Sonntag, 6. Oktober 2024

Neue Stolpersteinverlegungen am 11. September

Vorbildliche Aktion von Schüler*innen der Möser-Realschule

In Osnabrück stehen neue öffentliche Stolpersteinverlegungen an. Einmal mehr wird an Menschen erinnert, die allein wegen ihrer politischen, religiösen oder kulturellen Zugehörigkeit von Nationalsozialisten verfolgt und – fast immer – auch ermordet wurden. Eine besondere Erwähnung verdient eine Initiative von Schüler*innen der Möser-Realschule. Angesichts der Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen können derartige Aktivitäten gar nicht genug hervorgehoben werden.

Nachdem bereits Anfang August in Osnabrück sechs sogenannte Stolpersteine verlegt wurden, werden am Mittwoch, den 11. September, ab 10 Uhr erneut sechs Stolpersteine vor die ehemaligen Wohnstätten der betroffenen Menschen platziert. Der Künstler Gunter Demnig hatte das Projekt Mitte der 1990er Jahre ins Leben gerufen, mit dem mittlerweile europaweit an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert wird. Die sogenannten „Stolpersteine“ sind mit einer beschrifteten Messingplatte versehen und werden vor dem letzten freiwilligen Wohnort oder der Arbeitsstätte jener Osnabrückerinnen und Osnabrücker, die Opfer der Nationalsozialisten wurden, in den Gehweg eingelassen. Vorangegangen war den Aktivitäten ein mit rot-grüner Ratsmehrheit gefasster Beschluss des Stadtrates. Inzwischen sind erheblich mehr als 300 Stolpersteine verlegt.

Mit der aktuellen Verlegung wird an insgesamt sechs Bürgerinnen und Bürger erinnert, die von den Nationalsozialisten entweder als `asozial´ stigmatisiert wurden, den Kriegsdienst verweigerten oder aufgrund ihrer politischen Gesinnung verfolgt wurden.

Spannende Recherche-Arbeit an der Möser-Realschule

Die Route beginnt um 10 Uhr an der Heinrichstraße 25 mit der Verlegung eines Stolpersteins für Walter Sundermann, der einst den Kriegsdienst verweigerte und an den Folgen der Haft im Konzentrationslager Esterwegen verstarb. SchülerInnen der Möser Realschule haben die Patenschaft für jenen Stolperstein übernommen, der an einen Menschen erinnert, der selbst einmal die gleiche Schule besucht hat.

Was mit einem Austausch zwischen dem Verein Spurensuche-Osnabrück e.V. und der Gedenkstätte Esterwegen begonnen hatte, war zu einer spannenden Recherchearbeit der Schüler*innen geworden. Alle haben sich inzwischen ausgiebig mit der Lebensgeschichte hinter Walter Sundermann vertraut gemacht. So erfuhren sie im Laufe der Zeit nicht nur , dass Sundermann auf die eigene Schule gegangen ist. Zusätzlich erforschten sie auch den Grund, warum er ein Opfer des Nationalsozialismus geworden ist. Mit tatkräftiger Unterstützung der Gedenkstätte Esterwegen, die schon für ihre Ausstellung „Abgeurteilt“ zu Walter Sundermann recherchiert hatte, konnten die Schüler*innen herausfinden, dass der ehemalige Möser-Schüler Fahnenflucht begangen hatte, gefasst wurde und an den bestialischen Haftbedingungen starb.

Seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Heger Friedhof, wo die Schüler*innen sein Grab schon besucht haben. Am 11. September wird der Stolperstein am ehemaligen Wohnort Sundermanns, Heinrichstraße 25, im Beisein der Schüler*innen und des Kollegiums der Möser Realschule verlegt.

Im Anschluss lädt die Möser-Realschule, heutzutage beheimatet an der Lotter Str. 6, alle interessierten in die Aula der Schule ein. Dort wird mit einem kleinen Programm, gemeinsam mit Mitarbeitenden der Gedenkstätte Esterwegen und des Vereins Spurensuche-Osnabrück e.V., an Walter Sundermann erinnert.

Weitere Stolpersteine für Wilhelm Breckenfelder, Bernhard Meyer, August Wille, August Hinrichs und Johann Wahlbrink

An Wilhelm Breckenfelder soll der zweite Stolperstein, der gegen 10:30 Uhr an der Spindelstraße 19 verlegt wird, erinnern. Breckenfelder wurde von den Nationalsozialisten als „Berufsverbrecher“ stigmatisiert und in der Tötungsanstalt Bernburg ermordet. Bernhard Meyer wiederum verweigerte wie Sundermann den Kriegsdienst und wurde nach seiner Flucht in Düsseldorf als Wehrmachtsdeserteur hingerichtet. Der Stolperstein, der an ihn  erinnert, wird etwa gegen 11 Uhr an der Sutthauser Straße 28 verlegt.

Gegen 11.30 Uhr folgt am Stahlwerksweg 11 das Einlassen eines weiteren Stolpersteins für den früheren Kommunisten August Wille. Jener hatte als Mitglied der verbotenen KPD schon lange vor deren Machergreifung 1933 Widerstand gegen die Nationalsozialisten geleistet. Als KZ-Häftling fand er kurz vor Kriegsende auf einem Schiff in der Lübescker Bucht den Tod. Ausgerechnet die Befreier, in diesem Fall alliierte Bomber, versenkten jenes Schiff seinerzeit aufgrund einer Falschmeldung über angeblich an Bord befindliche Wehrmachtsteile. Mit Wille verstarben an jenem Tag Tausende weiterer, allesamt zuvor im KZ Neuengamme inhaftierte Antifaschisten, die im Inneren der Schiffe Thielbeck und Cap Arcona eingepfercht worden waren. Die OR berichtete bereits in zwei weiteren Beiträgen von den beiden sozialdemokratischen Opfern Wilhelm Mentrup und Heinrich Niedergesäß. https://os-rundschau.de/rundschau-magazin/heiko-schulze/widerstand-im-osnabrueck-der-ns-zeit-folge-35-heinrich-niedergesaess/

An der Rothenburgerstraße 23a wird gegen 12 Uhr ein Stolperstein für August Hinrichs verlegt. Hinrichs wurde von den Nationalsozialisten als „Berufsverbrecher“ stigmatisiert und 1942 im Konzentrationslager Buchenwald ermordet. Ein weiterer, der an diesem Tage letzte Stolperstein wird gegen 12.30 Uhr „Am Tannenkamp 46“ für Johann Wahlbrink im Pflasterstein eingelassen. Ihm wurde vorgeworfen, Adolf Hitler beleidigt zu haben. Wahlbrink starb an den Folgen der Haft.

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