Bundestagswahl am 23. Februar: Verteidigungsminister stellte sich Fragen im Grünen Jäger
Ein prall besetzter Wintergarten in der Traditionsgaststätte „Grüner Jäger“ bildete den Rahmen für eine recht informative Diskussionsveranstaltung der örtlichen SPD. Osnabrücks Ex-OB und amtierender Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sowie der örtliche SPD-Bundestagskandidat Thomas Vaupel nahmen in ihren Beiträgen, aber auch in der Diskussion mit dem Publikum kein Blatt vor den Mund.
Lila-weißer Auftakt
Nachdem der auch als Moderator fungierende Thomas Vaupel einleitend wichtige Ereignisse des Wochenendes herausgestellt hatte, erfuhr er gleich zu Anfang eine sehr freundschaftlich gemeinte Unterbrechung durch den prominenten Gast: „Für mich war der VfL-Sieg in Unterhaching natürlich das wichtigste Ereignis des Wochenendes“, betonte Boris Pistorius augenzwinkernd.
Laut den Mund aufmachen gegen Rechts!“
Nicht überraschend war es, dass Thomas Vaupel den Minister anfangs um eine Stellungnahme zum Verhältnis der Merz-Union zur rechtsextremistischen AfD bat. Pistorius sprach hier schnell Klartext: „Die AfD propagiert ein Menschenbild, das nichts mit jenen demokratischen Werten zu tun hat, die uns hier alle zusammenführt. Wer soll Friedrich Merz, der ohne Not – trotz gegenteiliger Ankündigungen vor wenigen Monaten – zwei gemeinsame Abstimmungen mit der der AfD im Bundestag initiiert hat, zukünftig eigentlich noch glauben, dass so etwas nicht noch mehrfach passiert? Soll so jemand tatsächlich Kanzler werden können? Die Menschen müssen wählen, ob sie lieber den verlässlichen Olaf Scholz bevorzugen – oder tatsächlich jemanden wie Friedrich Merz, der in Bündnisfragen wie eine Flipperkugel agiert.“ Vor allem in ostdeutschen Kommunen könnte die Öffnung zur AfD künftig als eine Art „Freifahrtschein“ gesehen werden – mit allen Gefahren, die sich hier für die Demokratie ergäben.
Auch Thomas Vaupel, der zugleich stellvertretender Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Europas ist, machte keinen Hehl aus seiner Einordnung der AfD: „Die AfD gebärdet sich dermaßen menschenverachtend und rechtsextrem, dass nicht einmal Rechtsaußenparteien in der Europäischen Union wie die Fratelli in Italien oder das Rassemblement National in Frankreich mit denen zusammenarbeiten wollen.“
Pistorius appellierte auch an das Publikum im Grünen Jäger, drei Dinge im Alltag zu beherzigen: „Mit wenigen großen und imposanten Demonstrationen dürfen wir uns nicht zufrieden geben. Zum einen müssen alle Demokratinnen und Demokraten gegen die Rechtsaußen zusammenstehen. Zum zweiten müssen alle aus den Reihen der weit über 75%, die nicht AfD wählen, zukünftig laut den Mund aufmachen, sobald sie rechte Sprüche im Alltag vernehmen. Zum dritten gilt es überall weiterzusagen, dass die AfD massiv gegen den wichtigsten Grundgesetzartikel, nach dem die Würde des Menschen unantastbar ist, verstößt.“
Pistorius wie Vaupel wiesen darauf hin, dass beide Antragstexte, die im Bundestag mit Zustimmung von Union, FDP und BSW behandelt wurden, bei Annahme absolut nichts in der aktuellen Asylpolitik geändert hätten. Vaupel: „Vor allem dank Scholz und Nancy Faeser gibt es erstmals das beschlossene „Gemeinsame Europäische Asylsystems (GEAS) sowie Schleuserverfolgung wie Grenzkontrollen, aber auch massiv reduzierte Antragstellungen auf Asyl. Vaupel: „Es ist eine Lüge, dass nichts passiert.“
Pistorius: „War stets in der Fankurve von Gegnern der Schuldenbremse“
Dem Haushalts- und Finanzexperten Thomas Vaupel lag es besonders am Herzen, die Meinung von Boris Pistorius zur sogenannten „Schuldenbremse“ zu erfahren. Der Gefragte redete hier sehr deutlich Klartext und fand sprachlich Anklänge zum Fußballgeschehen:
„Als ich seit rund fünf Jahren Oberbürgermeister in Osnabrück gewesen bin, trat 2011 die Schuldengrenze in Kraft. Von Anfang an war ich in der Fankurve ihrer Gegner, denn sie ist nichts anderes als eine Investitionsbremse. In langen Jahren hat sie verhindert, dass in Bildung, Infrastruktur, zuletzt auch in die Bundeswehr, aber auch in Digitalisierung und in Maßnahmen gegen den Klimawandel investiert werden konnte – mit verheerenden Folgen. Unter den G 7-Staaten ist Deutschland aktuell der einzige Staat, der sich hier selbst derart massive Fesseln anlegt. Wir brauchen hier in Zukunft stattdessen – allen Widerständen aus AfD, Union und FDP zum Trotz, eine deutliche Modifizierung.“ Würde eine künftige Bundesregierung an der Schuldenbremse in aktueller Form festhalten, wäre dies „ein Konjunkturprogramm für die AfD.“
Diskussion mit dem Publikum
Mehrere Fragende aus dem Publikum machten durch kritische Fragen und Anmerkungen keinen Hehl aus jenen Themen, die jeweils am Herzen lagen. Auf die Frage, wie einem AfD-Wählenden in Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz zu begegnen sei, antwortete Pistorius klar: „Sag diesem Menschen, falls es so ist, dass er vielleicht gar nicht rechtsextrem ist, dafür aber eindeutig die, die er wählen möchte. Vielleicht verleitet das mögliche AfD-Wähler zum Nachdenken.“
Einem jüngeren Teilnehmer lagen die akute Wohnungsnot und horrende Mieten am Herzen. Hier musste Pistorius einräumen: „Hätten wir als SPD die absolute Mehrheit, wären deutliche Verbesserungen im Mieterschutz und beim Ausbau des kostengünstigen Wohnraums kein großes Problem. Leider ist zu befürchten, dass mögliche Koalitionspartner hier weiterhin auf die Bremse treten.“ Allein die horrend steigenden Ausgaben für Wohngeld aufgrund steigender Mieten seien, nüchtern betrachtet, ein Grund, hier besser auf Baumaßnahmen für günstigen Wohnraum zu setzen. Aber dies sähen Parteien rechts von der SPD traditionell völlig anders.
Als eine Frage auf US-Präsident Trump zu sprechen kam, appellierte Pistorius, trotz berechtigter Sorgen, auch für ein wenig Geduld: „Wir sollten nicht sofort über jedes Stöckchen springen, das uns da hingehalten wird.“
Eine letzte Frage hatte sich Vaupel für eine kurze Antwort am Schluss aufbewahrt: Warum steigt der VfL nicht in die 4. Liga ab? Pistorius: „Ganz einfach: weil wir da nichts verloren haben!“
Am Ende musste sich Pistorius trotz langem Beifall noch ein wenig beeilen: Im Rathaus warteten die Stadtoberen auf ihn, um ihm die renommierte Möser-Medaille zu verleihen. Zuvor verblieb noch Zeit für ein Interview, das diesem Bericht zeitnah folgen wird.