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Samstag, 11. Oktober 2025

Literarische Verschnaufpause

Warum man das Buch „Liebe ist ganz anders“ von Bernhard Schulz unbedingt studieren sollte

Suchen Lesende dieses Beitrags das manchmal auch? Drucklösende gedankliche Ausflüge in das Irgendwo, die in einer knappen Viertelstunde das ersehnte „Made my day“ produzieren? Kurze Trips in die Alltage vertraut klingender Protagonisten, für die man allenfalls eine geruhsame Atempause benötigt? Ich habe da einen Tipp: Man besorge sich doch bitte das Büchlein „Liebe ist ganz anders“ von Bernhard Schulz! Und man dekoriere die eigene Lesefreude zugleich mit unnachahmlichen Zeichnungen des legendären Osnabrücker Strichkünstlers und „Männeken-Malers“ Fritz Wolf. Fertig ist das „Made my day“.

Man findet den kleinen Band mit weißem Cover eher beim zweiten Gucken inmitten der „Osnabrugensien“ einschlägiger Buchhandlungen, in der das Repertoire zu Osnabrück abrufbar ist. Falls Augen nicht fündig werden, sind sympathische Angestellte schnell und unkompliziert beim Finden behilflich. Ich garantiere: Es wird nicht lange dauern!


Durchgenudelter Titel?

Naja, ich ahne es, der Titel klingt so verdammt durchgenudelt. „Liebe ist ganz anders“ … Auf den ersten Blick ist man versucht, gähnend wegzugucken oder sich gar mit dem Zeigefinger auf die Stirn zu tippen. Denn sobald ein Buch mit „Liebe“ überschrieben wird, ist auch mein Interesse eigentlich schnell abrupt beendet. Allein minimale Gedankenflüge über horrende Schlager, schnulzige Schmonzetten, Bastei-Romane oder das nackte Fernseh-Grauen in Form von Rosamunde Pilcher, Inga Lindström oder stumpfen Film-Komödien mit Textbausteinen in Dauerschleife wecken höchstens den panischen Suchbefehl nach der Wegdrücktaste.

Bei Schulz und seinem Bändchen „Liebe ist ganz anders“ ist aber nicht unbedingt „Liebe“, sondern das „ganz anders“ entscheidend. „Ganz besonders“ wurde dagegen vorgegangen, von über 2.000 (!) überlieferten Schulz-Kurzgeschichten unbedingt die vorfindlichen 37 (!) auszusuchen. Und tatsächlich: Das ganze Büchlein ist dies in der Tat: Es ist „ganz anders“! Völlig anders sogar. Bereits die Selbstbeobachtung ist interessant: Wenige Sätze von Bernhard Schulz reichen, um sich postwendend auf die Kurzgeschichte einzulassen und diese, Story für Story, angetan zu Ende zu lesen.

Fundstellen des eigenen Ich

Es beginnt mit rührseligen Erinnerungen an die eigene Kindheit, bei denen natürlich nicht die erzählte Kurzgeschichte, sondern vertraute Gefühle hervortreten. Der Ich-Erzähler wird zum Ich. Das eigene Ich ist ruckzuck im Geschehen und fühlt mit. Bei der Geschichte „Rosita am schwankenden Mast“ etwa passiert das. Hier wird liebevoll von der jungenhaften Zuneigung des Ich-Erzählung zu einer kindlichen Zirkus-Artistin erzählt, die ihre Akrobatik für einen ausbeuterischen Zirkusdirektor am Ende mit dem eigenen Leben bezahlt. „Es war sein einziges Eigentum“ erzählt von der herzzerreißenden Sehnsucht eines kleinen Waisenjungen, der mit der Bahn von einer spröden Aufsichtsperson zum nächsten seelenlosen Heim transportiert wird und in Wahrheit nichts als ein wenig Liebe sucht. Andere Geschichten suchen sich ihre Protagonisten in Büros, auf Schützenfesten, in Arztpraxen, auf Bauernhöfen, im Schulalltag oder im Urlaub, im Fundbüro oder in der Kneipe. Berichtet wird auch über tiefe Liebschaften zu Vögeln bis hin zu Basteleien – weil das eben auch echte Liebe sein kann. Temperaturwechsel versprechen Stories aus dem Sommer bis hin zur Weihnachtszeit. Dass Schulz auch menschliche Zuneigungen oder frisch geweckte Freundschaften mit seiner anderen Art der Liebe kreieren kann, dokumentiert er mit überzeugender Erzählfreude.

Schulz 1946 als Redakteur der ersten Osnabrücker Rundschau
Redakteur Bernhard Schulz mit der OR-Erstausgabe, 1. März 1946

Vorwarnung

Ach ja, dies gilt es vor der Lektüre anzumerken: Alle Erzählungen bilden Spiegelbilder ihrer Zeit, die in diesem Fall mit der frühen Nachkriegszeit beginnt. Es strotzt also nur so vor lauter „Fräuleins“ und Höflichkeitsformeln, die längst in der rhetorischen Mottenkiste verharren. Aber Dokumente  der Sprachgeschichte bergen zugleich einen kostenlosen Grundkurs in die Historie unserer Kommunikation – am Beispiel der „Liebe“ als zeitlosem Anker. Ein kleiner Schlenker etwa zu Gegnern jeder Rechtschreibreform oder den Todfeinden des Genderns: Benötigen wir einen besseren Beweis, dass sich Sprache ständig ändern darf?


Schulz und Wolf: bekannte Größen

Dem Lesepublikum der Osnabrücker Rundschau sind Bernhard Schulz und Fritz Wolf keine Unbekannten. Zwischen 2021 bis 2023 haben wir in der OR zumeist im Wochenwechsel eine Kurzgeschichte von Schulz gebracht – in fast allen Fällen angereichert mit einer passenden Zeichnung von seinem guten Freund und Kollegen Fritz Wolf. Umfangreich vorgestellt hat der Autor dieses Beitrags Schulz, einem frühen Redakteur der ersten Osnabrücker Rundschau, in jenem Bericht, der hier anzuklicken ist: https://os-rundschau.de/featured/koepfe-aus-der-geschichte-der-osnabruecker-rundschau-teil-4-bernhard-schulz/ Wer noch tiefer in die Schulz-Welt eintauchen möchte, sei auf die liebevoll von Sohn Ansgar Schulz-Mittenzwei gepflegte Homepage https://bernhardschulz.de/ verwiesen.

Nun aber erstmal ran ans Werk: Liebe ist ganz anders …

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