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Montag, 31. März 2025
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Helmut Rieckens Ansichtskartensammlung, Teil 19: Hüggelmeyer an der Bremer Brücke

Kult-Kneipe am Kult-Stadion

Für altgediente VfL-Fans war die Gaststätte ein halbes Jahrhundert lang ein Ort mit Kult-Charakter: Hüggelmeyer an der Bremer Brücke! Über Jahrzehnte hinweg wurden dort Spiele vor- und nachbereitet. Leidenschaftlich wurden Trainer-. Taktik- und Aufstellungsfragen debattiert. Nicht selten gab man sich die Kante, so dass die Dispute ein wenig an Fachlichkeit und Sachlichkeit abnahmen.

Die Gastlichkeit an der Bremer Brücke besaß allerdings eine Geschichte, die weit älter ist als die erste Fußballmannschaft Osnabrücks. Bereits 1878, in jenem Jahr, als Reichskanzler Otto von Bismarck SPD und Gewerkschaften verbot und zu kriminellen Vereinigungen machte, kreuzte an der Bremer Brücke ein gelernter Tischler auf. Sein Name war Heinrich Mathias Hügelmeyer. Er übernahm das Gebäude und meldete mit der Adresse „Schinkel 179“ die „Schenkwirtschaft Hügelmeyer“ an.

Noch 36 Jahre, bis 1914, sollte es fortan dauern, bis die bis dahin selbständige Gemeinde Schinkel in die Stadt Osnabrück eingemeindet wurde und seither zum Stadtteil wurde. Die  Adresse lautete mittlerweile „Bremer Straße 4“. Irgendwann im Laufe der Jahre muss die Familie Hügelmeyer, ein Standesbeamter soll dies irrtümlich verursacht haben, um ein „g“ erweitert worden sein, so dass der legendäre Wirtsname Hüggelmeyer seither bei Arbeitern des benachbarten OKD oder des Stahlwerks, später auch bei Fußballfans mit einem Dpppel-g in vieler Munde  sein sollte.

Die Fotokarte von 1928, noch gab es keinen Sportplatz, zeigt Kutschen beim Schützenumzug vor der Gaststätte.
Die Fotokarte von 1928, noch gab es keinen Sportplatz, zeigt Kutschen beim Schützenumzug vor der Gaststätte.

Wirtssohn Heinrich Hüggelmeyer, Jahrgang 1905, schickte sich nach der Volksschulzeit an, die Geschäfte des Vaters zu übernehmen. Heinrich war nicht nur Gastwirt, der sich auf das kaufmännische Geschäft verstand, sondern auch ein vorzüglicher Kicker, der beides miteinander verband. Fußball spielte er zunächst beim VfL-Vorläufer Ballspielverein 1905, dann, nach dem 1. Weltkrieg, ab 1921 bei den lila-weiß gedressten Ballzauberern des Ballspielvereins von 1899. Kurz kickte er beim 1925 fusionierten VfL, ab 1927 bei den „jungen Wilden“ der VfL-Abspaltung SC Rapid. Hüggelmeyers Trupp lief ebenfalls in lila-weiß auf und bildeten eine starke Konkurrenz zu den schwarz-weiß gewandeten, aber höherklassigen VfLern. Hüggelmeyer galt als Star: In 176 Spielen, so vermeldet es die Statistik, schoss Heinrich sagenhafte 176 Tore.

Seine Qualitäten als Geschäftsführer bewies Heinrich, den alle nur Heini nannten, bei der Herrichtung einer durch den SC Rapid vom nahen Stahlwerk angepachteten Fläche an der Bremer Brücke, über die reger Zugfernverkehr zu vernehmen war. Mühselig musste der moorige Untergrund gefestigt werden. Mit Hilfe vieler Vereinsmitglieder und Arbeitsloser, die sich ein Zubrot im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des Arbeitsamtes verdienten, wurde die „Kampfbahn Bremer Brücke“, die 1933 eingeweiht wurde, in den Folgejahren zum festen Begriff. Spätestens nach der Fusion mit dem VfL anno 1938 begannen auf dem Platz die ersten Spiele vor großem Publikum.

Als der VfL seinen vorherigen Platz an der Gartlage infolge einer Übernahme durch das Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerk verlassen und zur „Brücke“ umziehen musste, sollte der Platz zu jener Kultstätte werden, die er bis heute heute besitzt. 1939 wurde dort bereits mit großem Publikum ein sensationeller Pokalsieg gegen den damaligen deutschen Dauermeister Schalke 04 gefeiert.

Der Schnappschuss zeigt eines der ersten Großsspiele des VfL an der Bremer Brücke, aufgenommen mutmaßlich 1939 während des Pokalspiels gegen Schalke 04. Rechts im Hintergrund: das Schinkeler Heim der dort agierenden Hitlerjugend, das im Krieg zerstört wurde.
Der Schnappschuss zeigt eines der ersten Großsspiele des VfL an der Bremer Brücke, aufgenommen mutmaßlich 1939 während des Pokalspiels gegen Schalke 04. Vorher als Laufbahn genutzte Flächen dienten als Untergrund für Sitzbänke. Rechts im Hintergrund: das Schinkeler Heim der dort agierenden Hitlerjugend, das im Krieg zerstört wurde.

Heini Hüggelmeyer musste im Krieg als fern stationierter und um sein Leben kämpfender Soldat erleben, dass sowohl „seine Gaststätte“ als auch „sein“ Fußballplatz erhebliche Kriegsschäden erleiden mussten. Als der VfL allerdings zu Anfang der Nachkriegszeit an alte Triumphe anknüpfen konnte, 1950 und 1952 sogar in der Endrunde zur Deutschen Meisterschaft mitkickte, wurde auch die Kapazität der „Kampfbahn“ auf über 30.000 Plätze imposant erweitert. Dass spiegelbildlich die Besuchszahlen in Hüggelmeyers Gaststätte stiegen, war beinahe eine logische Konsequenz von der wachsenden Publikumsresonanz.

Nie verschmerzt haben es Stammgäste, vor allem jene aus VfL-Fankreisen, dass die Traditionsgaststätte 1992 verkauft wurde. Seither fängt die Bremer Brücke gefühlt erst 50 Meter weiter an.

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