Schon lange auf härterem Kurs:
Sweet am 5. Oktober mit neuem Album im Rosenhof
„Das sind echte Musiker, keine Hologramme“, ruft Sänger Paul Manzi in die Menge und deutet auf die Bandkollegen hinter sich. Es ist ein sonniger Nachmittag im August 2024, der zweite Tag des Metalfestivals Wacken Open Air, und oben auf der Louder-Bühne stehen – Sweet.
Wer die Siebzigerjahre noch aus eigenem Erleben erinnert, wird sich vielleicht wundern. Zu Anfang ihrer Karriere machten The Sweet ihrem Namen alle Ehre. Das Komponistenduo Nicky Chinn und Mike Chapman versorgte das Quartett mit optimal konsensfähigen Bubblegum-Hits am laufenden Band, „Co-Co“, „Funny Funny“, „Little Willy“. Schlicht gestrickte Songs, ideal für den Radioeinsatz, für die Party, zum Mitsingen.
Mit Einsetzen der Glamrock-Welle änderten sich Musik und Image der Band. Die Songs blieben eingängig, der Klang wurde – ein wenig – härter. Für die Musiker keineswegs Neuland. Schon das Vorgängerprojekt war eher im Rock zu Hause. Zeitweilig stand der spätere Deep-Purple-Sänger Ian Gillan am Mikrofon.
Bis 1981 gingen The Sweet diesen Weg konsequent weiter, inzwischen auch mit eigenen Kompositionen. Brian Connolly, Sänger der meisten Hits, war in diesem Jahr bereits ausgestiegen. Er hatte gesundheitliche Probleme, starb 1997.
Der Gitarrist Andy Scott führte das Projekt weiter, durch Höhen und Tiefen. Sweet hatten den Artikel „the“ fallenlassen und waren als Hardrock-Band anerkannt, wurden 2019 nach Wacken eingeladen. Auch bei der Ausgabe des Jahres 2024 begeisterten sie ihr Publikum, natürlich mit den bekannten Hits der Siebziger und Achtziger, aber auch mit neuem Material. Gerade im September erschien ihr aktuelles Album „Full Circle“. Am Mikrofon steht heute mit Paul Manzi ein Ausnahmesänger mit Erfahrungen im Hard- und im Progrock. Unter anderem sang er in der Band des Keyboarders Oliver Wakeman, der später seinen Vater Rick in der Band Yes ersetzen sollte. Die frühen Bubblegum-Titel haben Sweet schon lange nicht mehr im Programm.
Am 5. Oktober spielen Sweet im Osnabrücker Rosenhof. Nicht ihr erstes Gastspiel in der Hasestadt, wenngleich sich Andy Scott vermutlich nicht daran erinnern wird, dass er und seine damaligen Mitstreiter im November 1971, im Jahr ihres großen Durchbruchs, gleich um die Ecke in einer kleinen Diskothek namens „Rallye“ an der Iburger Straße 27 auftraten. So jedenfalls besagt es eine Ankündigung in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom 10. November 1971. Wohl ein glücklicher Griff der Betreiber, denn die britische Band hatte gerade mit „Co-Co“ ihren ersten Nummer-eins-Hit in der Bundesrepublik feiern können.
Das „Rallye“ war ein ungewöhnlicher Ort für Live-Musik. Noch Monate zuvor hatte das Lokal „Capri-Bar“ geheißen und einen eher fragwürdigen Ruf genossen. In einem damaligen Bericht heißt es: „Die ‚Capri-Bar’ ist immer mehr zu einem Treffpunkt krimineller Elemente geworden. (…) Als letzte Attraktion werden in den letzten Monaten in der ‚Capri-Bar’ Pornofilme gezeigt.“ Damals ein Fall für die Polizei, denn die Pornografie wurde in Westdeutschland erst 1975 legalisiert.
Ob es mit dem Namenswechsel zu „Rallye“ und Band-Gastspielen gelang, das Rotlicht-Image abzustreifen, ließ sich bislang nicht verlässlich ermitteln. Vermutlich nicht, denn wenig später war dieses Kapitel schon wieder zu Ende. Jetzt hieß das Lokal „Taverne“.
Das damalige Gebäude steht heute nicht mehr, es fiel der Verbreiterung der Iburger Straße zum Opfer.
Sweet – The Final Round II
Samstag, 5.10.2024, 19 Uhr
Rosenhof, Rosenplatz 23