Von stark gefährdeter Variante ist Nachwuchs ausdrücklich erwünscht: Nur noch 350 Individuen leben aktuell in freier Wildbahn.
Von Andrea Trentmann
Rajah und Kiara heißen die beiden jungen Asiatischen Löwen, die wieder neues Leben auf die jetzt zweigeteilte Löwenanlage in der Afrika-Tierwelt „Mapungubwe“ bringen sollen. Die 2021 erweiterte Löwenanlage bietet Platz genug auch für den langfristig erhofften Nachwuchs und den 16jährigen afrikanischen Löwen Kipangi, der in gewohnter Umgebung hier seinen Lebensabend verbringen wird. „Eine Zusammenführung mit Rajah und Kiara ist nicht geplant und auch nicht erwünscht“, so Zoodirektor Tobias Klumpe. Die Tiere hätten sich jedoch bereits freundlich begrüßt. Aktuell läuft noch die Eingewöhnung der jungen Asiaten.
Rajah, das 21 Monate alte Männchen, traf am 24. März am Schölerberg ein. Er stammt aus dem dänischen Zoo Aalborg. Die 30 Monate alte Katze Kiara aus dem israelischen Zoo Jerusalem folgte zwei Tage später, am 26. März.
Bedrohungsstatus forcierte Wechsel auf stark gefährdete Variante
Mit den beiden Tieren sei eine strategische Entscheidung getroffen worden, wie Tobias Klumpe erklärt: Durch die Übernahme der beiden Raubkatzen wurde eine Umstellung in der Haltung von Afrikanischen auf Asiatische Löwen beschlossen. „Asiatische Löwen werden im Rahmen des EEP, des Erhaltungszuchtprogramms, gemanagt. Daher gab es zuvor einen intensiven Austausch mit den jeweiligen Koordinatoren“, so der Biologe. „Die Entscheidung zum Wechsel fiel insbesondere vor dem Hintergrund des Bedrohungsstatus und den in europäischen wissenschaftlich geführten Zoos vorhandenen Kapazitäten für die Haltung von Löwen.“
Im Klartext heißt diese gute Nachricht für den Zoo Osnabrück: „Löwenbabies ausdrücklich erwünscht“ und für das Tierwohl ist gesorgt.
Wunsch nach neuen Löwen geht in Erfüllung
Mit dem Einzug der beiden asiatischen Löwen geht für den Zoopräsidenten Dr. E.h. Fritz Brickwedde ein Wunsch in Erfüllung. Als Vorsitzender des Vereins „Löwen für Löwen“ hatte er sich aktiv an der Generierung von Spendengeldern beteiligt. Zum 90jährigen Geburtstag des Zoos im nächsten Jahr wünscht er sich Nachwuchs. Zoogeschäftsführer Philipp Bruelheide freut besonders, dass die neuen Löwen bereits in den Osterferien Besucher zu einem Zoobesuch animierten könnten. „Es ist toll zu sehen, wie viel hier jeden Tag passiert – es geht in allen Bereichen stetig voran. Mich freut es sehr, dass wir uns wieder aktiv am Arterhalt der stark gefährdeten Löwen beteiligen können. Wir nehmen unsere Aufgaben – Artenschutz, Bildung, Forschung und Erholung – sehr ernst.“
Geglückter Transfer und guter Start
Zoodirektor Klumpe: „Der Transfer und die Eingewöhnung von Raubkatzen sind bei uns immer etwas ganz Besonderes, denn es ist nicht alltäglich und die letzten Löwen-Transfers sind fast 20 Jahre her.“ Die beiden Tiere sind seit der Ankunft unter strenger Beobachtung von Biologen, Veterinären und Tierpflegern. „Rajah scheint bisher ein ruhiger Charakter zu sein, aber gleichzeitig aufgrund seines Alters auch noch verspielt und manchmal etwas ungestüm“, berichtet Laura Sieckmann, Zootierärztin und Kuratorin Tierwohl. „Kiara war bei ihren Tierpflegern in Jerusalem sehr beliebt“, fährt sie fort. „Sie wurde auch liebevoll‚ training superstar‘ genannt, weil sie das Medical Training so toll mitgemacht hat. Das wollen wir hier gern fortführen, weil es dem Tier und den Menschen medizinische Untersuchungen deutlich erleichtert.“ Zudem wurde sie von ihren israelischen Tierpflegern als energiegeladen und neugierig beschrieben.
Rajah und Kiara können sich „gut riechen“
Das Foto oben vermittelt nur einen sehr kurzfristigen Aufenthalt „hinter Gittern“. Laura Sieckmann: „Nachdem beide Löwen bei uns angekommen waren, sollten sie möglichst schnell in Kontakt kommen – das ist für Löwen das Beste. Zuerst hatten sie ausreichend Möglichkeit, sich am Kontaktgitter kennenzulernen“, erklärt die Zooärztin weiter. „Hierbei haben wir sie natürlich engmaschig beobachtet und konnten ihre Reaktionen aufeinander positiv werten. Daher konnten wir sie dann auch schnell zusammenlassen – und das hat richtig gut geklappt. Die beiden hatten sofort Körperkontakt und das Zusammenleben ist jetzt schon sehr harmonisch.“ Nach und nach können die beiden Tiere gemeinsam zunächst ihr Vorgehege und danach die Außenanlage erkunden. „Auch hierbei gehen wir Schritt für Schritt vor und richten uns ganz nach den Tieren“, so Sieckmann.
Zoo Osnabrück leistet einen wichtigen Beitrag für den Artenschutz
Inzwischen gilt der Asiatische Löwe laut Weltnaturschutzorganisation IUCN als stark gefährdet. In den Schutzgebieten und ihrem Umfeld leben nur noch etwa 350 Individuen, hinzukommen 150 Tiere, die in menschlicher Obhut in zoologischen Einrichtungen gehalten werden. Die Population des Afrikanischen Löwen hingegen umfasst etwa 35.000 Individuen. „Wir nehmen Artenschutz als unsere zentrale Aufgabe ernst und tragen mit der Haltung und hoffentlich zukünftigen Zucht einen wesentlichen Teil zum Aufbau und Erhalt einer Reservepopulation bei“, erklärt Klumpe. Moderne Zoos verfolgen den sogenannten „One Plan Approach“, einen Ansatz, der „in-situ-Maßnahmen“ – solche innerhalb der Lebensräume der Tiere – mit „ex-situ-Maßnahmen“ – außerhalb der Lebensräume der Tiere – miteinander verbindet.
Löwen: Asiatische und Afrikanische
Wurde in der Vergangenheit von den Asiatischen Löwen als Unterart gesprochen, legen DNA-Analysen derzeit nahe, dass es sich hier eher um eine Variante oder Subpopulation handelt.
Der Asiatische Löwe kommt nur im Gir-Nationalpark im indischen Bundesstaat Gujarat vor. Ende des 19. Jahrhunderts lebten von dieser Variante nur noch ganze 18 Individuen. Durch gezielten Schutz konnte die Population wieder auf 500 Individuen wachsen, allerdings leben nicht alle dieser Individuen in dem Nationalpark.
Asiatische Löwen unterscheiden sich äußerlich vom Afrikanischen Löwen. Ihre Mähne ist deutlich weniger ausgeprägt als die ihres Afrikanischen Verwandten und insgesamt weisen sie ein geringeres Körpergewicht auf. Zudem besitzen sie eine markante, längs am Bauch verlaufende Bauchfalte. Auch ihr Sozialverhalten unterscheidet sich beispielsweise darin, dass sie zumeist in kleineren Gruppen leben.