Liebe Os-Kids,
es ist Anfang November, während manche Bäume noch in voller Farbenpracht zu bestaunen sind, tragen andere schon ihr graues Winterruhegewand. Doch Buntes entdeckt man noch immer, spätestens, wenn der Blick mit den letzten tanzenden Blättern nach unten fällt. Dort ist der Boden bedeckt von einem kuschelig – rascheligen Blätterteppich. So manch ein kleiner Zweibeiner kann schwer widerstehen, nach Lust und Laune, hineinzuhüpfen. Anderswo picken Vögel auf der Suche nach Nahrung erfolgreich darin herum und manch ein Igel liegt schon mal Probe für den Winterschlaf. Auch Eicheln, Bucheckern und Kastanien finden derzeit dankbare Abnehmer. Für die Natur und ihre Bewohner ist das wunderbar. Die meisten Menschen teilen die Bewunderung für diese großen Mengen an Laub allerdings nicht. Sie wollen Ordnung, nicht nur in der Wohnung oder im Haus, nein, auch draußen vor der Tür. Dabei hat gerade und besonders in der Natur eigentlich alles seine richtige Ordnung, nur dauert die halt viel länger, als uns Menschen das heutzutage lieb ist. Im Warten sind wir nämlich gar nicht mehr gut. Kein Wunder, da die meisten Dinge und Wünsche oft fast schon blitzschnell verfügbar sind.
Tiere und Pflanzen leben, wie auch unsere Vorfahren einst, ganz altmodisch (aber jahrtausendelang bewährt) die Langsamkeit. Auf Knopfdruck Bestellungen aufgeben? Unmöglich und undenkbar. Aber das ist nicht schlimm, denn, auch wenn es verrückt klingt, nur wer nicht (wie wir) nach der Zeit lebt, hat eigentlich so richtig Zeit. Bei der Aufräum- und Putzkolonne der Natur wird ganz langsam geräumt, geschmatzt und verputzt (statt geputzt). Alle Aufgaben sind ganz gerecht verteilt, große Tiere kümmern sich um große Sachen und klitzekleine sind am Ende für den Kleinkram zuständig. Jeder einzelne ist wichtig. Die Natur kennt keine Retoure (Zurückgabe), denn alles wird wieder gebraucht. Die großen Bäume dürfen bald ruhen und während sie sich einen neuen Jahresring zeichnen träumen sie bestimmt vom nächsten Frühling.
Ein gutes Beispiel für Geduld und etwas, dass ihr momentan vielleicht noch selbst draußen entdecken könnt, möchte ich euch heute mal vorstellen, die Gemeine Eichengallwespe.
Gemeine Eichengallwespen
Gemeine Eichengallwespen sind winzige Insekten, die aussehen wie kleine Minifliegen. Soweit noch nichts Besonderes. Doch in Sachen Gemütlichkeit sind sie im Insektenreich weit vorne. Während sich viele andere Larven und Puppen auf Blättern, in Früchten, in Spalten, in Löchern oder unter der Erde auf engstem Raum tummeln müssen, lassen sich Eichengallwespen als Kinderstube ein ganzes gemütliches Häuschen bauen. Das machen sie nicht selbst, richtig gehört oder gelesen. Sie haben nämlich einen besonderen Trick. Sie legen ihre Eier auf Eichenblätter. Die daraus schlüpfenden Larven lecken einen Teil des Blattes ordentlich an, dabei verbreiten sie bestimmte Botenstoffe. Möglicherweise gelangt der Botenstoff auch schon bei der Eiablage hinein, dies ist aktuell noch nicht endgültig erforscht. Sicher ist, dass der Baum reagiert und dem Blatt eine neue Art Extrahaut hinzufügt. Das könnt ihr euch vorstellen, wie Schorf auf einer Wunde. So bekommt die Gallwespe also ihr Häuschen und zwar ganz nach ihren Wünschen. Das Blatt, einschließlich des unerwünschten Untermieters, wird weiter mit Nährstoffen versorgt.
Die kleine Gallwespenlarve genießt ihre Kinderstube. Doch ganz so einfach geben sich Blatt und Baum nicht geschlagen. Um die angezapften Blattadern zu verstopfen, werden bittere Gerbstoffe in das Larvenhäuschen geschickt. Niemand mag es bitter und damit sollte das Zuckerschlecken eigentlich vorbei sein, oder? Nein, denn der schlaue Räuber hat das passende Gegenmittel gegen die Gerbstoffe. Weil mehr oft mehr hilft, versucht der Baum es erneut, mit einer Extraportion Bitter, doch die Larve tut es ihm gleich und so weiter. Das Häuschen gleicht irgendwann einem kleinen Miniapfel und ist zumindest für Gemeine Eichengallwespen gemütlich und perfekt.
Und die Eiche? So lange die Untermieter nicht zu tausenden die Blätter besetzen, kann sie diese problemlos beherbergen. Spätestens im Herbst ist sowieso Schluss mit der Besetzung, betroffene Blätter segeln samt Häuschen zu Boden. Dort wird allerdings die nächste Generation Gemeiner Gallwespen gegründet und im Frühling geht das Ganze möglicherweise von vorne los.
Besserwissen:
Die Eichengallen (die kleinen Äpfelchen) können von uns Menschen zum Gerben von Leder und zur Herstellung von besonderer Tinte genutzt werden.
Natürlich habe ich das alles (wie immer) sehr vereinfacht beschrieben, denn die Gallwespen haben noch weitere spannende Eigenschaften, aber dazu vielleicht ein anderes Mal mehr.
Bleibt gespannt und neugierig!
Eure Tina Birgitta Lauffer