Vorzeigehotel und Hitler-Adresse
In dieser Folge unserer Serie geht es um einen historisch legendären Begegnungsort, den es seit Kriegsende nicht mehr gibt: das Hotel Germania. Gestanden hat es seinerzeit an der Möserstraße 20/Ecke Wittekindstraße. Heute steht dort die Bauruine von Galeria Kaufhof.
Bevor das äußerst imposante Gebäude spätestens 1903 an den Markt ging, besaß es nur wenige Jahre zuvor ein Vorgängerhaus: Das erste Hotel Germania stand auf der gegenüberliegenden Seite, Wittekindstraße 23/Eck Möserstraße. Heute ist dort der große Baukomplex der Sparkasse zu finden.

Doch Hotelier Eduard Petersilie senior reichte diese Örtlichkeit für seine ambitionierten Vorstellungen nicht aus. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, später jahrzehntelang erste Osnabrücker Kaufhaus-Adresse, errichtete er das neue Germania. Das alte Gebäude überließ er für gutes Geld der regionalen Handwerkskammer, die 1900 gegründet worden war und im repräsentativen Haus bis zu dessen Zerstörung 1944 residierte.
Der alte Petersilie machte aus dem vormaligen Hotel „Drei Kronen“, das er vom Vorgänger Albert Dröge erworben und wuchtig aufgestockt hatte, ein imposantes Hotel im Gründerzeit-Stil. Dröge selbst hatte das Haus 1894 übernommen. Bereits er hatte die vorhandene Außenanlage, die bis zur Hase hinunterreichte, in einen Lustgarten umgestaltet, der den Gästen alle denkbaren Annehmlichkeiten bot. Im Winter hatte man sogar Hasewasser in den Garten pumpen lassen. Das damalige Wetter, mehr als ein Jahrhundert vor dem Klimawandel, ließ das Flusswasser fast den ganzen Winter lang zu einer Eisbahn gefrieren. Elegant gekleidete Damen und Herren drehten auf der Eisfläche mit Schlittschuhen ihre Pirouetten.
Das neue Hotel Germania etablierte sich seit der Jahrhundertwende als „Erstes Haus am Platze“. Speziell galt es, wie es in der Eigenwerbung hieß, als „eines der besuchtesten Häuser der Provinzialstädte Nordwestdeutschlands“. Gäste konnten aus 56 Zimmern auswählen. Hinzu kam ein edles Restaurant mit Saalbetrieb, Weinstuben, Kleinkunstbühne und einem großem Kaffee- und Konzertgarten. Die Außenanlage, die bis zur Hase hinunterreichte, galt als „Lustgarten“ mit Sitzgelegenheiten in Veranden und auf Terrassen, überdachten Wandelgängen.
Tierliebhaber fanden ein Gehege für Eichhörnchen und eine große Vogelvoliere. Im Mittelpunkt des Areals sorgte ein Springbrunnen in heißen Sommern für angenehm gekühlte Luft. Eine Konzertmuschel bot die Bühne für musikalische Unterhaltung aller Art. Für Ruderbootfreunde gab es einen Bootsanleger am Flussufer, um von dort aus über die Hase zu paddeln. Ehrungen des Machers folgten: Hotelier Petersilie wurde im November 1911 zum „Fürstlich Lippischen Hoflieferanten und Hofrestaurateur“ ernannt. Für ihn, der vor der Jahrhundertwende Koch und später Geschäftsführer bei Hoflieferant Schorn gewesen war, bedeutete diese Auszeichnung den vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere.

Den riesigen Erfolg seines Hotels festigte Eduard Petersilie junior in den 1930er-Jahren wohl auch durch überaus enge Bande zu den Größen des NS-Regimes, die allzu gern bei ihm nächtigten. Erich Maria Remarque nahm Petersilie in seinem 1923 spielenden Osnabrück-Roman „Der schwarze Obelisk“ aufs Korn, indem er ihm den Namen Eduard Knobloch verpasste. Genüsslich karikierte der Weltliterat den Provinz-Hotelier mit dessen dichterischen Ambitionen und ließ ihn romanhaft auf kleine Schummeleien mit inzwischen wertlos gewordenen Essensmarken hereinfallen. Erstanden hatte der Romanprotagonist die Marken für inflationäre Geldsummen, die schon einen Tag später kaum etwas mehr wert waren.
Brüsten konnte sich Petersilie damit, zuletzt im Reichstagswahlkampf 1932, auch seinen Parteifreund und „Führer“ Adolf Hitler in edlen Räumen untergebracht und öffentlich öffentlich hofiert zu haben. Bereits seit 1925 (!) war Eduard Petersilie strammes NSDAP-Mitglied – und wurde in Osnabrück in braunen Kreisen bis 1945 wiederholt als „Alter Kämpfer“ hervorgehoben.
Der zweite Weltkrieg setzte dem Hotel Germania bereits 1942 ein Ende. Mehr als zehn Jahre lang beherrschten Trümmer das Grundstück. Erst das Kaufhaus „Merkur“ – zuletzt Galeria Kaufhof – an der Wittekindstraße sollte ab 1955 einen ersten städtebaulichen Akzent des modernen Bauens an Osnabrücks Ost-West-Achse setzen. Die heute trist anmutende Baulichkeit könnte eine Zukunft haben, wenn das vormals stolze Haus Nutzer*innen findet.