Dienstag, 22. Oktober 2024

Theater Osnabrück zeigt „Die Blechtrommel“ von Günter Grass

Starkes Buch. Starkes Stück. Starkes Ensemble. Passt!

Am Samstag feierte das Theater Osnabrück die Premiere des von Schauspieldirektor Christian Schlüter inszenierten Stücks „Die Blechtrommel“ nach dem gleichnamigen Roman von Günter Grass. In den nächsten Monaten werden noch viele Vorstellungen folgen, deren Besuch sich auf jeden Fall lohnt.

Den meisten dürfte der Roman mit seinen je nach Ausgabe über 750 Seiten und der epischen Sprache Günter Grass‘ ein Begriff sein. Noch bekannter als das Buch aber ist wohl die Verfilmung von Volker Schlöndorff aus dem Jahre 1979, die sogar mit einem Oscar ausgezeichnet wurde als „Bester fremdsprachiger Film“.

Nun ist aber eine Theateraufführung kein Film und man sollte die vielleicht noch vorhandenen Bilder vom kleinen David Bennent als Oskar mit seiner Blechtrommel und dem markerschütternden Schrei, der Glas zum Zerspringen bringt, vergessen und auf gar keinen Fall den Film vor Ansicht der Bühnenfassung noch einmal anschauen.

Dann dürfte es gelingen, in die Welt, die das Ensemble des Theaters Osnabrück unter Regie von Christian Schlüter auf die Bretter bringt, ein- und mit Ausnahme der Pause nicht mehr aufzutauchen.

Hilfreich ist es allerdings, sich den Inhalt von Grass‘ Roman noch einmal zu vergegenwärtigen (Stichworte etwa „Aaale“ oder „Brausepulver“); eine meiner Ansicht nach gute Übersicht gibt es hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Blechtrommel#Handlung

Auch lohnt es sich, die angebotene 30minütige Einführung vor Beginn der Vorstellung zu besuchen, in der die Hintergründe des Buchs erörtert werden.

Um die umfangreiche Geschichte des Oskar Matzerath, der sich im Alter von 30 Jahren in einer Heil- und Pflegeanstalt befindet und dort seine Lebensgeschichte niederschreibt, als ein Theaterstück zu inszenieren, dürfte deutlich mehr zu tun gewesen sein, als eine Essenz herauszuarbeiten.

Christian Schlüter und sein Team halfen sich mit einem kleinen Trick, in dem sie einen Vorleser „einbauten“, der abwechselnd mit Oskar und anderen Figuren aus Oskars Lebensgeschichte wichtige Episoden begleitend vorliest oder dem Publikum erzählt.

Und diese einzelnen Episoden, diese Lebensabschnitte des Oskar Mazerath haben es in sich. Die Sprache, mit der Grass den Widerstand Oskars gegen Kleinbürgertum, Willkür, Kritiklosigkeit gegenüber der Obrigkeit ausdrückte, müssen irgendwie auf die Bühne gebracht werden. Und das schafft das Ensemble (bestehend aus einem wunderbar aufspielenden Stefan Haschke als Oskar, Ronald Funke, Hans-Christian Hegewald, Sascha Maria Icks, Cora Kneisz, Oliver Meskendahl und Nientje C. Schwabe) mit einem unermüdlichen Kostüm- und Tonartwechsel mühelos und fesselnd.

Dramatik kommt ins Spiel, wenn sich alle sieben Teammitglieder sprachlich im Chor verbünden und den Rhythmus auch noch körperlich untermalen.

Es ist außerdem trefflich gelungen, die zur Zeit des Erscheinens des Romans (1959) als moralisch verwerflich und skandalös betrachteten Szenen in die Theaterfassung derart umzusetzen, dass man zwar beim Zuschauen die Luft anhält, aber doch heutzutage kein öffentlicher Aufschrei zu befürchten ist.

Zum Abschluss belohnte das Premierenpublikum das Ensemble mit minutenlangem Applaus für sein bewegendes Spiel.

Ein Stück, ein Buch über Hilflosigkeit und Renitenz (Oskar), über Moral und Unmoral, über Mitläufertum und Bigotterie – damals ein (vermeintlicher) Skandal, heute immer noch oder wieder aktuell. Es hört nicht auf, es hört nie auf – gerade deshalb ist es wichtig immer wieder den Finger in die Wunden zu legen. Auch das ist Aufgabe von Theater.

Tickets für die nächsten Vorstellungen gibt’s hier: www.theater-osnabrueck.de/spielplan-detail/

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