hauses an der Verlegung teilnahmen. Hinrichs wurde am 24. Oktober 1907 in Osnabrück geboren und wuchs in schwierigen familiären Verhältnissen auf. Nach dem frühen Tod seines Vaters und seines Stiefvaters musste seine Mutter allein für die Familie sorgen. Hinrichs, der als Maurer arbeitete, geriet mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt und wurde wegen verschiedener Vergehen verurteilt. Im Nationalsozialismus wurde er aufgrund des Erlasses zur „Vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ am 31. Januar 1942 erneut verhaftet und in das KZ Buchenwald deportiert, wo er als angeblicher „Berufsverbrecher“ eingestuft wurde. Die katastrophalen Bedingungen im Lager, geprägt durch Zwangsarbeit und Misshandlungen, führten zu seinem Tod am 19. November 1942 im Alter von 35 Jahren.
Johann Wahlbrink
Am Tannenkamp 46 wurde ein Stolperstein für Johann Wahlbrink verlegt, der am 29. Juni 1911 in Osnabrück geboren wurde. Im Dezember 1934 war er aufgrund einer Anzeige wegen Beleidigung des Führers zu vier Wochen Haft verurteilt worden. Die Haftbedingungen waren katastrophal: In Sammelzellen ohne ausreichenden Schutz vor Kälte und aufgrund mangelhafter Hygiene zog sich Wahlbrink ein schweres Lungenleiden zu. Vor seiner Inhaftierung war er vollständig gesund und arbeitete als Rottenarbeiter bei der Bahn. Am 18. Dezember 1935, elf Monate nach seiner Entlassung, verstarb er mit nur 24 Jahren an den Folgen der Haft. In der Nachkriegszeit wurde der Antrag seiner Familie auf Entschädigung abgelehnt.