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Donnerstag, 13. März 2025
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Merz als Zocker – und das Kalkül der Demütigung

Was nach der Bundestagswahl drohen könnte

Wenn Friedrich Merz eines Tages auf sein Leben zurückblickt, wird er sicher sehr zufrieden mit sich sein und höchstens ein Versäumnis einräumen: Er wurde zweihundert Jahre zu spät geboren und konnte den Kapitalismus nicht mehr erfinden. Immerhin hat er aber anno 2008 seinen persönlichen Katechismus „Mehr Kapitalismus wagen“ auf den Büchermarkt gebracht. Vollzogen hat er dies ausgerechnet in einer scheinbar vergessenen Zeit, als alle Welt über die Begrenzung der Macht des Finanzkapitals und mithin über eine Eindämmung des Kapitalismus diskutierte. Vergessen?


Neoliberales Mantra als fiktive Wirklichkeit

Erinnern wir uns: Die Finanzkrise, die im September 2008 mit der Insolvenz der einstigen Investmentbank Lehman Brothers verheerende Ausmaße erreichte, erschütterte zuerst das Finanzsystem der Welt und ging dann nahtlos in eine Verschuldungskrise in Europa über.

Merz und Neoliberale von Union, FDP bis hin zur AfD deuten die damalige Finanzkrise bis heute als „Staatsschuldenkrise“ um, weil seinerzeit Steuergelder für verprasste Mittel der zockenden Finanzjongleure herhalten mussten. Spätestens seither sind Abbau des Sozialstaates, Privatisierung öffentlicher Unternehmen, Aushöhlung des Kündigungsschutzes und Begrenzung der „Staatsverschuldung“ umso vehementer an der Tagesordnung. Benachteiligte müssen kürzer treten, damit Reiche und jene Superreichen ihre Geldspeicher füllen, für die Dagobert Duck ein Waisenknabe aus Entenhausen wäre.

Perverser kann eine Umkehrung des Schuldprinzips kaum sein. Aber zeigt so etwas, um es makaber auszudrücken, nicht auch eine verborgene Stärke? Merz, Linnemann, Lindner und die restlichen Menschen aus neoliberalen Eliten predigen sehr erfolgreich, dass Geflüchtete und Bürgergeldempfänger*innen die eigentliche Schuld an Problemen der Niedriglöhner*innen haben. In Talkshows der Marke Markus Lanz oder Maybrit Illner wird ihnen das alltäglich, völlig unbestritten abgenommen.


Die AfD als Knüppel – Demütigung als Prinzip

Wer immer noch meint, die Avancen des Friedrich Merz in Richtung AfD in der Migrationspolitik seien allenfalls ein Ausrutscher gewesen, unterschätzt den Zocker Merz maßlos. Gestützt auf aktuelle Umfragen, nach denen Merz-Fans all dies gar nicht so schlimm fanden, kann er zukünftig bei allem eines machen: Künftige Koalitionspartner, seien es Rote oder Grüne, können bis zur Unkenntlichkeit erpresst und vor allem gedemütigt werden. „Wenn Sie mir da nicht folgen, gibt es eben andere Mehrheiten!“, wird er liebend gern bei allen Streitfragen ausrufen. Besitzen Schulterzucken und Kopfnicken da noch eine Alternative?

Als Exkurs womöglich eine historische Parallele: Der christdemokratische Reichskanzler Heinrich Brüning setzte ab 1930 auf brutalsten Abbau des Sozialstaats, kürzte Renten und Gehälter. Gestützt wurde er für diese unselige Politik durch Stimmenthaltung von der damaligen SPD, die einen als Alternative drohenden Reichskanzler Adolf Hitler dadurch verhindern wollte.

Falls, was leider realistisch droht, die CDU-CSU nach der Bundestagswahl am 23. Februar als stärkste Fraktion in den Bundestag einzieht und Merz irgendwann mit der Regierungsbildung beauftragt wird, ist das Szenario bereits jetzt abzusehen: Mit dem Knüppel „AfD“ dürften alle Versuche Roter oder Grüner, soziale und ökologische Standards halbwegs zu halten, geschweige denn auszubauen, niedergeprügelt werden. Alles im Sinne der Demokratie, versteht sich, denn „die da“ von der AfD sollen ja – angeblich – nicht in die Verantwortung.

Das unselige Geplänkel um das „Zustrombegrenzungsgesetz“ zeigte bereits an, welche Agenda Merz und seine Claqueure erfolgreich verfolgen. Zwar wurde vorerst nicht alles mit dem Ziel, das Asylrecht defacto abzuschaffen, erreicht. Dass aber allein schon über einen Begriff wie „Zustrombegrenzung“ debattiert wird, in denen Menschen in Not mit Flutkatastrophen oder gar Tsunamis verglichen werden, ist ein erster Triumph von Merz und seinesgleichen. Für weltweit 120 Millionen Menschen auf der Flucht, die bislang fast alle in armen Staaten der Welt unterkommen, verheißen die Signale aus Deutschland nichts Gutes.

Auch die Demütigung demokratischer Gegner dürfte also zum Prinzip aller Koalitionsgespräche werden. Ob sich Rote oder Grüne so etwas gefallen lassen, ist eine andere Frage. Die Optionen verheißen allesamt nichts Gutes.


Was hat BlackRock mit Deutschland 2025 zu tun?

Erinnern wir uns: 2002 wurde Friedrich Merz von Angela Merkel, ziemlich rigide, als Fraktionsvorsitzender abgelöst. 2009 schied er für viele Jahre aus dem Bundestag aus. Als Lobbyist, vor allem als von 2016 bis 2020 amtierender Aufsichtsratschef des Finanzriesen BlackRock hat es Friedrich Merz spätestens dort gelernt, wie man klasse zockt. Schließlich hat er vor seinem gut gepolsterten Wiedereinstieg in die CDU-Politik erfolgreich den deutschen Pokertisch des Geld-Giganten regiert und seine Spielchips bis zum vorläufigen Abschied aus seinem alten Büro anno 2020 passgenau verteilt.

BlackRock? Klickt man sich durch das Internet, lassen sich Daten des kapitalistischen Finanzgiganten spielend schnell ermitteln. „Die Firma BlackRock ist der größte Vermögensverwalter und gleichzeitig das einflussreichste Finanzunternehmen der Welt. BlackRock ist bei vielen großen Aktiengesellschaften als Großaktionär vertreten, darunter Bayer, BASF, Allianz und E.ON. Damit geht ein hoher direkter und indirekter Lobbyeinfluss einher: Allein 2022 gab das Unternehmen nach eigenen Angaben circa 3,5 Millionen Euro für Lobbyarbeit aus“, erfahren wir schnell bei LobbyControl. „BlackRock gilt gemeinhin als Schattenbank, da sie nicht den Reglementierungen traditioneller Banken unterliegt und auch eine statistische Erfassung der Transaktionen weitgehend ausbleibt. Als ‚too big too fail‘-Privatunternehmen kann es in Krisenzeiten auf die Unterstützung von Staaten vertrauen“, erfahren wir weiter von den akribisch recherchierenden Lobby-Kontrolleuren.

BlackRock ist an allen bisherigen 40 DAX-Unternehmen beteiligt. Bei sieben davon ist der „schwarze Felsen“ sogar größter Anteilseigner. BlackRock ist außerdem der größte Einzelaktionär an der Deutschen Börse und über die Marke iShares im Geschäft mit börsengehandelten Fonds (ETF) tätig. BlackRock-Aktien haben in den vergangenen zehn Jahren per Saldo rund 220% (!) an Wert gewonnen, was einer jährlichen Steigerung von 12,3% entspricht. Fritze Merz weiß also tatsächlich, wie man reichen Leuten im Kapitalismus mächtig die Taschen füllt.

Was lernen wir? Bei BlackRock zählt es zur DNA, das hart verdiente Geld von Steuerzahlenden zum Wohle der eigenen Klientel zu verzocken. Eklatantestes Beispiel: Für Finanzinvestoren, die während der großen Finanzkrise auf BlackRock gesetzt hatten, hat es sensationeller Weise keine Finanzkrise gegeben! Im Gegenteil: Sie wurden schwerreich! Westliche Regierungen wie die von US-Präsident Obama hatten den Merz-Verein damals beauftragt, bankrotte Banken und Versicherungen mit Steuergeldern zu retten. Dies galt beispielsweise für unzureichend versicherten Kunden wie Goldman Sachs und die Deutsche Bank. Nicht umsonst unterstellte Werner Rügemer, Autor in den Blättern für Deutsche und internationale Politik, BlackRock schon im Jahre 2016 eine gewisse Einmaligkeit:

„Gemeinsam mit weiteren gleichartigen, aber kleineren Finanzinvestoren bildet Blackrock eine neue transnationale Macht, die sich grundlegend von der Politik der bisherigen Großbanken, traditionellen reichen Unternehmerclans und vereinzelten Staatsfonds etwa aus Norwegen, Katar und Saudi-Arabien unterscheidet. Denn Blackrock operiert hochgradig vernetzt.“

Die Methode der Roulette-Spieler im Edelzwirn, dies berichtet ebenfalls Rügemer, ist immer gleich: BlackRock, dessen Töchter und Klientel legen ihr von anonym bleibenden High Net Worth Individuals (HNWI), Unternehmensclans und Topmanagern erzocktes Geld weltweit vor allem in gut gehenden Mittelstandsfirmen an. Diese werden „restrukturiert“, sprich: in der Regel durch Personalentlassungen „verschlankt“ – und nach einigen Jahren gewinnbringend weiterverkauft.

Blackrock steht somit weltweit für Druck auf Sozialstandards und Löhne. Von einem Bundeskanzler Friedrich Merz, der diese Philosophie bis in die untersten Hautporen eingeatmet hat, ist folglich allein dieses zu erwarten.


Warum der Autor all dies erwähnt

Friedrich Merz hat seine früher grandios honorierten Tätigkeiten für BlackRock niemals ganz aufgegeben. Jüngstes Beispiel: Ein Auftritt von Friedrich Merz beim internationalen Weltwirtschaftsforum in Davos am 21. Januar. Der Unionskanzlerkandidat hat dort ganz offiziell eine Rede beim pompösen Abendessen des weltweit größten Vermögensverwalters gehalten. Eingeladen hatten das deutsche Alter Ego Larry Fink persönlich, Chef des Investmentgiganten.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich erinnerte danach im Spiegel daran, dass derartige Auftritte an jene „Deals“ erinnern, die ein Bundeskanzler Merz künftig mit dem demokratiefeindlichen US-Präsidenten Donald Trump aushandeln möchte. Merz’ Gastgeber und früherer Arbeitgeber BlackRock verstünde sich ebenfalls als „Dealmaker“, sagte Mützenich an gleicher Stelle. Das hätten viele Arbeitnehmer mit dem Abbau ihrer Arbeitsplätze oder der Abwicklung ihrer Firma bezahlt. „Merz“, so Mützenich, „sollte sich hüten, seine Erfahrungen als Finanzjongleur auf internationale Beziehungen zu übertragen“.

Kurzum: Wer unablässig, oft durchaus zu Recht, weiter auf die verflossene Ampelregierung einprügelt, könnte dieser Zeit in naher Zukunft durchaus nachtrauern. Ein Bundeskanzler Friedrich Merz, Schulterschlüsse mit Donald Trump und der europäischen Rechten, massiver Abbau demokratischer, sozialer und ökologischer Standards sind fest zu erwarten. Gepaart mit gedemütigten Roten oder Grünen sowie mit einer wachsenden AfD in Wartestellung. Noch ist alles durch ein anderes Wahlergebnis aufzuhalten. Packen wir es?

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