Neue Website für junge Fußballfans macht Lust für weiteres Forschen
Die Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht bieten Räumlichkeiten für ein Projektteam, das sich ein besonderes Thema vorgenommen hat: „Von einem Ort des Jubels zu einem Ort des Unrechts. Zwangsarbeitslager auf Fußball- und Sportplätzen“. Über erste Ergebnisse der Arbeit hatte die OR bereits informiert. Jetzt wird alles noch präziser und konkreter: Anlässlich einer Medienkonferenz sind nun wichtige Zwischenergebnisse der gemeinsamen Arbeit präsentiert worden.
Prototyp für neue Website
Vorgestellt wurde dabei ein Prototyp für eine neue Website, die Ende 2024 veröffentlicht und somit für alle zugänglich gemacht werden soll. Kernelement dieser Website wird eine digitale Karte sein, auf der die bislang erforschten Standorte von NS-Zwangsarbeitslagern auf ehemaligen Fußball- und Sportplätzen zugänglich gemacht werden (siehe unten).
Vor einem guten Jahr, im Januar 2023, hatte das Projekt seine Arbeit aufgenommen. Gefördert wird seither alles in der Bildungsagenda „NS-Unrecht“ von der „Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF). Wer immer in Deutschland und Österreich Interesse hat und Forschungsdrang entwickelt, speziell die Geschichte der nationalsozialistischen Zwangsarbeitslagern auf Fußball- und Sportplätzen aufzuarbeiten, ist herzlich zur Mitarbeit eingeladen. In erster Linie richtet sich das Angebot nicht nur an ausgewiesene Experten, sondern insbesondere an junge, historisch interessierte Fußballfans. Jakob Meyer, Vorstand der Stiftung EVZ, bringt diese Zielsetzungen auf den Punkt und lobt dabei insbesondere die Anstöße, die dazu aus dem Osnabrücker Raum gekommen sind:
„Die Stiftung EVZ fördert zukunftsweisende, aktivierende und partizipative Vorhaben im Sinne einer lebendigen Erinnerungskultur. Die Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht haben mit ihrer Projektidee einen Volltreffer im wahrsten Sinne gelandet. Historische Spurensuche schärft den Blick, macht Leerstellen sichtbar und setzt Denkzeichen im digitalen Raum. Das ist ein guter Weg, auch für die regionale Geschichtsaufarbeitung am Ball zu bleiben.“
In der Tat dürften die Vorarbeiten des Osnabrücker VfL-Bündnisses „Tradition lebt von Erinnerung“ nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, sich nun auch bundesweit und sogar in Österreich dieses Themas anzunehmen. Die Osnabrücker Aktivitäten hatten ja auch die Entscheidung des bundesdeutschen „!Nie wieder“-Bündnisses beeinflusst, ihre diesjährige Auftakttagung am 14. Januar in Osnabrück durchzuführen – wobei auch die Ereignisse an der Gartlage, siehe oben, eine wichtige Rolle spielten.
Zugang für Fußballfans und Sportbegeisterte
Dr. Michael Gander, Geschäftsführer der Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht, der maßgeblich am Projekt beteiligt ist, sieht einen weiteren Schwerpunkt für die vorgestellte Projektarbeit: „Wir möchten einen neuen und ansprechenden Zugang für Fußballfans und Sportbegeisterte zur Geschichte ihrer Sport- und Fußballplätze schaffen. Befördern wollen wir damit zugleich die Auseinandersetzung mit Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, die Millionen Menschen großes Unrecht angetan hat.“
Gute historische Nachforschungen und wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit bieten dabei zwei Seiten der gleichen Medaille. Um die Ergebnisse der Spurensuchen für die Öffentlichkeit sicht- und nutzbar zu machen, hat sich vor allem das Gestaltungsbüro „Kubikfoto“ als enger und sehr verlässlicher Partner bewährt.
Tom Koop von Kubikfoto beschrieb die gemeinsame Aufgabe anlässlich des Mediengesprächs auf Anfrage hin mit diesen Worten: „Die Thematik hinter dem Projekt ist hart und ernüchternd. Umso wichtiger ist es, diese Fakten in ein modernes Gewand zu hüllen, sodass es einer möglichst breiten Zielgruppe so angeboten wird, dass es allgemeinverständlich vermittelt wird. Unser besonderes Augenmerk liegt dabei auf der weiteren Nutzbarkeit. Inhalte sollen möglichst spannend, und zielgruppengerecht entdeckt werden, sodass möglichst viele unserer Themen und Erkenntnisse für die Spurensuche mitgenommen werden. Die Entwicklung einer solchen Plattform ist für uns eine echte Herzensangelegenheit. Darum freuen wir uns umso mehr über die tolle Zusammenarbeit.“
Mittlerweile gibt es, wie oben beschrieben, jenen Prototyp, der schon jetzt erste Einblicke in Ergebnisse sowie in die generelle Gestaltung und Zielrichtung der Website gestattet. Gero Kopp, im Projektteam für die Recherche zuständig, hat bereits auf dem besagten Treffen im Piesberger Gesellschaftshaus Mitte Januar eine eindrucksvolle Karte präsentiert, die später mit den Ergebnissen befüllt werden soll. Kopp zur OR: „Gesammelt wird bei uns bisher und zukünftig alles, was bei der gemeinsamen Recherche nützlich ist. Besonders spannend sind historische Dokumente aller Art. Genauso wichtig sind natürlich markante Fotos, Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, ältere, aber auch in der Nachkriegszeit entstandene Protokolle und persönliche Aufzeichnungen.“
Erste Bilanz: Mehr als 150 Standorte sind schon erfasst!
Die Bilanz der bisherigen Arbeit ist schon jetzt mehr als beachtlich: Rund 150 Standorte, die sowohl für Sportplätze wie später in den Kriegsjahren für Zwangsarbeitslager stehen, sind bereits erfasst worden. „Eine hohe Dunkelziffer“, so Kopp, „ist allerdings nach wie vor zu vermuten. Insofern ist es längst nicht bei der Erforschung der Osnabrücker Spielstätte an der Gartlage geblieben, die ab 1942 ein Zwangsarbeitslager wurde. Bei den bisher bekannten Standorten handelt es sich teilweise um sehr prominente Beispiele wie ehemalige Spielstätten von Eintracht Frankfurt und vom Hamburger SV, aber auch um höchstens regional oder lokal bekannte kleinere Vereine.“
Tina Schröter, pädagogische Projektmitarbeiterin des Projekts, zeigte anlässlich des Mendiengesprächs anhand von konkreten Beispielen auf, wie die interaktiven Elemente der Website angedacht sind. Schröter: „Wir haben verschiedene Formen von wissensvermittelnden Spielen geplant. Die Nutzerinnen und Nutzer sollen nämlich auch einen spielerischen Zugang zur Karte finden, indem sie einem Fußballfan dabei helfen, selbst zu recherchieren, um ein ‚Fanzine‘ zum Thema NS-Zwangsarbeit auf Sportplätzen zu schreiben.“ Tina Schroeter wird, das ist zu vermuten, speziell bei dieser Aufgabe ihre langjährige Erfahrung als Mitglied des Osnabrücker Fanprojekts nutzen können.
Begleitende Informationen, das ist ebenso klar, sollen ebenfalls die Chance beinhalten, sich dem Thema spielerisch zu nähern. Wichtig ist dem gesamten Projektteam, dass auch die „kleinen Geschichten“ zum Thema NS-Zwangsarbeit eine Rolle spielen. Tina Schröter ging hierfür auf das Schicksal des sowjetischen Zwangsarbeitenden Peter Andreew ein, der tragisch während eines Bombenangriffs ums Leben kam. Das Schicksal dieses Opfers zeigt: Bei der Annäherung an das Thema sollen vor allem auch persönliche Geschichten einzelner Zwangsarbeitender helfen. Denn eines ist eine Erkenntnis jedweder geschichtlichen Vermittlung: Gelingt es, historische Begebenheiten anhand persönlicher Schicksale, also Sehnsüchten oder Ängsten von Menschen, zu präsentieren, wird alles wesentlich leichter verständlich und nachvollziehbar.
Mitmachen können alle. Ob bei den Recherchen viel oder wenig gefunden wird, kann von Ort zu Ort ganz unterschiedlich sein. Wichtig ist zunächst, sich auf die Suche zu begeben. Das Projektteam ruft weiterhin Interessierte in Deutschland und Österreich dazu auf, sich aktiv bei der Spurensuche und bei deren Präsentation zu beteiligen.
Support bei der Spurensuche
Die Spurensuche im eigenen Verein, auf dem Sportplatz und in der Nachbarschaft wird gerne durch das Team im Augustaschacht unterstützt. Alle stehen gern mit Rat und Tat zur Seite. Ende 2024 soll der Öffentlichkeit die fertige Homepage präsentiert werden. Auch nach der Präsentation soll die Karte weiterhin mit Orten und markanten historischen Materialien gefüllt werden. Für Rückfragen steht Bastian Satthoff (Tel: 01590 1143787, E-Mail: Bastian.Satthoff@augustaschacht.de) als Ansprechpartner zur Verfügung. Anlaufstelle des Projektbüros sind die Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht e.V., Zur Hüggelschlucht 4, 49205 Hasbergen.