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Freitag, 12. Dezember 2025

Hannah Arendts politische Theorie – eine Erinnerung anlässlich ihres fünfzigsten Todestages in zwei Teilen

Teil 2: Die politische Philosophie und die Revolution

Arendts Begriff des Politischen erschließt sich am prägnantesten durch ihre Gegenwartsdiagnose. Lenins These, Krieg und Revolution seien die prägenden Elemente der Politik im zwanzigsten Jahrhundert, teilte sie mit der Bemerkung, die Wirklichkeit scheine nichts Eiligeres zu tun zu haben, als Lenin zu bestätigen.

Allerdings macht Arendt zwei wesentliche Einschränkungen. Zwar sei der Krieg seit der Aufzeichnung der Menschheitsgeschichte auch ihr ständiger Begleiter, die Revolution aber ein Produkt der Neuzeit und der Krieg ändere sich im Zeitalter atomarer Vernichtungswaffen fundamental. Durch die damit verbundene Gefahr der Selbstvernichtung der Menschheit verliert der Krieg seine Funktion, die „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ zu sein. (Arendt 1970, 145 ff.)


Die zwei Arten der Revolution

Damit gerät das „Thema der Revolution“ ins Zentrum ihrer Analyse. Arendt geht davon aus, dass das Ziel jeder Revolution „immer die Freiheit war und sonst nichts“. Dem entgegen standen die großen politischen Ideologien des 19. Jahrhunderts mit ihrem Schwerpunkt im Ökonomischen und Gesellschaftlichen. Das wird nach ihrer (optimistischen) Einschätzung in einer Welt des Überflusses durch den technischen Fortschritt an prägender und somit revolutionärer Gestaltungskraft verlieren. Damit stelle sich das Thema Revolution vor allem für den „Westen“ in neuer Form.

Analytisch betrachtet durchlaufe jede Revolution zwei Stadien: das erste sei die Befreiung von Etwas, von äußerer und/oder innerer Gewalt sowie von Armut. Diese Elemente ordnet sie dem Reich der Notwendigkeit zu und unterscheidet davon ein zweites Stadium, dem Hervorbringen von etwas Neuem, sei es als neue Regierungsform oder als neuer politischer Körper. In diesem Stadium liege der Kern der Freiheit begründet, wenngleich die Befreiung von etwas in der Regel die Voraussetzung für die Freiheit der Gestaltung sei.

Das Problem sei, dass die bisherigen Revolutionen belegen, dass alle Versuche, die Armut mit politischen Mitteln zu überwinden, also die politische Lösung der „sozialen Frage“ im Terror endeten und mit ihm werde die Revolution als Akt der Freiheit begraben. (Arendt 1962, 134) Arendt hat diesen nicht sogleich plausiblen Gedanken an dem Unterschied der beiden großen Revolutionen der Neuzeit, der amerikanischen und der französischen exemplifiziert.

Der grundlegende Unterschied dieser beiden prototypischen Revolutionen besteht nach Arendt darin, dass die Französische Revolution als Befreiung von der Knechtschaft des Adels und des Feudalismus begann und sich dann zunehmend mit der sozialen Frage im Kampf des Bürgertums gegen die Masse der Besitzlosen verband und dabei in die Phase des Terrorismus (der Jakobiner um Robespierre) geriet, was als Herrschaft der Gewalt nicht der Beginn des Neuen, der Freiheit, den Weg bahnte, sondern dem Bürgerkrieg. Damit blieb nach ihrer Begrifflichkeit die Revolution dem Reich der „Notwendigkeit“ verhaftet.

Anders die amerikanische Revolution, beginnend mit der Unabhängigkeitserklärung von 1776. Sie wird von keinen „sozialen Kämpfen“ angetrieben. Hier müssen keine alten Herrschaften wie der Feudalismus und der Adel bekämpft, überwunden und abgeschafft werden. Im Zentrum steht die Unabhängigkeit vom kolonialen Mutterland und der Bau einer eigenen politischen Ordnung, die als etwas originär Neues jenseits der „Notwendigkeiten“ des sozialen Lebens rein politisch konstituiert wird. Ob diese Deutung der historischen Realität standhält, ist eine hier nicht zu vertiefende Frage. Festzuhalten ist, dass im eigenen Lande keine „alten sozialen Gewalten“ gestürzt werden mussten, sondern die „Revolutionäre“ sich sozial auf formell gleicher Stufe gegen eine nicht mehr erträgliche äußere Herrschaft erhoben. Zwar war der neue „Geldadel“ federführend, aber in der Revolution ging es nie um gesellschaftliche Veränderungen. Die tiefe soziale Spaltung durch die „selbstverständliche Rechtlosigkeit der Sklaven und der indigenen Bevölkerung“ wurde als „naturgegeben“ erfolgreich konserviert. Die „Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz“ und die Sicherung ihrer persönlichen Freiheit vor dem Staat und durch den Staat ist die revolutionäre Botschaft an die „alte Welt“ durch die „neue Welt“. In der Kreation einer neuen politischen Ordnung, der zentralen Fähigkeit des Menschen etwas Neues zu schaffen, liegt nach Arendt der Kern der Revolution als Freiheit durch „gemeinsames Handeln“. Und das ist das, was sie mit dem altgriechischen Begriff Praxis in seiner ursprünglichen Bedeutung benennt.

Diese Unterscheidung der Revolutionen findet Arendt auch in einer unmittelbaren Gegenwartsdiagnose. Die „ungarische Revolution“ von 1956, bekannter als der „Ungarnaufstand“, der von den Panzern der Sowjetunion niedergeschlagen wurde, war ganz und gar eine politische Revolution, die innerhalb der vorgegebenen Wirtschafts- und Sozialordnung des Sozialismus blieb und auf rein politische Veränderungen (Demokratisierung) abzielte. (Arendt 1958) Dem stellte Arendt aktuell die Kubanische Revolution (übrigens nicht ohne Sympathie) mit Verweis auf die Armut und die von den USA nicht nur tolerierte, sondern geförderte Unterdrückung und Korruption als die andere Variante gegenüber.

Ihr Fazit ist, dass es in dieser Weltlage von den USA und dem Westen abhänge, welches Revolutionsverständnis sich als das zu fördernde durchsetze. Da ergäben sich aus der Tradition der amerikanischen Revolution für die USA offenkundige Probleme, da „soziale Revolutionen“ hier schon aus der historischen Eigenerfahrung keinen positiven Stellenwert erhalten. Aber für Arendt ist ebenso klar, dass zur Revolution beides gehöre: die „Befreiung von der Notwendigkeit, damit die Menschen sich in Würde bewegen können, und die Schaffung eines politischen Körpers, der es ihnen erlaubt, in Freiheit zu handeln.“ (Arendt 1962, 137)

Um diese Unterscheidung der Reiche der „Freiheit“ und der „Notwendigkeiten“ zu begreifen, müssen wir uns in die Tiefen ihres politischen Denkens begeben. Das erfordert, ihre Selbstbeschränkung als „politische Theoretikerin“ zu verlassen und sich dem zuzuwenden, was sie nicht sein wollte: die Philosophin.


Die Formen des „Tätigseins“ und die Bedeutung des Handelns

Im Alter von 18 Jahren begibt sich Hannah Arendt Mitte der zwanziger Jahre nach einem kurzen Studienbeginn in Berlin nach Marburg, um dort Philosophie (die weiteren Fächer ev. Theologie und Griechisch seien nur der Vollständigkeit wegen erwähnt) zu studieren. Wie kam sie darauf? Marburg war nicht gerade eine Weltstadt, aber ihre Universität beherbergte damals einen noch relativ jungen Mann, der als der Shooting-Star eines neuen philosophischen Denkens galt. Sein Name ist Martin Heidegger.

Arendt hat Heideggers Humanismus- und Vernunftkritik wie seine „Affekte gegen die Aufklärung des 18. Jahrhunderts“ nicht geteilt, was sie nicht zuletzt dem Einfluss ihres späteren Mentors und lebenslangen Freundes Karl Jaspers verdankte. (Brunkhorst 1999, 25)

Die Frage, wie viel Heidegger dennoch in Arendts Philosophie steckt, übergehen wir ebenso wie ihre pikante Liebesbeziehung zu diesem Herrn, der sich im Dritten Reich nicht nur mit den Machthabern arrangierte, sondern dessen philosophische Botschaften vielen seiner Anhänger wie Kritiker durchaus kompatibel mit der Nazi-Ideologie erscheinen.

Wir konzentrieren uns hier auf jenes Buch, das als Hannah Arendts philosophisches Hauptwerk gilt. Es handelt sich um „The Human Condition“ von 1958, das 1960 auf Deutsch unter dem Titel „Vita Activa oder Vom tätigen Leben“ erschien.

Systematischer Ausgangspunkt ist Arendts Definition des Menschen im Anschluss an Aristoteles. Für ihn ist der Mensch ein sprachbegabtes und politisches Wesen. Das sind zwei Elemente, die sich unmittelbar ergänzen und zusammengehören. Wichtig ist hier festzuhalten, dass Aristoteles den Menschen als zoon politikon, also als „politisches“ und nicht als ein „soziales Wesen“ bestimmt. Dieser feine Unterschied ist für Hannah Arendts anthropologische Ausgangsposition und den daraus folgenden Begriff des Politischen von grundlegender Bedeutung. Wie der deutsche Buchtitel Vita activa schon signalisiert, folgt sie einer von Aristoteles inspirierten „Anthropologie des Tätigseins“, das verschiedene Weisen des tätigen Lebens darstellt. Sie unterscheidet Arbeiten, Herstellen und Handeln, denen drei Grundbedingungen des Menschen entsprechen: Leben, Weltlichkeit und das Faktum der Pluralität.

Wir konzentrieren uns hier zwar auf das Handeln, deshalb zur Erläuterung der anderen Weisen der Vita activa nur so viel: Arbeit ist der unmittelbare Stoffwechsel des Menschen mit der Natur; als biologischer Prozess gehört er ins „Reich der Notwendigkeit“ des Lebens. Die Produkte der Arbeit verschwinden mit ihrem Konsum, es handelt sich also primär um Lebensmittel im eigentlichen Sinn. Davon unterscheidet sie das Herstellen, hier schafft der Mensch sich eine eigene gegenständliche Welt zwischen sich und der Natur in Gestalt von (langlebigen) Gebrauchsgütern, Produktionsmitteln und Kunst.

Pluralität heißt, dass nicht ein Mensch, sondern viele Menschen auf der Erde sind. „Alle menschlichen Tätigkeiten sind bedingt durch die Tatsache, daß Menschen zusammenleben, aber nur das Handeln ist nicht einmal vorstellbar außerhalb der Menschengesellschaft“. (Arendt 1960: 27)

Ein völlig isoliert arbeitender Mensch ist zwar ebenso schwer vorstellbar wie der Dinge herstellende homo faber, aber nicht unmöglich; einzig die Tätigkeit des Handelns ist unabdingbar an das Zusammenwirken mit anderen Menschen gebunden. Für Arendt ist der Mensch deshalb nicht als ein „soziales Wesen“ im Sinne eines Mangels zu begreifen, der durch das Dasein der anderen (z.B. durch die Arbeitsteilung) kompensiert wird. Der Mensch ist für Arendt in Anknüpfung an die altgriechische Tradition, präziser an Aristoteles primär ein politisches Lebewesen (zoon politikon), das sie vom gesellschaftlichen scharf trennt, denn in dieser Sphäre braucht der Mensch die anderen primär, um überleben zu können.

Zu der Pluralität der Menschen, die das Miteinander des Handelns ermöglicht und erzwingt, kommt noch eine Eigentümlichkeit des Menschen: seine Natalität. Denn mit seiner Geburt „ergibt sich die geheimnisvolle menschliche Gabe, die Fähigkeit, etwas Neues anzufangen“, weil wir mit der Geburt als „Neuankömmlinge“ in die Welt treten. „Wir können etwas beginnen, weil wir Anfänge und damit Anfänger sind“ (Arendt 2018: 37). Aus diesem Argumentationskontext ergibt sich auch Arendts Verständnis und Vorliebe für die Revolution als ein Akt des Neubeginnens. (Arendt 1963)

Ausgehend von der Pluralität und Natalität des Menschen entwickelt Arendt ihren Begriff des Politischen weiter in der Tradition der „Politik“ des Aristoteles. Er unterschied die Lebenswelt der Menschen in zwei Sphären: das Reich der Notwendigkeit und das Reich der Freiheit, das sich darüber erhob. Wesentlich ist, dass diese Teilung in der antiken Polis nicht durch die Lebenswelt aller Menschen hindurchgeht, sondern sich die Menschen durch ihre soziale Stellung in der Gemeinschaft danach teilen. Das Reich der Notwendigkeiten, also die biologische Produktion und Reproduktion, was bei Arendt zur Arbeit gehört findet ebenso wie das Herstellen in der Sphäre des Hauses (oikos) statt. Diese Tätigkeiten werden in der antiken Polis, das sind die „Stadtgemeinden“, von Unfreien erledigt. Das sind einerseits die Sklaven, aber andererseits auch die formell freien und selbständigen Handwerker (banausos), die aber als „Sklaven“ ihres Berufes keine wirklich freien Männer sind. Denn die Tätigkeit des Herstellens erfolgt nach einem vorgegebenen Zweck, was wir später „Beruf“ nennen, und wandert deshalb ebenfalls ins Reich der Notwendigkeit.

Zusammen zeichnet diese beiden Bereiche aus, dass sie dem Privaten zugeordnet werden und sich damit von der eigentlichen „Polis“, von der Sphäre der „Öffentlichkeit“ trennen. Denn erst hier konstituiert sich das dem Menschen Spezifische als das Politische. In der Polis wird das Leben der naturwüchsigen Formen des Stammes, der Sippe und der Familie durch eine neue Seinsordnung überwunden, die sich allein über das Handeln (praxis) und Sprechen (lexis) als die eigentlich menschliche Tätigkeit jenseits allem Notwendigen und Nützlichen definiert (Arendt 1960, 19ff. und 2017, 10f.).

Handeln und Sprechen gelten als gleich ursprüngliche, originäre Tätigkeiten. Sprechen ist selbst schon Tun und zugleich der Kern des Politischen, denn sprachlos und stumm ist allein die Gewalt, die damit zugleich die Negation des Politischen ist. Das Sprechen ist für Arendt entscheidend, denn nur durch Sprache können Menschen miteinander handeln und werden erst dadurch zur Politik begabte Wesen (Arendt 1960, 10). Die öffentliche Lebensform (bios politikos) konstituiert sich im Gespräch wie im gemeinsamen Handeln (praxis). Hier allein ist man ein freier und gleicher Mensch und Bürger, nur hier kann man es sein. Diese Freiheit besteht allerdings in der (sozialen) Befreiung von und auf der strengen Trennung gegenüber der Sphäre, die der Notwendigkeit der Lebensversorgung, der Produktion, der Arbeit und auch des Herstellens unterliegt.

Mit der Vorstellung, andere durch Reden zu etwas – wie gemeinsamem Handeln – zu überzeugen, erhält die Sphäre des politischen, des öffentlichen Raumes in Gestalt der Polis, die Aura einer scheinbaren Herrschaftsfreiheit. Aber die hat schon immanent ihre Grenze, weil das Sprechen in der „schwatzhaftesten aller Staatsformen“, wie der Historiker Jakob Burkhardt die griechische Polis nannte, auch zur Kunst der Überredung und mithin zu einer Herrschaftstechnik wird (Arendt 1960, 29f.). Es gibt aber ein „sichtbares Zeichen, das Wahrheit von Meinungen unterscheidet“ (Arendt 1993, 384). Schon Aristoteles unterschied zu diesem Zweck die Überredung (Rhetorik), die sich an die Menge richtet, von der Dialektik, die sich auf das die Wahrheit suchende Gespräch weniger Personen bezieht, wie es beispielhaft und einzigartig in Platons Dialogen dargestellt wird.

Der öffentliche Raum ist jener politische Bereich, wo die freien Bürger sich unter ihresgleichen selbst zeigen, gesehen und gehört werden, wo die Menschen in der Erfahrung ihrer Pluralität und in der Einheit von Denken und Handeln erst ihre volle Menschlichkeit erlangen (Arendt 1993, 389f.). Diese emphatische Beschreibung der antiken Polis erscheint allerdings in einem anderen Licht, wenn daran erinnert wird, dass die Freien und Gleichen, die sich auf den öffentlichen Plätzen, der agora, treffen und miteinander Reden und Handeln, ja nur deshalb frei und gleich sind, weil das Reich der Notwendigkeiten im Heim des Oikosdespoten in Gestalt von Sklaven und formell freien Banausen für den Lebensunterhalt sorgt. Faktisch folgt daraus, dass die Regierenden nicht arbeiten und Arbeitenden nicht regieren. Das wusste natürlich auch Hannah Arendt. Ihr Zweck dieses antike Modell dennoch als Bezugspunkt ihres Politikverständnisses zu nehmen, wird deutlicher, wenn es auf die Bedeutung des „Öffentlichen“ konzentriert wird.


Das Politische und die Sphäre der Öffentlichkeit

Die von Arendt ins Zentrum gesetzte Trennung der öffentlichen von der privaten Sphäre als Kern des Politischen, des Redens und Handelns im öffentlichen Raum, entstand im antiken „Stadtstaat“ in Griechenland und verschwand mit dessen Untergang. Real wandelte sich diese Sphärenteilung im Römischen Reich, ebenso im Mittelalter und mit Beginn der Neuzeit erneut mit der Herausbildung des souveränen Territorial- bzw. Nationalstaates. Dafür ist nicht allein die nun auftretende Trennung von Staat und Gesellschaft verantwortlich, die in Ermangelung eines „Staates“ – im modernen Verständnis – im antiken Griechenland zwangsläufig unbekannt war (Meier 1983, 269f.). Aber als normative Kraft blieb sie immer konstitutiv. Und daran erinnert Arendt, womit sie zugleich auf eine veränderte Weltauffassung und Bestimmung des Menschen in der heutigen, insbesondere der westlichen Welt des hochentwickelten Kapitalismus verweist.

Nach Arendt verdeutlicht das zunächst die lateinische Übersetzung des „zoon politikon“ in ein „animal rationale“ als soziales Wesen, womit der eigentliche Gehalt des Politischen verwischt wird. Das Wort „sozial“ ist genuin lateinischen Ursprungs, ohne Pendant im Griechischen und bedeutet als „societas“ ein zweckhaftes Bündnis von Menschen. Wie schon oben erwähnt, eröffnete sich daraus das Verständnis, dass der Mensch von Natur aus (und aus der Not heraus) ein soziales Wesen ist, weil er anders gar nicht überleben kann; aber damit ist die spezifische Differenz etwa zum Tier gar nicht erfasst. Für Arendt entscheidend ist die Herausbildung des Sozialen zunächst in Form der Familie als „Produktionsstätte“, die nun – nicht nur in der Katholischen Soziallehre – zur Keimform der Gesellschaft wird und im „pater familias“ ihr Herrschaftsorgan hervorbringt und dem Notwendigen und Nützlichen eine stetig zunehmende Bedeutung zubilligt. Ab dem 17. Jahrhundert lässt sich das, begleitet vom Aufstieg des modernen Staates, an Begriffen wie „politische Ökonomie“, „Nationalökonomie“ etc. ablesen, die nun die „Gesellschaft“ oder das „Soziale“ als eigenständige Sphäre bestimmen. In den neuzeitlichen Vertragstheorien wird dieses Reich der Notwendigkeiten dann als „Naturzustand“ zur Legitimationsbasis des modernen Staates und seines Gewaltmonopols zum Kern der Politik (Arendt 2017, 20 f.).

Mit der zunehmenden Dominanz des Herstellens und der Arbeit als Tätigkeitsweisen wird die einstige Trennung von privater und öffentlicher Sphäre zu einem nur noch kontrafaktischen Ideal degradiert (Arendt 1960, 31). Gleichwohl ist, wie Arendt ausdrücklich betont, sowohl für Platon wie für Aristoteles selbstverständlich, dass auch die Polis der Sicherung der menschlichen Lebensnotwendigkeiten entsprang. Entscheidend ist aber, dass sie darin nicht ihr „telos“, ihren Endzweck findet. Die Lebenssicherung im Haushalt ist zwar die Voraussetzung für das „gute Leben“, das aber erst in der guten Polis realisiert werden kann (Arendt 2017, 27).

Die Betonung des Öffentlichen und Politischen als die dem freien Menschen angemessene Lebensform bedeutet für Arendt keinesfalls, dass das Privateigentum wie das Private dadurch aufgehoben wird. Es ist ein Teil des unverzichtbaren Weltzuganges. Aber nur das Öffentliche ist „alles, was vor der Allgemeinheit erscheint, für jedermann sichtbar und hörbar ist“. Arendt 1960: 49). Nur in dieser „größtmöglichen Öffentlichkeit“ erschließt sich eine gemeinsame Welt und eine gemeinsam konstituierte und erfahrene Wirklichkeit. „Der öffentliche Raum wie die uns gemeinsame Welt versammelt Menschen und verhindert gleichzeitig, daß sie gleichsam über- und ineinanderfallen“. (Arendt 1960, 52) Es ist der Ort der Vielfalt als Überwindung der Subjektivität und Privatheit, in der das „von Anderen Gesehen- und Gehörtwerden seine Bedeutsamkeit von der Tatsache [erhält], daß ein jeder von einer anderen Position aus sieht und hört.“ In dieser emphatischen Form des Öffentlichen findet sich eine Parallele zur Neuzeit. Immanuel Kant hat mit ähnlichem Nachdruck die Entfaltung der Vernunft von ihrem „öffentlichen Gebrauch“ abhängig gemacht. (s. dazu Wortmann 2024, 155)

Diese Vielfalt der Perspektiven, das Abbild der Menschen im Plural, bringt ein Gemeinsames hervor, das nicht auf einer wie auch immer definierten Natur des Menschen beruht. Das ist die Essenz dessen, was man Arendts „liberalen Republikanismus“ nennt. Eine Konsequenz ist, dass mit dem Verfall des Öffentlichen zugleich die menschliche Pluralität und Vielfalt verfällt und einer Idiotie des Privaten und Subjektiven anheimfällt, dessen äußerster Ausdruck der Homogenitätswahn des modernen Totalitarismus ist. Dieses Schreckgespenst und Kind der Moderne des 20. Jahrhunderts folgt der Logik des Herstellens nach einem fertigen Modell und ist die vollkommene Liquidierung des Politischen (Arendt 1955, 455 ff.).


Die Krise des Politischen und der Sieg des Homo faber

Die neuzeitlichen Auffassungen des Politischen erkennen den antiken Gegensatz von privater und öffentlicher Sphäre nicht mehr, die einstigen Scheidelinien haben sich bis zur Unkenntlichkeit verändert. Heute könne man ein im Privaten verbrachtes Leben nicht mehr als „idiotisch“ bezeichnen, „weil es an der gemeinsamen Welt keinen Anteil hat“ (Arendt 2017, 28). Das Private als Verlust der Teilnahme am Allgemeinen steckt schon in der ursprünglichen Bedeutung von „privat“, wo Aneignung auch Raub ist. Der Bereicherung der Privatsphäre steht der Verlust der Teilhabe am Öffentlichen gegenüber. Arendt erinnert nebenbei auch daran, dass das Privateigentum in der modernen bürgerlichen Gesellschaft zwar ein Heiligtum ist, aber: „In dem Streit zwischen Kapitalismus und Sozialismus wird meist vergessen, daß es der Kapitalismus war, der mit Enteignungen angefangen hat, und daß der Sozialismus in dieser Hinsicht nur dem Gesetz folgt, nach dem die gesamte Wirtschaftsentwicklung der Neuzeit angetreten ist“ (Arendt 1960, 60).

Heute ist das Private das Intime, das dem Gesellschaftlichen gegenübersteht und sein Entdecker Jean-Jacques Rousseau erkannte bezeichnenderweise in der Gesellschaft und nicht im Staatsapparat den Unterdrücker. Denn der Kern jeder Gesellschaft ist der Konformismus und der hat, anders als das Öffentliche, keinen fassbaren Raum. Die sich mit der „modernen Massengesellschaft“ ausdehnende Konformität ersetzt nun das Handeln durch (rollenkonformes) Sich-Verhalten. Sie verleiht den modernen politischen Theorien wie dem Behaviorismus (und dem Rational Choice) eine beispiellose Plausibilität für jene paradox erscheinende Berechenbarkeit der freien Individuen (!), die den Triumph der modernen positivistischen Sozialwissenschaften, allen voran der Ökonomie, ausmachen (Arendt: 2017, 35 ff.). Es ist die Sternstunde der Sozialingenieure und Technokraten, die sich dann auch noch des Begriffs der „Praxis“ bedienen.

Was Marx dem hinzugefügt habe, sei die Erkenntnis, dass das Gesellschaftliche und Ökonomische nicht mehr vom Politischen zu unterscheiden sei. In seiner „kritiklosen“ Übernahme dieser Entwicklung der Neuzeit münde seine Theorie dann in einer „Kritik der politischen Ökonomie“, die aber das Politische hinter sich lasse (Arendt 2017, 21). Deshalb markiert Marx für Arendt das Ende der politischen Theorie.

Mit diesem weitreichenden und starken Urteil zieht Arendt nicht nur einen Trennungsstrich zu Marx, der von der anderen Seite beleuchtet nicht zwingend ist. Marx steht für sie hier als herausragender Denker exemplarisch für das gesamte neuzeitliche Politikverständnis. Für Arendt ist der zentrale Differenzpunkt zu Marx die Bedeutung der Kategorie der Arbeit (und des Herstellens) für den Begriff des Menschen. Was Arendt anthropologisch in Arbeit, Herstellen und Handeln unterscheidet, fasst Marx unter dem Begriff der Produktivkräfte zusammen, deren erste Produktivkraft der Mensch selber und seine Entwicklungsfähigkeit ist. Keinesfalls subsumiert Marx unter den Begriff der Produktivkräfte etwa eine verselbständigte Technik, also was bei Arendt „Herstellen“ ist. Was Arendt an Handlungsformen strikt trennt, erscheint bei Marx als eine gesellschaftlich vermittelte Einheit, in der die arbeitsteilig produzierenden „Arbeiter“ immer schon als „vergesellschaftete Produzenten“ unter bestimmten Produktionsverhältnissen auch handeln, und zwar als „praxis“.

Eine Unterscheidung ist allerdings so richtig wie wichtig. Marx, bei dem die Analyse der bestehenden bürgerlichen Gesellschaft im Zentrum seines Erkenntnisinteresses stand, ging von der historischen Tatsache aus, dass diese moderne bürgerliche Gesellschaft eine „Wirtschaftsgesellschaft“ ist, die sich nicht mehr in den klassischen politischen Formen, sondern nur von ihrer ökonomischen Struktur her als Herrschaftsgebilde begreifen lässt. In dieser Differenz liegt der Unterschied und zugleich Arendts Abneigung gegenüber den Sozialwissenschaften. Gesellschaftliche Strukturen interessierten sie nicht.

Die Politik spielte bei Marx als Handlungsebene für den Emanzipationskampf des Proletariats eine zentrale Rolle, und deren Form war keinesfalls durch das Ziel schon festgelegt. Arendts Kritik, Marx habe an die Stelle der Freiheit als Zweck der Revolution die gesellschaftliche Notwendigkeit, die Produktion des Überflusses gesetzt, läuft ins Leere. Denn mit der Revolutionierung nicht nur der politischen, sondern der gesamten gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse als Überwindung der „Herrschaft des Menschen über den Menschen“ reicht im Gegenteil der Marxsche Revolutionsbegriff viel weiter als Arendts rein politischer Revolutionsbegriff, der die „soziale Emanzipation“ nicht ins Zentrum stellt, weil die „private“ Form der Herrschaft nicht der Ausgangspunkt ist.

Arendts historische Diagnose vom Siegeszug des „Homo faber“ kann man am Bedeutungswandel des Begriffes Praxis demonstrieren. Was wir heute in unserem Sprachgebrauch unter „Praxis“ verstehen, ist in aller Regel das Herstellen von Dingen und Gütern und nicht mehr das Miteinander-Handeln. Arendt hat für diese moderne Arbeitsgesellschaft weitreichende und viel diskutierte Beobachtungen und Fragen formuliert. Die Idee, das „Reich der Notwendigkeit“ verliere in einer „Gesellschaft im Überfluss“, wie sie der amerikanische Ökonom John K. Galbraith schon Ende der 1950er Jahre registrierte (Galbraith 1958), an sozialer Bedeutung und damit auch der „soziale Klassenkampf“ wird zu einer gängigen Diagnose. Mehr Aufsehen erregte eine weitere in Vita activa gestellte Frage, die heftig diskutiert wurde: was passiert, wenn der Arbeitsgesellschaft (durch stetig zunehmende Rationalisierung) die Arbeit ausgeht und die Muße, die Vita contemplativa, eine unbekannte Lebensform ist?

Was wird, wenn die gewonnene Freizeit zum individuellen Reich der Freiheit wird? Wie verhält sich dieses Phänomen zu immer weiter sich ausdehnenden Vorherrschaft des Ökonomischen in alle Lebensbereiche, was sowohl die allumfassende „Berechenbarkeit“ wie auch die direkte „Kommodifizierung“, d.h. Verwandlung aller Tätigkeiten und Lebensbereiche in die Warenform betrifft. Das einst Private verlässt in ökonomischer Form diese Sphäre und „überwuchert“ „durch eine unwiderstehliche Tendenz zur Expansion“ in einem „ständigen Wachstum“ die Sphären des Öffentlichen und Politischen (Arendt 2017, 41). Was Arendt hier beschreibt und prognostiziert, sind jene gegenwärtigen Formen der Ökonomisierung aller Lebensbereiche sowie die Kommodifizierung aller Güter, gegen die eine Zivilgesellschaft im Namen eines „Gemeinwohls“ ihre Öffentlichkeit setzt. Politisch ist es der höchst aktuelle Kampf um die Form der Güter.

„Ob eine Tätigkeit privat oder öffentlich ausgeübt wird, ist keineswegs gleichgültig. Offenbar ändert sich der Charakter des öffentlichen Raumes, je nachdem welche Tätigkeiten ihn ausfüllen, aber auch die Tätigkeit selbst ändert ihr Wesen, je nachdem ob sie privat oder öffentlich geübt wird, und zwar in einem sehr hohen Grad“ (Arendt 2017, 43). Dem entspricht ihre Erkenntnis, dass der zunehmenden Perfektionierung im Bereich des Arbeitens und Herstellens eine Verarmung im Reden und Handeln im Öffentlichen gegenübersteht, „in dem Menschen sich auszeichnen und das Vortreffliche die ihm gebührende Stätte finden kann“ (Arendt 2017, 47). Aktueller als heute könnte man diese Feststellung nicht bezeichnen. Aber das Handeln im öffentlichen Raum als eigene Sphäre wird bei Arendt als Inbegriff des Politischen zum Selbstzweck, weil es keinem anderen höheren oder außer ihm liegenden Zweck wie Frieden, Fortschritt oder welchem Ziel auch immer dienlich unterworfen werden darf. Andernfalls degeneriert das Politische als Politik zu einem Instrument des Herstellens, einer Technik.

Arendts pessimistischer Ausgangspunkt in Vita activa ist die Erkenntnis, „daß wir das Gefühl für den öffentlichen Raum, für kollektives Handeln verloren haben“ und „Sklaven eines Lebensentwurfs“ wurden, der das „Machen“, den Homo faber als „herstellendes“ Wesen zusammen mit der „Geschichte“ ins Zentrum der politischen Analyse stellt. Warum die Geschichte? Für Arendt verbindet sich damit der „gefährliche Glauben an Schicksal und Bestimmung“, also Unfreiheit des Handelns und damit eine Ursache für viele Übel unserer Zeit. (Judt 2010, 93)

Arendts pessimistischer Ausgangspunkt in Vita activa ist die Erkenntnis, „daß wir das Gefühl für den öffentlichen Raum, für kollektives Handeln verloren haben“ und „Sklaven eines Lebensentwurfs“ wurden, der das „Machen“, den Homo faber als „herstellendes“ Wesen zusammen mit der „Geschichte“ ins Zentrum der politischen Analyse stellt. Warum die Geschichte? Für Arendt verbindet sich damit der „gefährliche Glauben an Schicksal und Bestimmung“, also Unfreiheit des Handelns und damit eine Ursache für viele Übel unserer Zeit. (Judt 2010, 93)

Arendts Rückgriff auf die antike Tradition ist nicht nur problematisch wegen der völligen Veränderung der Verhältnisse zur Moderne, sondern auch, weil die Konstituierung des Politischen „uns mit der Selbstdeutung der Griechen stilisiert überliefert“ wird (Habermas 1962, 57) und somit nicht nur als antiquiert, sondern auch als elitär angesehen wird. Dennoch konzediert Habermas, dass es seine Strahlkraft nicht wegen, sondern trotz der ihm zu Grunde liegenden gesellschaftlichen Formation seit der Renaissance als „normative Kraft“ behielt. So lebte es auch unabhängig gewisser sachlicher Unterschiede noch in der lateinischen Fassung als „res publica“ weiter.

Allerdings wird in dem Maße, wie insbesondere durch die moderne bürgerliche Gesellschaft die Privatsphäre in Gestalt des Sozialen und vor allem des Ökonomischen in der Gesellschaft an Relevanz für die Öffentlichkeit gewinnt, ein Strukturwandel der Öffentlichkeit erkennbar, der die normative Kraft des Arendtschen Ansatzes nun ins Utopische zu verlagern scheint. Deshalb den produktiven Kern in Arendts Beitrag für das Wesen des Politischen aufzugeben, wäre dagegen auch ein Verlust. Verloren ginge die enorme Bedeutung und Aktualität ihres Plädoyers für das Handeln im öffentlichen Raum, das sie zu einer Anwältin gegen die zerstörerischen Tendenzen der Privatisierungen und Kommodifizierungen des Öffentlichen und für die Stärkung der Zivilgesellschaft macht.

Habermas reformuliert in seiner zum Klassiker avancierten Habilitationsschrift Strukturwandel der Öffentlichkeit von 1962, anders als Arendt, die Öffentlichkeit als Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, in der – ganz im Sinne Kants – das freie öffentliche Räsonnement der Bürgergesellschaft über die Herrschaft ebendiese als Herrschaft aufhebt und sie durch einen Begriff des Politischen jenseits des Staates ersetzt.

So erscheint schließlich Arendts Rückgriff in die Antike als ein hilfreicher Kontrast zu unsrer Gegenwart und beleuchtet Defizite und Entwicklungen, die uns fixiert auf die Gegenwart verborgen bleiben.


Hannah Arendt und das Judentum

Man kann Hannah Arendt nicht hinreichend würdigen, ohne auf ihr Verhältnis zum Judentum einzugehen. Wie eingangs erwähnt, entsprang sie einem assimilierten jüdischen Elternhaus, in dem zumindest das religiöse Judentum keine herausragende Rolle spielte. Religiös war Hannah Arendt nie in ihrem Leben. 1933 wird sie vor allem durch die politischen Umstände zu einem politisch bewussten Menschen gemacht. Sie rühmte sich damit, nie gewählt zu haben, sie wird auch zur bewussten Jüdin erst durch die politischen Umstände nach der „Machtergreifung“ der Nazis gemacht und engagiert sich für die Nöte der Jüdinnen und Juden über die Zeit ihres amerikanischen Exils hinaus. Sie schaltet sich publizistisch in die Debatten insbesondere über die Staatsgründung in Palästina ein. Sie unterstützte in den dreißiger und vierziger Jahren die dortige Kibbuzbildung, plädierte immer für ein Miteinander mit der palästinensischen Bevölkerung und bekämpfte die „Lebenslüge“ der Zionisten „Vom Land ohne Volk für das Volk ohne Land“.

Für einen jüdischen Staat, der universellen Rechten widersprach, war sie nie empfänglich. So kämpfte sie für eine jüdische Sache im Geiste universeller Werte und wurde damit zu einer Streiterin für ein weltoffenes Judentum, womit sie sich einschließlich ihrer Gabe zur Zuspitzung – wie am Falle Eichmann demonstriert – nicht nur Freunde, aber viele Feinde in ihren eigenen Reihen machte.

Sie wurde ignoriert, verehrt und alle Versuche, sie zu vereinnahmen, scheiterten. Sie gehörte keiner Partei, keiner Ideologie, keiner Schule oder politischen Richtung an. Mit der empirisch ausgerichteten Politikwissenschaft in ihrem „Heimatland“ USA wusste sie nichts anzufangen. Sie war in ihrer politischen Ausrichtung keiner Richtung eindeutig zuzuordnen, am ehesten noch einer liberalen Grundhaltung, aber sie war keine Verfechterin eines Wirtschaftsliberalismus. Und so bezeichnete man sie auch als „Republikanerin“, als Verfechterin einer Freiheit, die Politik als die „öffentliche Sache“, als Praxis, des Miteinanderhandelns begreift. Sie war keine praktische Politikerin, sondern ‚nur“ eine „Theoretikerin“ und eigentlich doch eine „Philosophin“ wie Günter Gaus in dem berühmten Interview richtig vermutete.

Sie saß, wie alle Lehrbücher und Theoriegeschichten mit ihren Schwierigkeiten, sie irgendwo unterzubringen, belegen, zwischen allen Stühlen, wenngleich ihre Zuneigung zu Immanuel Kant in ihrer letzten Lebens- und Schaffensphase immer deutlicher wurde. Sie blieb eine Suchende, die „Verstehen“ wollte. Als solche ist sie bis heute eine beeindruckende Persönlichkeit und mit der Lebendigkeit ihres Geistes eine lehrreiche Herausforderung, von und an der es viel zu lernen gibt. Vor allem: „Denken“.


Literatur

  • Arendt, H. (1948): Über den Imperialismus, in: Die verborgene Tradition. Frankfurt a.M. 1976, S. 12 – 31
  • Arendt, H. (1955): Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Frankfurt a.M.
  • Arendt, H. (1958): Die ungarische Revolution und der totalitäre Imperialismus, in: dies. In der Gegenwart. Übungen im politischen Denken II. München 2000, S. 73 – 126
  • Arendt, H. (1960): Vita Activa oder Vom tätigen Leben. Stuttgart.
  • Arendt, H. (1962): Der Kalte Krieg und der Westen, in: dies. In der Gegenwart. Übungen im politischen Denken II. München 2000, S. 127 – 137
  • Arendt, H. (1963): Über die Revolution. München.
  • Arendt, H. (1970): Macht und Gewalt, in: dies. In der Gegenwart. Übungen im politischen Denken II. München 2000, S. 145 – 208
  • Arendt, H. (1964): Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen. München 1995, 9. Aufl.
  • Arendt, H. (1990): Was ist Existenzphilosophie? Frankfurt a.M.
  • Arendt, H. (1993): Philosophie und Politik, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 41. Jg., H. 2/1993, S. 381-400.
  • Arendt, H. (2017): Der Mensch, ein gesellschaftliches oder ein politisches Lebewesen, in: dies. Mensch und Politik. Stuttgart, 2017, S. 7-47
  • Arendt, H. (2018): Die Freiheit, frei zu sein. München
  • Augstein, Franziska (2006): Ein geistiges Ereignis, in Süddeutsche Zeitung v. 14./15. Oktober 2006
  • Benhabib, S. (1998): Hannah Arendt – Die melancholische Denkerin der Moderne. Hamburg
  • Brunkhorst, H. (1999): Hannah Arendt. München
  • Deppe, F. (2007): Hannah Arendt und das politische Denken im 20. Jahrhundert, in UTOPIE kreativ, H. 201/202, 2007, S. 681 – 697
  • Friedrich, C.J. (1954): Der einzigartige Charakter der totalitären Gesellschaft, in: Wege der Totalitarismus-Forschung, Hg. B. Seidel & S. Jenkner, Darmstadt 1974, S. 179 – 196
  • Galbraith, J.K. (1958): Gesellschaft im Überfluß. München – Zürich 1959
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  • Judt, T. (2010): Das vergessene 20. Jahrhundert. Die Rückkehr des politischen Intellektuellen. München
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  • Ottmann, H. (2010): Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert – Der Totalitarismus und seine Überwindung. Stuttgart – Weimar
  • Vollnhals, C. (2006): Der Totalitarismusbegriff im Wandel, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 39/2006, S.21 – 27
  • Wortmann, R. (2024): Kant gegen Möser oder Aufklärung statt Traditionalismus. Osnabrück 2. Aufl.
  • Wortmann, R. (2019): Engagement als Lebensform – Hannah Arendt und Jean-Paul Sartre, in: Jahrbuch Management in Nonprofit Organisation. Münster 2019 / Vol. 8, S. 73 – 96
  • Young-Bruehl, E. (1982): Hanna Arendt. Leben, Werk und Zeit. Frankfurt a.M. 1991

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