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Freitag, 12. Dezember 2025

USA sieht Europa als Risiko

Zur neuen Sicherheitsstrategie der USA

Dass sich die Interessen, die politischen Prioritäten und der politische Stil der USA mit Beginn der Präsidentschaft Trumps dramatisch verändern, wurde schon lange befürchtet, dann mal bagatellisiert oder schöngeredet und stets mit der klammheimlichen Hoffnung verbunden, es werde nichts so heiß gegessen wie gekocht. Die unverwüstlichen Freunde Amerikas und der transatlantischen Partnerschaft stehen mit der in der letzten Woche vom Weißen Haus veröffentlichten neuen „Sicherheitsstrategie“ der USA (National Security Strategy of the USA, November 2025) vor einem Scherbenhaufen ihrer langgehegten Illusionen über die Verlässlichkeit unseres „wichtigsten Verbündeten“.

Nach dem definitiven Verlust eines kooperativen Partners im äußersten Osten, der sich mit seinem Angriffskrieg auf die Ukraine als imperialer Kriegstreiber entpuppte und die gesamte europäische Sicherheitsarchitektur zum Einsturz bringt, folgt nun auf der anderen Seite von jenseits des Atlantiks die zweite Abfuhr. Donald Trump und seine Vasallen haben nun offenbart, wer sie sind, was sie wollen und wie sie die Welt sehen und nach Freund und Feind einteilen. Der Edeltransatlantiker der CDU, Norbert Röttgen, spricht von einer „Zweiten Zeitenwende“.

Jede neue Regierung in den USA verkündet mit einer „Sicherheitsstrategie“ ihre Sicht der Welt und ihre Ziele. Den Bruch mit einer „multilateralen“ Außen- und Sicherheitspolitik mit dem Interesse, eine den USA genehme internationale Ordnung basierend auf allgemeinen, verbindlichen Regeln dauerhaft zu sichern, hat die Trump-Administration von Beginn an mit Worten und Taten offen demonstriert. Insofern ist das 33 Seiten umfassende Paper nichts fundamental Neues. Dennoch enthält es ein paar zusätzliche Sprengsätze, die den Vorteil haben, Klarheit zu schaffen. Doch der Reihe nach!


Amerikas Stellung in der Welt

Manche sahen Trump wegen seines „Friedensnobelpreisehrgeizes“ schon als einen echten Friedensengel, der mit Deals Kriege und Konflikte schnell und friedlich beendet. Was äußerlich betrachtet im Nahen Osten auch nur scheinbar gelang, lässt in der Ukraine nicht nur auf sich warten, sondern sieht eher nach einem „Deal“ vor allem zu Lasten der Ukraine und der europäischen Sicherheit aus, der einem Sieg Putins nahekommt.

Ausgang der neuen „Sicherheitsstrategie 2025“ ist die Kritik an den Vorgängerregierungen, die mehr für die Verteidigung anderer Länder ausgaben als für die USA. Das werde sich nun mit „America first“ grundlegend ändern. Amerikas Unterstützung wird abhängig gemacht von den Militärausgaben (das „Fünf-Prozent-Ziel“) der Verbündeten. Insgesamt wird die US-Sicherheitsstrategie daran ausgerichtet, was für die USA und die Stärkung ihrer Macht und ihres weltweiten Einflusses insbesondere ökonomisch erforderlich ist. Basis sei dafür ein „weltweit führendes, tödliches und technologisch fortschrittliches Militär“, dass in der Lage ist, US-Interessen überall durchzusetzen, wo es erforderlich ist.

Zwar seien die Zeiten vorbei, wo die USA wie „Atlas die gesamte Weltordnung stützt“, aber um die führende Stellung der USA global zu sichern, seien Differenzierungen erforderlich. Russland wird nicht mehr als Herausforderung oder Konkurrent gehandelt. Da steht China allein an der Spitze, dessen Aufstieg als das Resultat der Fehler der Vorgängerregierungen (der Demokraten) dargestellt wird. Damit liegt der zentrale Schwerpunkt der US-Politik in Asien und militärisch im Aufbau einer Abschreckung im Indo-Pazifik. Ein weiterer Interessenschwerpunkt liegt im „klassischen Hinterhof“, in Lateinamerika. In Erinnerung an die „Monroe-Doktrin“ vor zweihundert Jahren wird der südliche Kontinent gegen „fremde“ Einflüsse abgesichert. Dominant ist hier der Kampf gegen die Migration, gegen Drogen und, wie die besondere Erwähnung Venezuelas andeutet, auch die Rohstoffinteressen.

Die werden auch für Afrika in Anschlag gebracht, aber darüber hinaus ist dieser Kontinent (vielleicht auch zu dessen Glück) strategisch ebenso uninteressant wie der Nahe Osten, der wegen der Unabhängigkeit von dessen Energievorräten nur noch von marginaler Bedeutung ist. Dass die fossilen Energien eine strategisch wichtige Rolle spielen, erklärt auch den Kampf gegen den Klimawandel, und zwar in der Weise, dass er sich gegen jene Ambitionen richtet, die den Klimawandel eindämmen oder gar verhindern wollen. Wie Umweltschutz insgesamt gehört auch das „Null-Wachstum“ zu den gefährlichen Erscheinungen, die aus Europa stammen. Aber damit befindet sich Trumps USA ja längst in schlechter Gesellschaft mit vielen anderen in der Welt (auch in der EU), die ganz und gar auf das klassische Wirtschaftswachstum umgeschaltet haben.


Europas Rolle in der US-Strategie

Europas Rolle ist machtpolitisch ambivalent. Wie der US-Außenminister Vance schon zuvor verkündete, muss sich Europa letztlich zwischen EU und NATO entscheiden. Zugleich wird der alte Kontinent aber im Kampf gegen China doch noch benötigt. Die NATO wird prinzipiell nicht infrage gestellt, aber die amerikanische Bündnisverpflichtung an die Zahlung der Militärbeiträge gekoppelt. Solidarität nach Art der Musketiere (Einer für Alle, Alle für Einen) weicht einem „Schutzgeldsystem“, d.h. Sicherheit gegen Bezahlung.

Was immer man sich in der Trump-Administration von Europa noch verspricht, die EU als Organisation ist kein Objekt der Freundschaft. Ihr gilt der Frontalangriff als Teil des „Kulturkampfes“. Wie von Vance im Februar auf der Münchener Sicherheitskonferenz schon intoniert, schlägt die Sicherheitsstrategie die gleiche Tonart an. Europa gerät zum Sorgenkind für Amerikas Sicherheit, denn dort sei die „Meinungsfreiheit“ und damit die Demokratie gefährdet. Festgemacht wird das an Eingriffe in die „Freiheit“ der Tech-Giganten und Restriktionen gegenüber Rechtsparteien. Die fehlerhafte „Migrationspolitik“ im Verbund mit dem wirtschaftlichen Niedergang der EU bis hin zu einer drohenden „zivilisatorischen Auslöschung“ wird sogar als Bedrohung der Interessen der USA eingestuft.

Erweitert wird die Kritik an der EU wegen ihres Umgangs mit dem Ukrainekrieg gegenüber Russland, was insbesondere Deutschland in eine gefährliche „externe Abhängigkeit“ gebracht habe. Daraus wird gefolgert, dass die USA den „Widerstand in der EU gegen den derzeitigen Kurs der EU“ durch den zu „großen Optimismus Anlass gebenden wachsenden Einfluss patriotischer Parteien“ stärken will. Daran wird sich dann erweisen, welche Staaten in Europa noch „bündnistauglich“ sind. Man darf sich in Europa auf eine massive Einmischung der USA in die europäische Politik und eine Unterstützung rechter Parteien und Gruppen gefasst machen.

Im Klartext lautet die Botschaft, dass sich die USA weltweit als Speerspitze eines „identitären“ Kulturkampfes, eines „Kampfes der Weltanschauungen“ sehen, der gewichtet nach regionalen ökonomischen Interessen das Kampfmodell von „Make America Great Again“ zum allgemeinen Prinzip erhebt. Was hier angepeilt wird, ist eine „Internationale“ der autokratisch-nationalistischen Rechtsparteien, deren gemeinsamer Nenner der Kampf gegen die „liberale Demokratie“ und deren kulturelle Freizügigkeit ist und das mit ökonomischen Interessen verbindet, die neben dem Zurückdrängen von störenden Regeln auf freie Entfaltung für Geschäfte besteht. Bislang kann man wohlwollend davon ausgehen, dass für den Staat dieser Imperialismus, wenn auch primär aus Kostengründen, so sehr ökonomisch gesteuert ist, dass das Militär, außer gegen China, nicht die Hauptrolle im Kampf um die Anteile an der Weltmacht spielen soll.


Was nun, Europa?

Europas Sitz am Katzentisch der Weltpolitik ist keine drohende Zukunft, es ist schon die Gegenwart. Die Verhandlungen der USA mit Putin über die Ukraine haben eine neue Ära eingeleitet. Vielleicht ist Europa zu schwach für eine eigene Rolle in der sich neu (un)ordnenden Weltpolitik. Eine zunehmende ökonomische Macht Europas als Basis für eine stärkere Rolle in der Welt ist nicht zu erwarten. Politisch ist Europa wegen der fehlenden politischen Einheit und der militärischen Schwäche bzw. totalen Abhängigkeit vom großen Verbündeten USA bestenfalls Zaungast bei den „Verhandlungen“. Die Hoffnung, gestützt auf die US-Militärmacht Putin ein Kriegsende in der Ukraine zum Wohlgefallen der EU abtrotzen zu können, erweist sich als grandiose Illusion. Weitere peinliche Umgarnungen des amerikanischen Präsidenten werden nichts bewirken. NATO-Generalsekretär Rutte lässt sich nicht toppen und die EU-Außenkommissarin Frau Kallas interessiert in Washington niemand, Trump schon gar nicht.

Die wiederholten Beschwörungen der Bedeutung der Partnerschaft mit Amerika sind nur noch Sendboten der Hilflosigkeit und Vorboten eines weiteren Abwartens und Hoffens auf bessere Zeiten, d.h. die Rückkehr zur Normalität ausgerechnet in Washington. Und will man sich die Einmischungen in innere Angelegenheiten wie Unterstützung europa- und demokratiefeindlicher Parteien und Organisationen gefallen lassen? Erteilt man den Tech-Konzernen alle von der amerikanischen Regierung geforderten Freiheiten und Rechte? Wo beginnt und wo endet die Selbstachtung der EU?

Fazit: Der Scherbenhaufen ist so groß wie grundlegend. Europa ist nicht umringt von Freunden, sondern steht ziemlich allein da und muss sich neue Verbündete in der Welt suchen. Die Appelle an die Einigkeit der Europäer, an mehr Europa vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik erinnern angesichts der Stärke der Freunde Trumps im eigenen Lager an das Pfeifen im Walde.

Und die Alternative? Europa sitzt zwischen zwei gefährlichen Stühlen. Der Krieg in der Ukraine macht Europa handlungsunfähig und Stillhalten gegenüber den USA ist für die Ukraine nicht einmal eine Hilfe. Eine gemeinsame Linie gegenüber den USA zeichnet sich in der EU aber auch nicht ab. Die offenen Angriffe der USA auf die Werte der EU, die einmal die Werte des Westens waren, einfach zu ignorieren, ist auch keine Lösung.

Eine Alternative wäre, den Fehdehandschuh Trumps aufzunehmen und die NATO zur Disposition zu stellen? Ob Trump seine Truppen aus Rammstein abzieht, ist so ungewiss wie ein sofort drohender Angriff Putins auf Europa. Aber wer ergreift die Initiative für etwas Neues? Damit scheint die gegenwärtige Politik insgesamt überfordert zu sein. Gefragt sind in solchen Krisenzeiten, wo Neues erzwungen wird, weil das alte nicht mehr funktioniert, nicht die Technokraten der herrschenden Regeln, sondern Köpfe mit Ideen, die nicht nur aus einer Not geboren werden, sondern Hoffnung auf bessere Zeiten freisetzen. Es ist ja nicht so, dass durch Trump und Co. die „beste aller Welten“ zusammenbricht. In diesem Sinne sind Krisen auch Chancen, die Welt zu verändern. Dazu ist aber erst einmal Mut zum Umdenken erforderlich.

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