Freitag, 26. April 2024

Verbrannte Bücher – verbrannte Demokratie – Aufruf zu mehr Miteinander!

Dodesheider Programmpunkte zum 90. Jahrestag der Bücherverbrennung

Zum 90. Mal jährt sich am 10. Mai jener Tag, als Nationalsozialisten im Rahmen ihrer „Bücherverbrennung“ die Lebenswerke deutscher Literat*innen vernichtet wollten. Der Jahrestag soll auch in diesem Jahr dazu genutzt werden, für ein gesellschaftliches Miteinander des Respekts, der Demokratie und Toleranz zu werben. Vorzumerken ist schon jetzt Mittwoch, der 10. Mai 2023, ab 17:30 Uhr, Startpunkt ist die „Sommerbühne an der Lerchenstraße“.

Fünf Veranstalter*innen sind es, die unter dem Motto „Verbrannte Bücher – verbrannte Demokratie“ einen interessanten Ablauf auf die Beine gestellt haben: die „OMAS GEGEN RECHTS“, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), das im Gemeinschaftszentrum Lerchenstraße angesiedelte Nette-Quartier, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten sowie der Friedensgarten Osnabrück, der unweit des Mehrgenerationenspielplatzes an der Lerchenstraße zu finden ist.


Um wen geht es?

Namen, die bislang Deutschlands Literatur geprägt haben, füllen unzählige Bücherregale. Autoren wie Reinhold-Schneider, Kurt Tucholsky, Heinrich Mann, Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Stefan Zweig und Lion Feuchtwanger verfügen über eine weitere Gemeinsamkeit, auf die sie zu Lebzeiten liebend gern verzichtet hätten: Ihre Werke wurden auf Geheiß der nationalsozialistischen Machthaber vor rund 90 Jahren, am 10. Mai 1933 verbrannt. „Wider den undeutschen Ungeist“ lautete die damalige Losung, als vorwiegend nationalsozialistische Studenten die Werke jüdischer, sozialistischer und pazifistischer Literatinnen und Literaten wie auf Scheiterhaufen verbrannten. In Osnabrück waren es, mangels einer Universität, anno 1933 keine NS-Studenten, sondern Nazis und willige Helfer, welche die kommunalen Bibliotheken von „undeutscher Literatur“ säuberten.

Zumindest die oben genannten Literaten besitzen aber noch eine weitere Gemeinsamkeit: Die Straßen der sogenannten Siedlung Hanesch in der Dodesheide tragen allesamt die Namen jener verfemten Schriftsteller. Grund genug, auch den Nachbarschaftsbereich in angemessene Aktivitäten zu Ehren der Namensgeber ihrer Wohnstraßen einzubeziehen.

Unter jene Säuberungen fielen nicht nur die oben Genannten, sondern auch Erich Maria Remarque, Heinrich Heine, Karl Marx, Friedrich Engels, Karl Kautsky, Thomas Mann, Ernst Glaeser, Erich Kästner, Friedrich Wilhelm Foerster, Sigmund Freud, Emil Ludwig, Werner Hegemann, Theodor Wolff, Georg Bernhard, Alfred Kerr, Kurt Tucholsky, Frank Wedekind, Albert Ehrenstein, Carl Zuckmayer, Friedrich Hollaender bis hin zu Carl von Ossietzky standen ebenfalls auf dem Index all derer, deren Ideen einer friedlichen Welt dem Feuer geopfert wurden.

Mahnmal von Domenikus Witte. Foto: ORMahnmal von Domenikus Witte. Foto: OR

Mahnmal am Haster Weg

„Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ Diesen bedeutenden Satz formulierte bereits im Jahre 1821 der Dichter Heinrich Heine. Als der 1956 geborene Osnabrücker Bildhauer Domenikus Witte das Mahnmal „Verbrannte Bücher“ im Jahre 1986 schuf, legte er seinem Werk das besagte Heine-Zitat zugrunde. Witte besitzt bei seinen Arbeiten einen unverkennbaren Stil: Charakteristisch für seine Kunst ist das Ringen um die letztgültige Form, die sensibel die Balance zwischen figürlicher Darstellung und Abstraktion auslotet. Unterschiedliche Materialien werden in eine Art Spannungsverhältnis gesetzt und damit sowohl ästhetisch reizvolle als auch inhaltlich bedeutsame Dimensionen herausgearbeitet. Am Mahnmal am Regenrückhaltebecken zwischen Haster Weg und Hanesch-Siedlung in der Dodesheide springt jene Künstlersprache mit der Verwendung von Metall bis hin zu behauenen Steinen besonders ins Auge.

1986, damals noch am Anfang seines weiteren Schaffens, schuf Witte somit ganz besonderen Gedenkort, an dem viel zu viele zu Unrecht achtlos vorübergehen. Nicht nur der Autor dieser Zeilen hofft, dass dies künftig ein wenig anders wird.


Engagierte Aktiven-Szene stellt Programm auf die Beine

Wie auch im letzten Jahr organisieren die OMAS GEGEN RECHTS wieder den Gedenktag-Ablauf auf der Sommerbühne Sonnenhügel/Dodesheide. Heike Tennstädt, Mitglied bei den Omas gegen rechts, bringt die Intentionen des Bündnisses auf den Punkt:

„Mit der Erinnerung an die Bücherverbrennung von 1933 wollen wir die Erfahrungen und Erkenntnisse von Schriftstellerinnen und Schriftstellern damaliger Zeit wertschätzen. Diese Kulturveranstaltung ist ein Beitrag, um das demokratische Miteinander zu fördern, gerade auch in der Auseinandersetzung und Erinnerung an bedeutende Themen der Zeitgeschichte, gerade mit Blick auf die autokratischen Regime in heutiger Zeit. Ein freiheitliches Leben in kultureller Vielfalt ist die Grundlage für ein demokratisches Miteinander.“


Ablauf des Programms

Eingeladen wird zu einer bunten, kurzweiligen und informativen Veranstaltung. Startpunkt für die Veranstaltung ist die „Sommerbühne“ Ecke Lerchenstraße/Haster Weg.

Dort begrüßt das Publikum die Theater-AG der „Kooperativen Gesamtschule Schinkel“ mit einem szenischen Spiel. Die Schüler und Schülerinnen zeigen, wie sie sich dem Thema Bücherverbrennung genähert haben. Musikalische Beiträge der Sängerin Katrin Janssen-Oolo in Begleitung von Holger Dolkemeyer am E-Piano sowie andere Musiker werden die Veranstaltung bereichern. Hinzu kommt der Klarinettist Jan Kampmeier.

Ebenso werden der Osnabrücker Künstler Manfred Blieffert mit seinem Druckfahrrad, der Verfasser dieses Beitrags mit einem Büchertisch eigener Werke zugegen sein. Am „Mahnmal für verbrannte Bücher“ wird der Künstler Dominikus Witte Fragen zu seinem Kunstwerk beantworten.

„Nur wahre Hände schreiben wahre Gedichte“, hat einst Nelly Sachs, ihres Zeichens jüdische deutsch-schwedische Schriftstellerin, Lyrikerin und Literatur-Nobelpreisträgerin gesagt. Kurze Ausschnitte aus Werken von Lyrikerinnen wie ihr werden deshalb in diesem Jahr auf der Gedenkveranstaltung zur Bücherverbrennung durch die Nazi-Diktatur zu hören sein. Im Friedensgarten treffen Interessierte auf eine von den OMAS GEGEGEN RECHTS moderierte „Gesprächsrunde“ zu Schriftstellern, nach denen die Straßen im Stadtteil benannt wurden. Ausgangsfrage: Welche Bedeutung haben die damals ins Exil getriebenen Lyrikerinnen und Literaten heute noch für unser Zusammenleben? Hierzu werden auch die namensgebenden Literaten der Straßen im Viertel symbolisch in einer Runde am Gartentisch im Osnabrücker „Friedensgarten“ zusammensitzen und ins Gespräch kommen.

Zurück an der Sommerbühne werden wir die Bekanntschaft mit Menschen machen, die bereit sind, über ihr Leben im Osnabrücker Exil zu berichten. Die antifaschistische Band „KING PI and the SKAYARDS“ sorgt für einen beschwingten musikalischen Ausklang. Wie es beim Publikum an der Sommerbühne schon üblich ist, versorgen sich viele mit mitgebrachten Snacks und Getränken selbst.

Zurückgeblickt soll, last, but not least, auf eine gelungene Veranstaltung im letzten Jahr. Die Grafikerin Elisabeth Pawils gestaltete ein Buch für das „Literatenviertel“. Es befindet sich im Tauschbücherschrank im Gemeinschaftszentrum Lerchenstraße und ist für alle zugänglich.  Im rückwärtigen Buchdeckel findet man einen Klebezettel, der für einen Eintrag in das Buch genutzt werden kann, falls man nicht direkt in das Buch schreiben möchte. Auf persönlich vermerkte Gedanken, Einträge und Kommentare sind alle Initiator*innen gespannt. Heike Tennstädt sieht die Veranstaltung durchaus als nachhaltig an, um die Zivilgesellschaft stark zu machen:

„Ein freiheitliches Leben in kultureller Vielfalt ist Grundlage für ein demokratisches Miteinander. Dies ist ein Leitgedanke für die Veranstaltung. Sie ist ein Beitrag, um das demokratische Miteinander zu fördern. Ein freiheitliches Leben in kultureller Vielfalt ist die Grundlage für ein demokratisches Miteinander. Wir laden darum sowohl zu einer bunten wie kurzweiligen und informativen Veranstaltung ein.“

 

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