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Gedenken am Mahnmal Gertrudenberg

DGB, VVN und OMAS GEGEN RECHTS erinnerten an Opfer der Aktion „T4“

Am 29. September fand am Mahnmal Gertrudenberg eine Gedenkveranstaltung zu Ehren der Opfer der nationalsozialistischen Aktion T4 statt. Dabei steht die Abkürzung „T4“ für die damalige Adresse der Berliner Zentraldienststelle in der Tiergartenstraße 4. Erinnert wurde an die systematische Ermordung psychisch kranker und behinderter Menschen durch die Nazis. Anlass war der 85. Jahrestag des Massakers in Wejherowo in Westpreußen, bei dem die gezielte Tötung von Psychiatriepatienten durchgeführt wurde.

Nicole Verlage (DGB) bei ihrer Ansprache
Nicole Verlage (DGB) bei ihrer Ansprache

Nachdem Nicole Verlage (DGB) ihre Grußworte an die Anwesenden gesprochen hatte, erinnerte eine Vertreterin von OMAS GEGEN RECHTS an die Aktion T4, die über 70.000 Opfer forderte. Diese stehe stellvertretend für den rassenhygienischen Wahn des NS-Regimes, der sich in den Jahren bis 1945 mit über 200.000 Ermordeten in Deutschland und den besetzten Gebieten ausbreitete. Der Euthanasie-Erlass vom Oktober 1939 hatte Rassenhygiene und die systematische Ausrottung von „unwertem Leben“ zur Folge. Auch das damalige Provinzial-Heil und Pflegeanstalt, später Landeskrankenhaus und heute AMEOS-Klinikum, war in die systematische Ermordung involviert. Heute spreche die AfD von unwerten Leben und möchte Menschen mit Behinderungen separieren. Zudem setzte die Partei Behinderungen in Zusammenhänge mit Inzest und Krankheit. Abschließend sprach die Vertreterin von ihrem Enkel, der in einer Werkstatt arbeitete. „Jedes Leben ist wertzuschätzen, jeder Mensch hat ein Recht auf Akzeptanz und Teilhabe in der Gesellschaft.“

Hartmut Böhm von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) erinnerte an sechs der über 300 Osnabrücker*innen, die von Nazis verschleppt und ermordet wurden und an deren letzter Meldeadresse ein Stolperstein an ihr Schicksal erinnert.

 

Jakob Beckers

Jakob Beckers, geboren 1864, lebte bis 1927 in Osnabrück in der Magdalenenstraße 24. Danach wohnte er kurzzeitig im Paulusstift in der Magdalenenstraße 49. Vor seiner Einweisung in die Provinzial-Heil-und Pflegeanstalt Osnabrück am 10. Juli 1936 war er für etwa zweieinhalb Monate in Bramsche gemeldet. Die Umstände seiner Unterbringung dort sind unbekannt. Am 22. April 1941 wurde er im Alter von 77 Jahren nach Eichberg verschleppt und anschließend am 9. oder 10. Juni 1941 in der Gaskammer in Hadamar ermordet.


Annelore Juliane Benning

Annelore Juliane Benning wurde am 30. September 1940 geboren. Ihre ledige Mutter Maria Benning lebte bis August 1941 in Osnabrück und zog dann nach Düsseldorf. Wahrscheinlich gab sie Annelore zuvor in das Waisenhaus St. Johann. Am 31. Mai 1943 wurde Annelore in die „Kinderfachabteilung“ der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg verlegt, wo sie am 1. Mai 1944 starb. Offiziell wurde „chronische Bronchitis“ als Todesursache angegeben. Es gilt jedoch als sehr wahrscheinlich, dass sie im Rahmen der NS-„Kinder-Aktion“ ermordet wurde, bei der 350 als unheilbar kranke Kinder in Lüneburg getötet wurden.

 

Anna Sophie Blanke

Anna Blanke, geboren am 6. August 1887 in Osterberg/Velpe, war zweimal Mutter. 1912 gebar sie einen toten Sohn und 1921 ihre Tochter Elfriede. 1933 heiratete sie Heinrich Blanke. 1940 erkrankte sie und wurde in die Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Osnabrück eingewiesen. Nach fast zwei Jahren wurde sie 1942 nach Hildesheim verlegt und im April 1943 nach Altscherbitz deportiert. Dort starb sie am 7. Mai 1943 im Alter von 56 Jahren, vermutlich an den Folgen von Hunger und schlechten Lebensbedingungen. Ihre Todesursache wurde als „körperliche Erschöpfung“ angegeben, was auf Verhungern hindeutet.


Luise Brammer

Luise Brammer, geboren am 17. März 1882 in Ibbenbüren, heiratete den Kraftfahrer Detlef Brammer und lebte kinderlos in Osnabrück. Im Alter von 50 Jahren wurde sie 1932 in die Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Osnabrück eingewiesen. Ihr weiteres Leben bis zum Krieg bleibt unklar. Am 24. April 1941 wurde sie nach Eichberg verlegt, einer Zwischenstation für Tötungen in Hadamar. Anfang Juni 1941 wurde Luise Brammer dort in einer Gaskammer ermordet. Sie starb im Alter von 59 Jahren unter schweren psychischen Qualen in der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Aktion.


Caroline Cord

Caroline Friederike Wilhelmine Cord wurde am 29. Dezember 1891 in Osnabrück geboren und wuchs als ältestes von vier Kindern auf. Sie arbeitete ab 1908 als Lehrmädchen, lebte jedoch bis zu ihrer Einweisung am 11. Juli 1916 größtenteils bei ihren Eltern. Im Alter von 24 Jahren kam sie in die Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Osnabrück. Während ihre Brüder Familien gründeten, blieb Caroline unverheiratet. Am 22. April 1941 wurde sie nach Hadamar verschleppt und dort am 9. oder 10. Juni 1941 im Alter von 49 Jahren ermordet.


Wilhelm Dallmeyer

Wilhelm Dallmeyer, geboren am 11. November 1874, war Lehrer und verfasste plattdeutsche Dichtungen. 1906 erkrankte er und wurde in die Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Osnabrück eingewiesen, aber 1907 entlassen. Im selben Jahr schied er aus dem Schuldienst aus. Zwischen 1907 und 1913 schrieb er Gedichte, Erzählungen und Theaterstücke. Nach mehreren weiteren Einweisungen und Aufenthalten in der Psychiatrie übernahm ab 1926 sein Bruder die Pflegekosten. 1941 wurde Dallmeyer im Alter von 66 Jahren nach Eichberg deportiert und in Hadamar ermordet. Seine Urne wurde am 19. Juni 1941 auf dem Johannisfriedhof beigesetzt.


Appell zum Abschluss

Abschließend betonte Böhm: “Wenn es nach 1945 hieß ‚Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!‘, muss dies auch als Mahnung gelten, der Abwertung der Kranken und Schwachen konsequent entgegenzutreten.“

Organisiert wurde die Gedenkveranstaltung vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA) und denOMAS GEGEN RECHTS. Musikalisch abgerundet wurde die Veranstaltung von der Flötistin Nicole Goedereis-Buller von der Universität Osnabrück, die ihrem Beitrag den musikalischen Rahmen bot. Abschließend hatten die Anwesenden die Möglichkeit, Blumen an der Gedenkstätte abzulegen.

Die OR hatte auch im letzten Jahr über eine ähnliche Gedenkveranstaltung am Ort berichtet: https://os-rundschau.de/rundschau-magazin/heiko-schulze/gedenken-auf-dem-gertrudenberg/

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