Bremer „Zollhausboys“ zaubern Musik, Poesie und Kabarett auf die Bühne

Gut besuchte GEW-Veranstaltung im Haus der Jugend

„Musik und Theater können Brücken zwischen Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen schlagen und dazu beitragen, dass aus der „Willkommenskultur“ keine „Wokommenwirdenndahin-Kultur“ wird“, lautet eine Feststellung auf der Homepage der „Zollhausboys“. Zwei der Musizierenden stammen aus Bremen, die meisten von ihnen aus den syrischen Städten Aleppo und Kobani. Alle nennen sich Zollhausboys, weil ihre gemeinsame Geschichte in jenem Gebäude begann, in dem das Land Bremen nach der großen Flüchtlingsströmen anno 2015 eine von der AWO betriebene Landeserstaufnahmestelle für Menschen, vorwiegend aus dem Bürgerkriegsland Syrien eingerichtet hatte. Gefunden hat sich ein multikulturelles künstlerisches Sextet, das in dieser Form in Deutschland nur selten zu finden sein dürfte.

Angekündigt waren Musik, Poesie und Kabarett. Eingeladen hatte die Erziehungsgewerkschaft GEW in Gestalt ihrer Kreisverbände Osnabrück-Stadt und -Land. Das, was am Freitagabend im großen Saal des Hauses der Jugend vor voll besetzten Stuhlreihen erlebbar war, dürfte alle Erwartungen weit übertroffen haben.

Die Gruppe um die „Ur-Bremer“ Pago Balke und Thomas Krizsan, zu denen sich Shvan Sheikho, Azad Kour und Ismaeel Foustok gesellt haben, ist seit Jahren eine eingespielte Gruppe. Komplettiert wird das Männerquintett durch die Berliner Sängerin und Songwriterin Selin Demirkan. Dass alle in der Lage sind, auf professionelle Weise ein wahres Feuerwerk an Rhythmen, Gesang, Poesie, Kabarett, tiefgründigen Texten wie Comedy, zugleich ungemein viel Nachdenklichkeit und politische Botschaften zu produzieren, wurde eindrucksvoll dokumentiert. Kurzum: Freundinnen und Freunde, die gern Spannendes, Bitteres und Witziges kombiniert sehen möchten, kamen voll auf ihre Kosten.

 

Probleme einer kränkelnden Welt

Die Themen, die auf die Bühne des großen Saals gebracht wurden, umfassten mehr oder weniger alle zentralen Probleme unserer kränkelnden Welt. Alles war in unterschiedlicher Weise flankiert mit projizierten Bildern aus brutalem Kriegsgeschehen, verletzbarer Umwelt bis hin zu strömenden Wassermengen. Zuweilen kam deshalb das Gefühl auf, der globale Klimawandel würde gewissermaßen auf eine Bühne fluten. Heimat, Homeoffice während Corona, Klimawandel, Rechtsradikalismus und ein Lied für Sophie Scholl – das sind einige der Themen, welche die Zollhausboys musikalisch bis poetisch ansprachen. Nicht nur der zuletzt genannte Titel ist zugleich eine kulturelle Attacke gegen den Rechtspopulismus und, so im Originalton der Aufgetretenen „gegen das Fremdeln gegenüber den Menschen, die hier gelandet und gestrandet sind.“

Das Programm, welches den ehrgeizigen Spagat zwischen ruhigen und lauten Momenten schaffte, erheiterte, informierte und gab zugleich Denkanstöße zum eigenen Handeln. Jedes einzelne Mitglied der Gruppe hatte seinen eigenen Song und Auftritt, so dass ganz individuelle Schwerpunkte gesetzt werden konnten. Aber auch ein sympathisches Bild der neuen Heimat ehemaliger Geflüchteter fand den Weg auf die Bühnenbretter. Eine geradezu euphorische Hymne über Bremen („klein, pleite und sympathisch“) zählte ebenso dazu wie das Solo Shvan Sheikhos mit dem Titel „Was sagt „der Deutsche in mir?“ Abgerundet wurde das Spiegelbild über klassische Deutsche mit einem herrlichen Blick auf deutsche Kochvorlieben, die Azad Kour wortreich und mit Tanzeinlagen mit syrischen Speisevorlieben verglich. Letztendlich sind aus dem Leben und Liedern der Gruppe die Sehnsucht nach der Heimat, der Blick auf Deutschland oder das Drama der Geflüchteten in Moria naturgemäß nicht hinweg zu denken.

 

Weiterer Auftritt geplant

Nachdem die Zollhausboys mit ihren beiden ersten Programmen über 15.000 Menschen begeistert, berührt und erheitert haben, dann von Corona ausgebremst wurden, scheint es mit der Gruppe bei ihrem dritten Aufschlag jetzt wieder aufwärts zu gehen. Wer sich für die Zollhausboys interessiert und keine Gelegenheit hatte, im Haus der Jugend dabei zu sein, kann seine Neugierde in wenigen Wochen befriedigen: Am Donnerstag, 28. April, 19.30 Uhr gastieren die Zollhausboys im EMA-Theater. Karten sollen noch zu haben sein.

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