Freitag, 26. April 2024

Trainingscamp zum Energiesparen

Nichts wie hin zum Campingplatz!

Bestimmte Wahrheiten darf man nicht oft genug wiederholen. Gerade in wahrlich beschissenen Situationen sollten wir nicht den Mut verlieren, Fünfe auch mal gerade sein zu lassen. Vor allem dann, wenn ein Thema wie das Energiesparen aufgrund seiner nachhaltigen Wirkung ja eh in jeder Pore unserer Gesellschaft angesagt ist. Und zwar dauerhaft. Im letzten Jahr hatte ich bereits einen fast gleichlautenden Appell in die Welt gesetzt. Viel zu wenig ist passiert! Jede Zeile ist aktueller denn je! Darum folgt jetzt wiederholt die eindeutige Empfehlung des Autors:


Macht endlich Pflichturlaub auf dem Campingplatz! Alle!

„Der durchschnittliche Haushalt ist in der Lage, 20 Prozent seines Gasverbrauchs zu reduzieren“, sagte Olaf Lies. „Jeder sollte prüfen, was er leisten kann“, appellierte schon im letzten Jahr der damalige niedersächsische Umweltminister an den inneren Schweinehund in uns allen.

Ich habe mir dies, ohne dass ich mich dem Weisungsrecht eines ohnehin nicht mehr in diesem Amt amtierenden Ministers unterordnen will, mittlerweile auch zur persönlichen Aufgabe gemacht. Mehr noch: Aus meinen Erkenntnissen soll die gesamte Menschheit gewinnen! Denn hier weiß ich seit über fünf Jahrzehnten, worüber ich spreche: Campingurlaub! Und zwar nicht für Minderheiten, sondern fortan für alle!

Ich kleide meine Lebensweisheit darum ganz mutig mit einer Erziehungsmaßnahme, die alle Hilton-Freunde, Malediven-Flieger und Fans des blubbernden Massage-Bads in Angst und Schrecken versetzen wird:


Urlaub wird zukünftig nur noch dann genehmigt, wenn er auf dem Campingplatz verbracht wird!

Wir müssen es einfach gemeinsam ertragen! Und jetzt bitte beim Herunterbeten von Vorurteilen unbedingt dieses bedenken: Halbnackte, auch große Bierbäuche vor sich herschiebende Camper sind tatsächlich durch Gewöhnung absolut leicht zu tolerieren! Auch dann, wenn spärliche Tracht bei kühlem Wetter, links und rechts von meinem Stellplatz, durch Joggingklamotten ersetzt wird. Kein Schaudern mehr, wenn aus jedem Winkel Grillgeruch erschnuppert wird, kein Ekel vor Gemeinschaftsklos und -Duschen! Denn der Gewinn aus solchen Erfahrungen ist ungleich größer:

Es sind zentrale pädagogische Kompetenzen, die den Campingurlaub so nachhaltig und damit so unvergleichlich machen!

Alles beginnt mit dem Aufstehen. Zunächst kann Schlangestehen vor Klo oder Dusche nicht nur soziales Verhalten, sondern vielmehr unverzichtbare Kommunikationsmomente erzeugen. Getreu dem alten Austausch bei Loriot: „In Bozen liegen die Waschräume separat.“ „Ach was?“ Wo auf dem Hausklo, ganz zu schweigen von vergoldeten Wasserhähnen im Hilton-Hotel, hat man das schon?


Limitierte Wasserspende

Und dann der Höhepunkt: Jede Form der Wasserspende ist, jedenfalls auf meinen Campingplätzen der letzten Jahre, ungemein streng limitiert. Muss sich also bewährt haben. Die Wassermenge kommt dabei auf Knopfdruck und reicht zuerst mindestens dazu aus, meinen Zahnputzbecher zu füllen.

In Gemeinschaft mit Nachbarwaschern die Zahnbürste zu schwingen und die Beißer zu rubbeln, fördert auch zahnmedizinisch den Lernerfolg: Wer will schon den scheuernden Nachbarn angucken und sein Gebiss weniger als die nötigen drei Minuten putzen, überdies mit der korrekten, stets kreiselnden Rubbeltechnik? Mein Zahnarzt hätte an mir im Waschraum seine helle Freude.

Der Rest des Waschvorgangs erfolgt nach gleichen Regeln: Etwa 15 Sekunden lang schießt lau gewärmtes Wasser in die Hände, um den zuvor eingecremten oder lotionierten Oberkörper, soweit man dies so haben muss, mit Wasser zu befreien. Zuweilen müssen Versager wie ich natürlich zweimal den Wasserknopf drücken. Zum Glück gucken dann viele Waschnachbarn beschämt zur Seite.

Ergattert man gar einen Platz in der Dusche, darf man sich eh als Gewinner fühlen. Jeder Knopfdruck erhöht den zuvor am Waschbecken erfahrenen Wasserstrom von 15 auf jetzt 35 volle Sekunden! Hier in der geschützten und verriegelten Kabine darf sogar mehrmals gedrückt werden. Aber eigentlich nur theoretisch. Der sparsame Verbrauch des Lebensquells ist in diesem Moment längst in Fleisch und Blut übergegangen.

Nach dem Frühstück, bei dem es anarchistisch erlaubt ist, Brötchenkrümel auf dem Vorplatz von Zelt oder Wohnwagen zu verteilen, die dann irgendwelche Vögel zu sich nehmen, erwartet uns der nächste pädagogische Vorgang: solidarisches Schlangestehen, gedrücktes Wohlfühlwasser für verschmutztes Plastikgeschirr, dass noch Jahrzehnte nutzbar sein wird. Volle 30 Sekunden berieselt die gewärmte Quelle meine Speisereste. Ich bin mutig, schaue hastig nach rechts und links und drücke nochmal, bis alles Plastik blitzt.

Später erleben auch Kochfreunde ihr neues ökologisches Einmaleins: Jeder Brutzelnde weiß, dass die Propangasflasche nicht unbegrenzt gefüllt ist. Peinlich sparsam wird Gas in Herdhitze verwandelt. Das kulinarische Ergebnis schmeckt danach doppelt so gut.

Das schönste Defizit betrifft den Hausputz. Zelt oder Wohnwagen sind überschaubar. Alles Nasse trocknet mit natürlicher Sonnenenergie draußen. Hexenbesen oder Fegeblech tun schnell ihren Dienst. Und elektrisch betriebene Staubsauger braucht kein Mensch.

Sonnenenergie: Am Seeufer ist sie bis zum Abend garantiert. Foto: OR

Den Tag beschließen abendliche, völlig stromlose Zitronenkerzen, die überdies vortrefflich Mücken vertreiben.

Ein Fünftel weniger Energie als sonst? Viel mehr, lieber Olaf Lies! Geht campen, Leute!

 

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