Vom Kult-Gasthaus zur Forschungsstätte
Wer sich dem Stadtteil Haste, vom Norden kommend, über die traditionsreiche Oldenburger Landstraße nähert, erblickt auf der linken Straßenseite hinter der Hausnummer 62 eine „Schankwirtschaft Schmied im Hone. Kaffeegarten“. Zumindest kündigt sich jene dort in Gestalt einer farbenprächtig aufgemalten Hausbeschriftung an. Doch die Inschrift täuscht. Schon seit 1984, also seit mehr als 40 Jahren, gibt es auf der stattlichen Anhöhe kein klassisches Gasthaus mehr.
In der langen Geschichte der Gastlichkeit war dies weit über 100 Jahre lang anders. Schon in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts wurde neben einem Schmiedebetrieb an der Lechtinger Chaussee, jetzt Oldenburger Landstraße, eine Schankwirtschaft mit dem Namen „Schmied im Hone“ unterhalten. Konzentriert hatten sich die Betreiber, der maßgebliche von ihnen hieß Sandmann, auf einen nicht konzessionierten Ausschank und auf den Verkauf von Branntwein. Endlos erfolgreich waren die Verkäufer offenbar nicht. Dem benachbarten Berghaus, bekannt unter dem Namen „Steinkamps Kaffeehaus“, erging es ebenso. Allerdings gesellten sich bei Steinkamp auch andere Probleme hinzu.
Denn es waren bei weitem nicht nur schön klingende Kommentare, mit denen er es zu tun bekam. Vor allem den Chefs des damaligen Bergwerks auf dem Piesberg passte es ganz und gar nicht, wenn die Kumpels sich im in „Steinkamps Kaffeehaus“ keineswegs dem schöngeistigen, aber eher teuren „Türkentrank“ widmeten, sondern sich mit harten Wassern die Kante gaben. Ein Schreiben der Werksleitung aus dem Jahr 1868 sprach eine klare Sprache:
„Daß die Kohlenfuhrleute hier ganz in der Nähe des Bergwerkes zum Branntweintrinken Gelegenheit finden, ist weder nöthig noch nützlich […] Endlich auch darf nach gesetzlichen Vorschriften dem Schmied Schürmann im Hohne auch aus dem Grunde keine Branntweins-Schenkconcession bewilligt werden, weil er wegen Uebertretungen von polizeilichen Vorschriften vielfach bestraft worden ist.“
Zugleich nahm die Grubenverwaltung aber den benachbarten „Kaffeewirth Steinkamp“ in Schutz: „Er wird nur deshalb um Concession nachgesucht haben, um dem Schmied als Concurrenten nicht einen Vorzug zu lassen.“
Waren es die gleichen Probleme in beiden Häusern? Gesagt, getan: Beide Seiten, Steinkamp und „Schmied“-Betreiber Sandmann, taten sich anno 1909 zusammen. Sie betrieben fortan das heutige Gebäude als Schankwirtschaft. Die neue Bezeichnung lautete zunächst „Kaffeehaus zum Schmied im Hone, vormals Steinkamp“. Schmied Sandmann wurde im gleichen Jahr zur Freude der Familie die Tochter Agnes geboren – jene legendäre „Sandmanns Agnes“, die in späteren Jahrzehnten eine Art Kultstatus erlangen sollte.
Zugute kam der Gastlichkeit jetzt immer mehr der Zugang aus beiden Richtungen. Kamen Reisende aus der Wallenhorster Nachbarschaft, oder gar aus dem entfernten Oldenburger Land, vorbei, nutzten sie gern den „Schmied im Hone“ als Ruhepunkt zum Rasten. Denn die Lage erwies sich, alle Himmelsrichtungen betrachtend, als ideal: Vor allem im 19. Jahrhundert waren es Fuhrleute und Boten, die die Bramscher Chaussee als Ausfallstraße nach Norden nutzten, um Ankum, Fürstenau, Quakenbrück oder gar Oldenburg und die Nordseeküste zu erreichen. Sie legten hier im Hone ihre erste Pause ein, ob ihre Pferde den Stopp nun brauchten oder nicht.
Auch die später besser hergerichtete Straße galt als gut befahrbar und eignete sich für Wagenausflüge – sei es mit Pferdegespann oder solchen mit Pferdestärken. Umgekehrt sprach sich vor allem der Kaffeegarten schnell in der Osnabrücker Bürgerschaft herum. So bewegten sich immer mehr Wandergruppen und Familien zum Stelldichein dorthin. Andere konnten den Ort bequem von den Endpunkten der Straßenbahn aus erwandern.
Nachbarorte mit historischer Bedeutung
Zu voller Blüte entwickelte sich der Treffpunkt dann tatsächlich während der Ägide der schon erwähnten Gastwirtin Agnes Sandmann, die immer nur „Sandmanns Agnes“ genannt wurde. Zugute kam auch ihr zunehmend die geografische Lage des Ortes. Ein Aufenthalt im „Schmied im Hone“ bedeutete nämlich einen Zwischen- oder Endaufenthalt für Geschichtsinteressierte. Berühmte Orte lockten immer wieder zum Aufsuchen.
Vor allem die in der Nähe befindlichen „Karlsteine“ besaßen dabei ihre besonderen Reiz. Sie zählen bis heute zu den bekanntesten Megalithanlagen Niedersachsens. Ihr Name leitet sich von einer Legende ab, wonach Karl der Große – um 780 herum – angeblich ein „göttliches Wunder“ an den Steinen vollbrachte. Karl spaltete danach einen der gewaltigen Decksteine mit einer schlichten Peitsche, nachdem der heidnische Sachsenfürst Widukind ein göttliches Zeichen verlangte.
Ebenso legendenumwoben ist das benachbarte „Kreuz im Hone“ oder „Karlskreuz“. Vermutlich am Ende des 19. Jh. von Freiherr von Ostman Honeburg errichtet, soll es jenen Platz bezeichnen, an dem Karl der Große im Jahre 783, während der Sachsenkriege, die erste christliche Messe in der Region abhalten ließ. Neuzeitliche Kreuze standen in der Zeit offenbar ab etwa 1750 dort und haben vorherige Kreuze ersetzt. Die zehn Rotbuchen, die das Kreuz heute einrahmen, wurden 2003 neu gepflanzt.
Ein weiteres Nahziel bildete naturgemäß der Piesberg, bis zur Jahrhundertwende eine Bergbauadresse, später ein Geheimtipp für besondere Bergtouren.
Sandmanns Agnes zapft weiter
Unabhängig von den attraktiven wie geschichtsträchtigen Nachbarorten: Selbst zwei Weltkriege sollten dem Erfolg der Gastlichkeit nichts anhaben. Zu echter Blüte gelangte man auch noch in der Zeit des Wirtschaftswunders. Einen kleinen Bruch in der Weiterentwicklung bedeutete die am 1. September 1965 eingeweihte und sogar vierspurige Hansastraße, welche die Oldenburger Landstraße zu einer kleinen Nebenstraße machte. Durchreisende, welche die Gastlichkeit aus Zufall willkommen wahrnahmen, trudelten plötzlich nicht mehr ein.
Es war aber wieder die legendäre Gastwirtin Sandmanns Agnes, die unverdrossen bis ins hohe Alter weiter zapfte, servierte und mit den Gästen klönte. Bis zum Herbst 1984 hielt sie durch. Dann war Schluss. Der Pachtvertrag mit Baron Ostmann von der Leye war nach 58 Jahren ausgelaufen. Schmied im Hone schloss seine Türen. Sandmanns Agnes ging mit 75 Jahren als Osnabrücks dienstälteste Wirtin in den Ruhestand. Auf die Frage, ob ihr im Ruhestand die Stammgäste fehlen würden, soll sie gesagt haben: „Wohl nicht. Eher ich den Stammgästen.“ 18 Jahre lang sollte der Gebäudekomplex leer stehen. Das denkmalgeschützte Gaststättengebäude drohte zu verfallen.
„Schmied im Hone“ heute: eine Forsch, Lehr- und Brauadresse
In den folgenden Jahren gab es immer wieder zarte Versuche, den „Schmied im Hone“ wiederzubeleben. Dann geschah endlich doch das Unwahrscheinliche: Mit dem Eigentümer Dominik Freiherr Ostman von der Leye wurde ein neuer Pachtvertrag abgeschlossen. Die Osnabrücker Hochschule investierte rund fünf Millionen Euro in den Neubau und sanierte den Altbau für etwa 1,2 Millionen Euro. Auf dem Gelände ist jetzt ein Neubau mit einer Bruttogeschossfläche von 1525 Quadratmetern für die Hochschule Osnabrück entstanden. Er wird seit 2012 rege genutzt. Die Bildungsstätte tritt beim „Schmied im Hone“ als Mieter auf. Studierende der Fakultät Agrarwissenschaft und Landschaftsarchitektur schmieden an ihren Fächern, besser gesagt: Sie forschen und lernen dort in Laboren für Lebensmitteltechnik.
Und hin und wieder zapfen sie auch, weil die Studis mitsamt ihren Profs ein ganz besonderes Bier kreiert haben, das unter Liebhaber*innen als Geheimtipp gilt. „Haster hell“ und „Haster dunkel“ bilden Eigenprodukte aus der Brauanlage des neuen Technikums. Im Erdgeschoss des Altbaus ist so, kein Wunder bei dieser Tradition, tatsächlich etwas Kneipenatmosphäre gewahrt worden, einschließlich des Tresens und der alten Zapfanlage. Versichert wird allen Skeptiker*innen mit erhobenem Zeigefinger, dass der Zapfhahn nur zu eng begrenzten Zeiten, mal nach Feierabend oder zu „Campusnächten“, in Betrieb genommen wird. Denn der Schankraum soll den Studierenden zu normalen Zeiten allein als „Lernlandschaft“ dienen – nur bei besonderen Anlässen zum gemeinsamen Umtrunk. Prost denn auf die Zukunft des „Schmiedes“!