Sozialabbau statt Nachhaltigkeit: Merz und Co ignorieren globales Urheberrecht
Imposant sollte es wirken, als die CDU gestern ihr Wahlprogramm unter dem Titel „Agenda 2030“ in die Medienwelt buchstabierte. An diesem Wochenende soll alles abgesegnet werden. Das Problem: Die Agenda 2030 gibt es schon seit 2015! Und zwar – nicht mehr und nicht weniger – als Programm der Vereinten Nationen! 17 Ziele sind dort für alle Staaten dieser Welt zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne künftiger Generationen aufgelistet. Die sozialen, ökologischen und ökonomischen Zielsetzungen sollen ein unverzichtbarer Kompass der gesamten Staatengemeinschaft sein. Und nun?
Global gesehen ist es eine fast lustig anmutende Provinzglosse, wenn die im Weltmaßstab klitzekleine deutsche CDU einfach mal so nebenbei einen global geltenden Begriff klaut. Widmen wir uns doch einmal skizzenhaft jenen exakt 17 Zielen, die der internationalen Staatengemeinschaft seit fast zehn Jahren als Richtschnur aller Nationalstaaten gilt – oder zumindest gelten sollte:
- Keine Armut: Armut in allen ihren Formen überall beenden.
- Kein Hunger: Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und verbesserte Ernährung erreichen und nachhaltige Landwirtschaft fördern.
- Gesundheit und Wohlergehen: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern.
- Hochwertige Bildung: Inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten für lebenslanges Lernen für alle fördern.
- Geschlechtergerechtigkeit: Geschlechtergleichheit erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen.
- Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen: Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitäreinrichtungen für alle gewährleisten.
- Bezahlbare und saubere Energie: Zugang zu bezahlbarer, zuverlässiger, nachhaltiger und moderner Energie für alle gewährleisten.
- Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum: Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern.
- Industrie, Innovation und Infrastruktur: Eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen.
- Weniger Ungleichheiten: Ungleichheit innerhalb und zwischen Ländern verringern.
- Nachhaltige Städte und Gemeinden: Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten.
- Nachhaltige/r Konsum und Produktion: Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen.
- Maßnahmen zum Klimaschutz: Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen.
- Leben unter Wasser: Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen.
- Leben an Land: Die nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern, die Bekämpfung der Wüstenbildung, die Rückgewinnung von degradiertem Land und die Stoppung des Verlusts der biologischen Vielfalt fördern.
- Friedliche und inklusive Gesellschaften: Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und effektive, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen.
- Partnerschaften zur Erreichung der Ziele: Die Mittel zur Umsetzung stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung revitalisieren.
All diese Ziele sind miteinander verknüpft und sollen eine umfassende Strategie zur Förderung von nachhaltiger Entwicklung weltweit bieten. Klingt das nicht, konsequent durchdacht, nach dem genauen Gegenteil neoliberaler Marktanbeterei?
Und die CDU-Agenda 2030?
Merz und sein Fanclub knüpfen bewusst an jene neoliberale Agenda 2010 des Kanzlers Gerd Schröder an. Jene steht bis heute unverändert für massiven Abbau des Sozialstaats, Ausweitung prekärer Beschäftigung und Leiharbeit sowie für das Renteneintrittsalter 67. Für die CDU ist es eine Erfolgsgeschichte. Schließlich ist die Spanne zwischen arm und reich seither gigantisch gewachsen. Für die SPD, die stärkste Auswüchse inzwischen als riesigen Fehler anerkannt und auch ansatzweise korrigiert hat, läutete die Schröder-Politik damals einen historischen Abstieg ohne Beispiel ein, der bis heute fortdauert.
Was will nun aber die CDU? Sie will jetzt auch mit einer Agenda, aber mit der „Agenda 2030“ in den Wahlkampf starten. Der Begriff ist der Titel eines Papiers, das der Bundesvorstand am Wochenende auf einer Klausur in Hamburg beschließen will. Knapp auf den Punkt gebracht will das Merz-Linnemann-Team dieses:
- Abschaffung des Bürgergeldes zugunsten einer „Grundsicherung“. Arme werden also ärmer.
- Totalverweigerern soll die Grundsicherung komplett gestrichen werden – also Verhungern statt „Staatsalmosen“
- Steuersenkungen für Unternehmen auf 25 Prozent, die der die Körperschaftssteuer auf 10 Prozent. Reiche werden reicher. Das gilt auch für die beiden Folgepunkte.
- Abschaffung des Solidaritätszuschlags für höhere Einkommen.
- Der Spitzensteuersatz erst bei 80.000 Euro Jahreseinkommen greifen.
- Rentner*innen, die ausgeruht und noch fit genug sind, sollen monatlich 2.000 Euro steuerfrei hinzuverdienen können.
- Angedroht werden Einsparungen beim Bürgergeld und bei der Migration – hier offenkundig durch Abschottung der Grenzen gegen Geflüchtete oder gar deren Internierung.
Umgesetzt werden soll alles in vier Jahresschritten ab 2026. Seriöse Ökonomen unterschiedlicher Denkschulen warnen vor einer Deckungslücke von bis zu 100 Milliarden Euro. Und das alles bei einem ideologisch getragenen Festhalten an der sogenannten Schuldenbremse.
Was die CDU-Agenda 2030 mit der UNO-Agenda 2030 gemein hat? Absolut nichts! Zentrale Punkte bedeuten sogar das exakte Gegenteil.