Trumps Wahlsieg: Beginn eines neuen Zeitalters?
Das Unbegreifliche ist nun Ereignis. Für Viele war ein solch deutlicher Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA unvorstellbar. Kein Kopf an Kopf-Rennen, wie von Wahlforschern prognostiziert. In den so genannten „Swings-States“, also jenen, wo die Wahlergebnisse nicht erfahrungsgesättigt von vorn herein feststehen, setzte sich Trump deutlicher als erwartet durch.
Kamala Harris ist es definitiv nicht gelungen, das kritische Wählerreservoire der Republikaner zu erreichen. Der nur unter vorgehaltener Hand formulierte Verdacht, sie sei doch die falsche Kandidatin, um in Trumps potenzielle Wählerschaft einzubrechen, hat sich bestätigt.
Trump kann nun mit einer gesicherten Mehrheit im Senat und einer wahrscheinlichen Mehrheit im Repräsentantenhaus durchregieren. Auf Deals mit den Demokraten ist er nicht mehr angewiesen. Aus seinen eigenen Reihen hat er Widerstand nicht zu befürchten. Damit hat der Rechtspopulismus, der Ansatz einer Autokratie im „Mutterland“ der liberalen Demokratie einen epochalen Sieg errungen, der mit Trumps erstem Wahlsieg nicht vergleichbar ist. Denn nun wussten die Wählerinnen und überwiegenden Wähler (der Faktor „Gender“ im Wahlverhalten ist enorm), was sie taten. Was damals noch als „Betriebsunfall“ verbucht werden konnte, muss heute als Beginn einer neuen Ära in der Geschichte der USA und des politischen Konstruktes des „Westens“ gewertet werden. Und Trumps Truppe hat im Unterschied zu damals heute eine ins Detail entwickelte Strategie für die Veränderung der USA – und der Welt. Allerdings wird damit der Erfolg seiner politischen Agenda auch an selbst gesetzten Kriterien gemessen werden.
Für die Wahl waren bei der Mehrheit der Amerikaner offensichtlich die wirtschaftlichen Interessen entscheidend. Die Sicherung eines durch Inflation bedrohten Lebensstandards, der primär durch gestiegene Lebensmittelpreise gefühlt wird, war offensichtlich ein wesentliches Wahlmotiv. Das waren die Themen, die Trump erfolgreich mit seinem apokalyptischen Bild vom Zustand der US-Ökonomie bediente und bespielte. Einer breiten Wählermasse suggerierte er eine Wirtschaftskompetenz, die sich unbegreiflicherweise vor allem auf seine zweifelhaften Fähigkeiten als erfolgreicher Selfmade-Geschäftsmann bezog.
Nun glaubt seine Wählerschaft offensichtlich, dass er illegale Einwanderer massenhaft deportiert, wofür er bei den Wahlen zunehmende Unterstützung von Latino-Migranten erhielt. Er verspricht Steuersenkungen, Einfuhrzölle auf Importe, die er für schädlich für die US-Wirtschaft hält. „Zölle“ ist sein Lieblings- und Zauberwort für seine Kampagne „Make America great again“. Amerikas Lobesarien auf den „Weltfreihandel“ leben vielleicht noch in den Lehrbüchern der zahlreichen Nobelpreis-Ökonomen weiter, politisch gehören sie der Vergangenheit an, weil der Weltfreihandel für die USA in der Summe nicht mehr nützlich ist. Trump präferiert dagegen bilaterale Handelsabkommen zum jeweiligen Vorteil der USA, jenseits des einstigen Multilateralismus. Das wird Trumps Devise für die gesamten internationalen Beziehungen werden. Trump hasst, wie wir schon in seiner ersten Präsidentschaft lernen durften, alle internationalen Organisationen und multilateralen Arrangements.
Die Folgen für die Welt, Europa und Deutschland
Trumps Sieg hat nicht nur unmittelbare Folgen für die USA. Auch wenn er ein „posthegemoniales“ Amerika vertreten wird, das sich für die Welt nur noch nach seinem Eigeninteresse interessiert, bleibt die USA eine Macht, deren Entwicklung die gesamte Welt tangiert. Eine ganz wesentliche ist eine in dem Trubel der Herausforderungen untergehende Katastrophe für die gesamte Menschheit: Trump wird aus dem internationalen Klimaschutz austreten und in den USA den kompletten Rückfall in die klimakillenden fossilen Brennstoffe forcieren. Und das allen sich ausweitenden und häufenden Naturkatastrophen zum Trotz, die von Trumps „Klimaleugnern“ auch nicht als Folgen des Klimawandels gewertet werden. Aus vor uns die Sintflut wird dann ein zynisches nach uns die Sintflut.
In der internationalen Politik sind zwei Akteure erkennbar, die auf Trumps Sieg mit Freud und Leid reagieren werden. Netanyahu darf sich eines amerikanischen Persilscheins beim großen „Reinemachen“ mit allen Feinden Israels im Nahe Osten erfreuen, während Selenskyj mit allem rechnen muss, nur nicht mit gesicherter weiterer militärischer Unterstützung durch die USA im Krieg gegen Putins Russland. Ob die EU, wie in seiner ersten Amtsperiode, wieder den Status eines Gegners statt Partners erhält, der nicht nur zur Kasse bei den Verteidigungskosten gebeten wird, sondern in die, gestützt auf seine dortigen fellow travellers von der AfD, über Orban bis Meloni der Spaltpilz getrieben wird, ist zwar vorerst ein worst-case-Szenario, aber nicht außerhalb des Möglichen.
Sicher ist lediglich, dass Europa mit der Focussierung auf den Hauptfeind China nur noch als Vasall gefragt ist oder primär als Konkurrent registriert wird. Der transatlantische Schulterschluss aus der Biden-Zeit ist (vorerst) Vergangenheit und wird nur noch ein nettes historisches Erinnerungsstück sein.
Für den „Exportweltmeister“ Deutschland ist Trumps Wahl der Super-Gau. Denn das Ende der von uns als Segen gefeierten Globalisierung und der nun folgende Sieg des Protektionismus, der nicht auf die USA beschränkt bleiben wird, trifft kein Land so sehr wie Deutschland. Das gesamte langjährige Erfolgsmodell der exportorientierten und auf freien Welthandel ausgerichteten deutschen Wirtschaft gerät weit über die momentane Automobilkrise hinaus in eine Systemkrise.
Allen Krisenanalysen hierzulande und daraus resultierenden Rezepten, die bisher nur die Wiederaufbereitung sattsam bekannter neoliberaler Zaubertränke wie den ewigen Bürokratieabbau enthalten (was ja nur die massenwirksame Umschreibung für die „Befreiung“ von Auflagen und Zielvorgaben, insbesondere solcher aus der Folterkammer der „Nachhaltigkeit“ für die deutsche Wirtschaft meint und so auch in dem „Lindner-Papier“ in aller Deutlichkeit mit dem Ende des Klimaschutzes – Trump ähnlich – gefordert wird), gehen an der eigentlichen zentralen Herausforderung vorbei.
Joe Biden hat die Handelswege Trumps durchaus mit geebnet und auch Harris wäre nicht in alte Pfade zurückgegangen. Aber Trump wird sie nun ohne institutionellen Widerstand kompromisslos forcieren und radikalisieren. Wir werden sehen, wie Trump Europa und vor allem Deutschland ins Visier nimmt und vom Partner (das war Biden) zum Kontrahenten wandelt. Er wird den Weg der deutschen Wirtschaft von der Energiekrise zur VW- bzw. Automobilkrise in die nächste noch tiefergreifende Krise nachhaltig forcieren.
Welche Antworten wir darauf in einem Europa finden werden, das durch Trumps Wahlerfolg an jenen Stellen Aufwind erhält, die uns an Trumps Amerika mehr heranführen als davor zu bewahren, wird über die Zukunft Europas entscheiden. Was werden die Rechtspopulisten Europas für Lehren aus Trumps Erfolg ziehen? Und wie verhält sich die CDU/CSU in der EVP dazu? Sucht sie um jeden Preis den Schulterschluss mit Trumps Amerika? Zu welchen Zielen und um welchen Preis?
Was darüber hinaus außenpolitisch von Trump genau zu erwarten ist, bleibt vorerst noch Spekulation. Gesichert ist nur, dass Europa und damit insbesondere Deutschland vor kaum vorstellbare sicherheitspolitische und militärische Herausforderungen gestellt werden. Die Sorge um die Existenz der Nato ist wohl formell unbegründet, aber ihre Legitimität und ihr Sinn steht vor neuen Begründungsproblemen, die mit den zu erwartenden Kosten wachsen werden.
Den alten Transatlantikern wird deshalb ein grundlegendes Problem nicht erspart bleiben. Der scheinbar erfolgreiche Versuch, den Kampf um die Neuordnung der Welt in ein ideologisches Schema analog zum Kalten Krieg mit dem Muster „liberale Demokratien“ unter Führung der USA hier gegen die „Autokratien“ China und Russland dort zu bespielen, dürfte mit Trump im Weißen Haus auf erwartbare Begründungsprobleme stoßen und die Diskussion auch hierzulande über die „transatlantische Partnerschaft“ als „Quasi-Staatsräson“ befeuern. Hier werden die Folgeprobleme, die man sich mit der „Staatsräson“ bezüglich Israel einhandelt, in der Causa der „Westlichen Wertegemeinschaft“ ihre Ergänzung finden. Das BSW hat für den kommenden Wahlkampf jedenfalls eine Steilvorlage für ihre Nato-Kritik erhalten.
Ob der „Friedenspräsident“ Trump, wie ihn hier seine Anhänger anpreisen, den Krieg gegen die Ukraine, wie verkündet, zu Ende bringt, bleibt abzuwarten, und der Preis dieses „Deals“ ist eine völlig unbekannte Größe. Sicher ist lediglich, die Kosten dafür wird Washington neu verteilen lassen.
Was nun weitere Fakten sind
Tatsache nach vier Jahren Präsidentschaft Bidens und Harris‘ ist allerdings auch, dass das Versprechen, die Spaltung Amerikas zu überwinden, nicht eingelöst werden konnte. Der Wahlkampf und der Wahlausgang zeigen das Gegenteil. Die Spaltung ist noch tiefer als zuvor. Trump wird kaum als Versöhner auftreten, er wird mit seinem potenziellen Superminister Elon Musk die soziale und ökonomische Spaltung der Gesellschaft mit der Reduktion der kümmerlichen Reste des amerikanischen Wohlfahrtsstaates noch vorantreiben.
Ob die USA sich mit dem künftigen Superminister Musk in die Fußstapfen des argentinischen Vorbildes eines neoliberalen Minimalstaates begibt, bleibt abzuwarten. Es ist schon schwer begreiflich, dass die horrenden Reichtümer (und der sich daraus ergebenden sozialen und politischen Macht) der Milliardäre in den USA nicht zu einem Aufstand in den Mittelklassen führen, sondern einem Trump gefolgt wird, der diese sogar noch stärken will.
Zwar scheint diesmal das antiquierte Wahlsystem die realen Mehrheitsverhältnisse nicht auf den Kopf zu stellen, aber dass das politische System der USA alles andere als vorbildlich ist und dringend einer zeitgemäßen Reparatur bedarf, ist vielleicht nur außenstehenden klar. In den USA schient daran niemand interessiert zu sein und jeder Wahlsieger, der die Defizite zuvor schon mal erkannte, vergaß sie nach einer gewonnenen Wahl sogleich. Vielleicht ist die fatale Paarung von Schnelllebigkeit und Kurzsichtigkeit das zentrale Markenzeichen einer Stimmungsdemokratie. Wenn dem so sein sollte, bestünde immerhin Hoffnung, dass auch Trump nur eine (wahrscheinlich widerwärtige) Episode in der Geschichte der USA sein wird. Mehr, als das diese Hoffnung zuletzt stirbt, bleibt uns auch nicht.