Über 1.200 Menschen bei der Demonstration vor der CDU-Parteizentrale
Mehr als 1200 Personen jeden Alters hatten sich am 30. Januar 2025 zu einer Demonstration vor der Parteizentrale der Union am Osnabrücker Wall zusammengefunden. Trotz aller Vorgaben erstreckte sich der als “Eilversammlung” angemeldete Protest schnell über beide Fahrspuren. Der Verkehr in Richtung Martinistraße kam kurzzeitig vollständig zum Erliegen, der Wall musste von der Polizei abschnittsweise gesperrt werden. Zu viele Osnabrückerinnen und Osnabrücker wollten, ausgerüstet mit Bannern, Trillerpfeifen und Schildern, an diesem nasskalten Januarabend ihrer Wut Luft machen.
Für den Osnabrücker Protest zeigten sich die Mitglieder der antifaschistischen Mitmachkampagne „Den Rechten die Räume nehmen“ verantwortlich. Unter dem Slogan gegen Faschismus riefen sie am Donnerstag Vormittag zu der Spontankundgebung auf.

Ihren in den sozialen Medien zahlreich geteilten Appell unterstrichen die Aktivist*innen durch ein auffällig gestaltetes Plakat, an dessen linker unterer Ecke eine Definition des Begriffes „Stiefellecker“ zu sehen war: eine unterwürfige Person. Sinnverwandtes Wort: Steigbügelhalter.
Denjenigen, die das politische Geschehen innerhalb der Bundesrepublik in den letzten Tagen verfolgt haben, wird es kaum schwerfallen, diese Anspielung zu verstehen. Denn nur zwei Tage nachdem am 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im Bundestag demonstrativ den Opfern des Holocaust gedacht wurde, hat die CDU erstmals einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik mit Hilfe der AfD durchgesetzt. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz ließ bereits im Vorfeld erkennen, dass er Stimmen der rechtsextremen Partei bewusst in Kauf nahm. Von der Parteilinie Abweichende gab es kaum, das zeigt die Liste der namentlichen Abstimmungen.
(K)eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen
“Keine Zusammenarbeit mit rechtsextremen Parteien.” Jahrzehntelang konnten sich die deutschen Parteien auf Bundesbene zumindest auf diesen Minimalkonsens verständigen. Mit dem jüngsten Vorgehen haben die “Christdemokraten” (mit eifriger Unterstützung der FDP) dieses im Volksmund als “Brandmauer” bekannte Prinzip endgültig aufgekündigt. Angefeuert von grandiosen Visionen von einer die innere Sicherheit garantierenden Wende der Asylpolitik sowie der selbstzufriedenen Überzeugung, die rechsextremen Kräfte unter Kontrolle halten zu können, gingen Friedrich Merz und die konservativen Kräfte im Bundestag einen folgenschweren Pakt mit der AfD ein.

Das Unvermögen des konservativen Spektrums
Von gravierenden Folgen wollen in Union und FDP jedoch nur wenige etwas hören. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verteidigte im Anschluss an die Sitzung am Mittwoch den Kurs seiner Partei und beschwörte (trotz aller gegenteiligen Einschätzungen) der FAZ gegenüber das weitere Fortbestehen der “Brandmauer”: Wir stehen zu unserem Wort. Wir werden mit der AfD nicht zusammenarbeiten. Und Dr. Mathias Middelberg, dessen Konterfei zurzeit überall in Osnabrück zu sehen ist, bezeichnet den Vorwurf einer Zusammenarbeit mit der AfD als absurd. Schuld trügen vielmehr SPD und Grüne, die sich einer Kooperation mit der Union in der Migrationsfrage verweigert hätten.
Solche Aussagen erscheinen im besten Falle wie naive Illusionen, im schlimmsten Falle wie blanker Hohn. Denn das Handeln der Union und die müden Erklärungsversuche ihrer Vertreter erzeugen nicht das gewünschte Sicherheitsgefühl. Vielmehr zeigen sie unserer Gesellschaft erneut auf, wie leichtfertig (konservative) Politiker*innen historische Verantwortung und jahrelang hochgehaltene Grundsätze taktischen Machtspielchen und populistischen Phantasien zu Liebe opfern. Und wie wenige von ihnen sich der Tragweiten eines solchen Tabubruchs bewusst sind. Und so dominieren wenige Wochen vor der Bundestagswahl 2025 in breiten Teilen der Bevölkerung Verunsicherung, Resignation und Wut.
Hoffnung bei Demoteilnehmer*innen in Osnabrück
Es scheint jedoch auch zaghafte Zeichen der Hoffnung zu geben. Allein am Donnerstag und Freitag sind deutschlandweit über 90 Demonstrationen angemeldet worden. In zahlreichen Städten kam es nach Angaben des Aktionsbündnisses “Widersetzen” bereits zu Kundgebungen, Demonstrationen und Sit-Ins mit tausenden Teilnehmenden. Und in Osnabrück haben am Donnerstagabend mehrere Redebeiträge die Menschen der Stadt zur weiteren Mobilisierung und gemeinschaftlichen Protest eingestimmt. Die enthusiastischen Reaktionen und die große Anzahl an Teilnehmer*innen gibt hoffentlich nicht wenigen der am Donnerstagabend in Osnabrück Versammelten Kraft für die kommenden Wochen. Die OS-Rundschau wird auch alle künftigen Aktionen und Veranstaltungen aktiv begleiten.