Stempel, Ballons und bekritzeltes Zigarettenpapier: „Parolen“, die neugierig machen

Auftaktveranstaltung zur Ausstellung „Parolen aus dem Koffer“ im Augustaschacht

Nicht jeder ungewöhnlichen Ausstellung zur NS-Geschichte gelingt es, so viele Neugierige zur Eröffnungsveranstaltung zu locken. Die Präsentation des Osnabrücker ILEX-Kreises bewies am letzten Sonntag, dass so etwas trotzdem geschehen kann – und weitere Neugierige nach sich ziehen dürfte. Der Veranstaltungsraum im Augustaschacht-Gebäude war jedenfalls bis zum letzten Platz belegt. Die Veranstalter des Vereins Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht sowie des Osnabrücker ILEX-Kreises bieten nun weitere Vertiefungen. Führungen und Lesungen stehen an. Zumal die Ausstellung noch bis zum 10. März 2024 zu erleben ist, dürften Wissenshungrige hier fündig werden.

Es oblag Dr. Michael Gander, Geschäftsführer des gastgebenden Gedenkstättenvereins, die gute Zusammenarbeit mit dem ILEX-Kreis sowie mit dem Osnabrücker Künstler Manfred Blieffert hervorzuheben. Das Ergebnis der Kooperation darf fortan in den Räumlichkeiten der Einrichtung einen kleinen Höhepunkt erleben. Gander: „Widerstand gegen das NS-System war lange ein eher spärlich beleuchtetes Thema der Geschichte. In dieser Ausstellung wird sehr konkret vermittelt, um was es damals ging.“

Der Hasberger Bürgermeister Adrian Schäfer, freute sich als Vertreter seiner Gemeinde sichtlich, dass sich das neue Ausstellungsprojekt dem Thema „Widerstand“ widmet. Schäfer: „Ich selbst gehöre als Mitglied der SPD einer Partei an, die in der NS-Zeit viele Opfer erbracht hat und in deren Reihen trotzdem viel Widerstand geleistet worden ist. Wir sind es solchen Menschen und weiteren Verfolgten der nationalsozialistischen Zeit schuldig, die Erinnerung an sie für die Nachwelt wach zu halten.“

Heiko Schulze freute sich, als Mitglied des ILEX-Kreises auf eine künftige Buchpublikation „Widerstand im Osnabrück der NS-Zeit 1933-1945. 36 Schicksale“ hinweisen zu können. Nicht nur jene besagten 36 Biografien, sondern insgesamt sogar rund 110 Lebenswege werden im Band, der zum Herbst im Verlag „Internationaler Heimatabend“ erscheint, vorgestellt. An der Ausstellung fand Schulze vor allem eine aktuell brisante Frage besonders spannend: „Heute kennen wir alle die beinahe grenzenlosen Möglichkeiten virtuell gestützter Informationen über Social-Media-Kanäle. Auch klassische Medien wie Print, TV oder Radio bieten fast unbegrenzte Möglichkeiten. Welche unselig mühevollen Anstrengungen mussten aber zwischen 1933 und 1945 Menschen unternehmen, um ihren Widerstand gegen den Nazi-Terror trotz permanenter Überwachung durch die Gestapo und trotz permanenter Gefahr, denunziert zu werden, öffentlich zu machen?“

Manfred Blieffert verstand es als letzter Redner mit wohlgesetzten Worten, Neugier für den anschließenden Ausstellungsrundgang zu wecken. Ein Exponat hob er dabei besonders hervor: „Sie werden gleich einen nachgebauten Koffer sehen, dessen Unterseite Menschen des Widerstands zum Stempeln von Parolen verwandt haben. Den Hinweis auf diese ‚Parolen aus dem Koffer‘ verdanken wir späteren Schilderungen des Osnabrücker Kommunisten Ludwig Landwehr. Wie müssen sich er selbst und andere wohl gefühlt haben, wenn sie mit einem solchen Koffer in der Stadt angetroffen und nach ihrem Ziel gefragt wurden? Haben sie dann ‚Bahnhof“ geantwortet? Gar nicht so einfach, darauf eine überzeugende Antwort zu geben, ohne einen Verdacht auszulösen, denke ich.“

Die Reaktion im Publikum zeigte schnell, dass der Künstler eine anregende Frage gestellt hatte. Dass der Rundgang durch die Ausstellung im Anschluss jede Menge weiterer Fragen und Wünsche nach zusätzlichen Informationen nach sich zog, war zu erwarten. Seinerzeit aus den Niederlanden gestartete Luftballons mit Parolen am Faden, ein mit Loch versehener Sandeimer, der nach seiner Leerung mit Hilfe eines Bretts Flugblättchen nach außen beförderte, weckten besonderes Interesse. Stets knallte es laut und vernehmlich, wenn der Metalleimer zu wenig Sand aufwies. Mit Zetteln gefüllte Gesangbücher aus Gottesdiensten bis hin zu eng beschrifteten Zigarettenblättchen animierten zu weiteren Fragen – und erzeugte Respekt vor jenen mutigen Menschen, die einst mit derartigen Aktionen ihr Leben riskierten. Weitere Informationen gefällig? Wir finden sie hier:

https://os-rundschau.de/featured/parolen-aus-dem-koffer-eine-spannende-ausstellung-von-manfred-blieffert-zum-widerstand-im-osnabrueck-der-ns-zeit/

https://os-rundschau.de/os-und-umzu/westfaelischer-friede/or-serie-zum-375-jubilaeum/parolen-aus-dem-koffer-ein-projekt-des-ilex-kreises-mit-einer-ausstellung-von-manfred-blieffert/

https://www.noz.de/lokales/hasbergen/artikel/wie-normale-osnabruecker-gegen-die-nazis-widerstand-leisteten-45450620

Bild oben: Sie freuen sich über eine gut besuchte Präsentation. Von links nach rechts: Burkhard Fromme (Leiter des Kulturbüros beim Landkreis Osnabrück), Dr. Michael Gander (Gedenkstättenverein), Dieter Przygode, Heiko Schulze, Hartmut Böhm (ILEX-Kreis), Adrian Schäfer (Bürgermeister Hasbergen) und Künstler Manfred Blieffert. Fotoausschnitt: Verein Gedenkstätten Augustaschacht-Gestapokeller.

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