Sonntag, 28. April 2024

„Zukunftsfest und sozialökologisch gerecht …“

Nachgelesen: Rotgrün setzt für Niedersachsen ehrgeizige Ziele

„Zukunftsfest und sozialökologisch gerecht“ lautet bereits in der Präambel jener Leitgedanke, der die künftige niedersächsische Landesregierung trotz schwieriger Rahmenbedingungen in den nächsten fünf Jahren eine Orientierung geben soll. „Sicher in Zeiten des Wandels – so lautet der offizielle Titel des Koalitionsvertrags.

Blickt man auf den Wahlausgang vom 9. Oktober, muss man den Verhandlungspartnern für ihre schnelle Konsensfindung auf 136 (!) Seiten durchaus Respekt zollen. Beobachtende gehen jetzt fest davon aus, dass der Entwurf des Koalitionsvertrages in der SPD wie bei den Grünen auf jeweiligen Parteikonferenzen abgenickt wird. Für die OR ist dies ein guter Anlass, einmal genauer auf die einzelnen Handlungsfelder der nächsten fünf Jahre zu blicken.


Ende desaströser CDU-Blockaden

Kein Ausblick ohne einen Rückblick! In der Tat: Für einen echten Aufbruch in der Landespolitik ist die Zeit längst überfällig. Blickt man aus sozial-ökologischer Perspektive auf die letzten Jahre niedersächsischer Politik, hat es der christdemokratische Koalitionspartner bis ins laufende Jahr hinein vermocht, überall rüde Stopp-Schilder aufzubauen. Vor allem CDU-Finanzminister Hilbers war es, der mit dem Verweis auf die dogmatisch verklärte „Schuldenbremse“ jeden grundlegenden Fortschritt verhinderte: kein ausreichender Ausbau regenerativer Energien, wenig soziale Empathie, Stillstand vor allem in der Bildungspolitik als wichtigstem Zukunftsfeld.

Zu Recht wurde die Landes-CDU für ihre Blockadepolitik mit einem desaströsen Ergebnis von minus 5,5 % und nur noch 28,1 % aller Stimmen auf die harten Oppositionsbänke geschickt. Was im Sinne einer nötigen Oppositionspolitik, die eigentlich Gehör finden sollte, besonders dramatisch ist: Bei nur noch 60,3 %, aller Wählenden haben nur noch 17 (!) von hundert Wahlberechtigten haben ihr Kreuz bei der Union gemacht – in diesem Maße übertroffen allenfalls von der FDP, die mit spärlichen 4,7 % nur noch ganze drei von hundert Wählenden erreichen konnte. Dass es beide Parteien nicht geschafft haben, ihnen einen – ehrlich zu gönnenden – Anteil aus dem mit fast 11 % viel zu hohen Wahlergebnis der AFD heraus zu brechen, muss besonders deprimierend stimmen. Insofern ist Union wie FDP zukünftig ein Glückauf bei der Rückgewinnung von AFD-Stimmen zu wünschen.


Katastrophale Rahmenbedingungen …

Wieder einmal in der Bundes- und Landesgeschichte sind es Rote und Grüne, die Blockaden in zu durchschreitende Wege verwandeln müssen. Natürlich noch weit schlimmer als die demokratisch gewohnten Betonplatten der Union sind selbstredend die beiden Stichworte „Russischer Angriffskrieg“ und „Corona-Krise“ – beide mit verheerenden Auswirkungen auf öffentliche Gestaltungsspielräume. Es wäre unredlich, dies zu verschweigen.

Beide Parteien, SPD wie Grüne, sind darum ehrlich genug, die Schwierigkeiten des Aufbruchs nicht zu verschweigen. Deshalb ist es folgerichtig, wenn im Kapitel „Finanzen und Investitionen“ festgestellt wird, dass „sich die finanzielle Lage des Landes infolge der Krise ab 2023 auf absehbare Zeit verschlechtern“ wird. Und: „Eine Schuldenbremse, die Investitionen in die Zukunft nicht berücksichtigt, erschwert die Finanzierung der oben angerissenen Aufgaben zudem erheblich.“

Dies wiederum besitzt eine Konsequenz – und jene bildet zugleich das Damoklesschwert über allen angestrebten Fortschritten: „Im Übrigen steht die Finanzierung neuer Aufgaben unter einem Haushaltsvorbehalt.“


… und dennoch klare Signale für mehr Gerechtigkeit

Was gleichwohl, gerade wegen der Krise angepackt werden muss, steht gleich in der Präambel des Vertragsentwurfs: Rotgrün wird ein „Soforthilfeprogramm in Höhe von einer Milliarde Euro auflegen. Wir federn soziale Notlagen ab, unterstützen von der Krise besonders betroffene kleine und mittlere Unternehmen und stärken unsere soziale und kulturelle Infrastruktur.“

Die nächste Pflichtaufgabe, die Geld kostet, aber angesichts des dramatischen Rückstands bei der Schaffung von Wohnraum ebenfalls angepackt werden muss, steht ebenfalls in der Präambel: Rotgrüne wollen eine „Landeswohnungsgesellschaft gründen, die selbst Wohnungen kaufen, bauen und vermieten kann. Damit schaffen wir zusätzlichen bezahlbaren Wohnraum.“

Gleichwohl soll es trotz der Probleme allerorten gerechter als bislang zugehen. Ein nicht unwichtiges, für einige womöglich symbolisch klingendes Detail: Rotgrüne wollen, dass die Vergütungen von Vorständen und Mitgliedern der Aufsichtsgremien bei öffentlichen Unternehmen und Sparkassen künftig offengelegt werden. Der beliebte Spruch „Die sorgen vor allem für sich selbst!“ wird durch derartige Offenlegungen, der gern weitere folgen dürfen, der Boden entzogen.


Energie, Klima, Umwelt, Bauen & Wohnen

Das so beschriebene Kapitel ist nicht ohne Grund das erste des Vorhabenkatalogs. Spätestens 2040 soll in Niedersachsen Klimaneutralität mit Netto-Null-Emissionen hergestellt werden. Ein „Klimarat“ soll unter Beteiligung von Wissenschaft, Sozialpartnern und Verbänden eingerichtet werden, der jährlich in Form von Klimaberichten zusätzliche Maßnahmen vorschlägt. Das verspricht angenehmen Druck und Dynamik.

Auch natürliche Energien sollen nachweisbar vorankommen. „So schnell wie möglich“ sollen ehrgeizige 2,2 Prozent der Landesfläche als Windenergiegebiete rechtsverbindlich ausgewiesen werden. Immerhin ein volles Zehntel mehr als das bislang schon ehrgeizige Vorhaben der neuen Bundesregierung.

Für all diejenigen, die durch die neuen, ökologisch problematischen Gas-Terminals eine Festschreibung dieser CO2-Schleuder befürchten, gilt ein weiteres Versprechen: „Terminals, die wir heute für den Import von fossilem Erdgas nutzen, wollen wir prioritär und schnellstmöglich für grüne, klimaneutrale Gase nutzen.“ Für den Import von grünem Wasserstoff sollen Stade und Wilhelmshaven zur Drehscheibe werden.

Unverzüglicher Rückbau gilt für die ehemaligen Atomkraftwerke Grohnde, Unterweser, Stade, Lingen und Emsland – dies versus die Fantasie all jener, die gern ein Wiederaufleben dieser untoten Energie zu Lasten künftiger Generationen erhoffen.


Ein Land baut auf

Bautätigkeiten werden künftig fokussiert auf soziales, ökologisches, energieeffizientes und klimafreundliches Bauen, Sanieren, Nachverdichtung, Umbau, Umnutzung, Konversion und Aufstockung. Perspektivisch soll auch dadurch die Schaffung von zusätzlich 100.000 Sozialwohnungen erreicht werden.

Ziel ist außerdem, allein 40.000 landeseigene Wohnungen zu schaffen. Um Missverständnissen vorzubeugen, betonen die Autor*innen: „Wir sorgen für die konsequente Umsetzung der Mietpreisbremse.“

Solarpflicht gilt schnellstmöglich bei Neubau – und ab Jahresbeginn 2025 bei grundlegenden Dachsanierungen. Auch die Installation von Balkonkraftwerken soll durch die Abschaffung des Vetorechts von Vermieterinnen und Vermietern wie Eigentümergemeinschaften vereinfacht werden. Ein positives Stück Mieterfreundlichkeit – auch hier.


Arbeit und Wirtschaft

Keine neue Landesregierung kommt umhin, ihr Verhältnis zum VW-Konzern zu benennen. Hier herrscht Klartext: Rotgrüne wollen „Aufsichtsrat und Beteiligungen bei Volkswagen (VW) aktiv nutzen, den Volkswagen-Konzern auf die klimapolitischen Anforderungen der neuen Mobilitätswelt und des internationalen Wettbewerbs auszurichten. Wir unterstützen den geplanten Umbau der VW-Standorte hin zur E-Mobilität und die geplante Gigafactory für Batterien in Salzgitter.“

Untrennbar mit der Wirtschaftsförderung verbunden sind arbeitnehmerfreundliche Vorgaben, die bei Neoliberalen Panik erzeugen, aber Vernunftbetonte nicht schrecken sollen: Gebunden werden sollen nämlich „alle öffentlichen Aufträge an repräsentative Tarifverträge sowie soziale und ökologische Standards“, all dies begleitet von „besseren, gesetzlich verankerten Kontrollen.“ Warum dies gehandhabt wird, wird nicht verschwiegen: „Wo öffentliches Geld fließt, müssen uneingeschränkt Tarifverträge, Umwelt- und Sozialstandards gelten, und zwar entlang der gesamten Lieferketten“ – also bis zum siebten Subunternehmer mit bislang desaströs unterbezahlten Arbeitskräften aus fernen Staaten. Kommt hier endlich die Tendenzwende?

Ein weiterer Eisblock wird zum Schmelzen gebracht: Rotgrün will „Meisterausbildung und vergleichbare Abschlüsse im Handwerk dem Bachelorstudium gleichstellen.“ Ministerpräsident Stephan Weil drückte dies in einem Schreiben an Parteimitglieder so aus: „Wir bekennen uns im Vertrag ausdrücklich zur Gleichwertigkeit der dualen oder vollzeitschulischen Berufsausbildung und dem Studium.“

Eine gute Botschaft gibt es außerdem für junge Leute, die auf der Suche nach dem „Weiter“ verzweifeln: „Junge Menschen, die trotz aller Anstrengungen keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, sollen ein trägergestütztes Ausbildungsangebot erhalten“.

Einen großen Hoffnungsschimmer gibt es für Menschen, die bereits fast aufgeben, einen Job zu finden: SPD und Grüne stehen für einen „öffentlichen Beschäftigungssektor mit fairen Bedingungen für Langzeitarbeitslose“ und „planen ein landesweites Förderprogramm, insbesondere zur Ergänzung des Teilhabechancengesetzes für gemeinnützige Träger und Kommunen“.


Verkehr: Pluspunkte für Nahverkehr und Fahrräder – Fragezeichen zur A33 Nord

Rotgrüne setzen sich für einen kostengünstigen und attraktiven Nahverkehr ein, den sich alle Menschen leisten können und der auf einheitlichen und einfachen Tarifen basiert. Originalton: „Unser Ziel ist eine Verdopplung der Fahrgastzahlen bis spätestens 2030.“

Der Anteil des Radverkehrs im Gesamtverkehr von heute 15 Prozent soll auf mindestens 25 Prozent bis spätestens 2030 steigen – jeder vierte träte dann in seine Pedalen. Zusätzlich gibt es die Einführung einer Dienstfahrradregelung für die öffentliche Verwaltung.

Chancen der Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken und Haltepunkten werden wir stärker nutzen und ein neues Reaktivierungsprogramm starten … Dort wo eine Streckenreaktivierung nicht realisierbar ist, prüfen wir die weitere Einführung und Finanzierung von Landesbuslinien.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es auch für diejenigen, die – wie der Autor dieses Artikels – den sogenannten „Lückenschluss“ der A33 Nord für ökologischen und ökonomischen Irrsinn halten. Denn Rotgrüne in Niedersachsen „unterstützen die Bundesregierung dabei, bei den ausstehenden gesetzlich vorgeschriebenen Bedarfsplanüberprüfungen neben der wirtschaftlichen und verkehrlichen Entwicklung auch die Anforderungen aus dem Klimaschutzprogramm 2030 und dem Bundesklimaschutzgesetz zu berücksichtigen“. Das gilt somit explizit auch für den Neubau der A 33 Nord. Die Hoffnung stirbt zuletzt.


Weg mit hemmenden Schulgeldern

Echte Quantensprünge sind, werden die programmatischen Vorgaben befolgt, insbesondere in der Bildungspolitik gemacht. Endlich soll die Umsetzung der Schulgeldfreiheit für die Heilerziehungspflege kommen.

Nicht nur da: Rotgrüne werden den Weg der Schulgeldfreiheit generell für pädagogische und medizinisch-therapeutische Berufe konsequent zu Ende gehen und speziell für die Bereiche Heilerziehungspflege, Pharmazeutisch-technische Assistenz, Heilpädagogik, Masseur*innen, medizinische Bademeister*innen, Diätassistenz sowie Orthopist*innen die Schulgeldfreiheit einführen.


Bessere KiTas

KiTas, die zu Recht darüber stöhnen, dass zu wenig ausgebildete Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt vunterwegs sind, sollen für weitere qualifizierte Berufsgruppen geöffnet werden. Zusätzlich will Rotgrün zielgerichtete Initiativen zur Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland starten.

Und: Menschen, die den Beruf verlassen haben, sollen immerhin zurückgewonnen werden. Last, but not least heißt es: „Um mehr Männer für die Arbeit in Kitas zu gewinnen, wollen wir eine entsprechende Kampagne auflegen.“ Weitersagen!


Mehr Gesamtschulen – Gleichheit der Lehrer*innen-Gehälter – Einstieg zum Ende der Schulnoten

Ein Riesenfortschritt verbirgt sich in einem Vorhaben, dass einen immensen Ausbau der integrationsfreundlichen Integrierten Gesamtschule ermöglichen könnte – den nötigen Druck von unten vorausgesetzt. Originalton: „Wir wollen im Einklang mit den an Schule beteiligten Akteuren die Sek-I-Schulen, insbesondere Oberschulen (OBS) dabei unterstützen, sich zu Integrierten Gesamtschulen (IGS) zu entwickeln.“ Der Autor dieser Zeilen wünscht frohes Schaffen!

Was ist noch zu erwarten? Viel! Zum Beispiel eine kostenlose Schülerinnen- und Schülerbeförderung für den Sekundarbereich II.

Fast alles übertrifft ein überfälliger Schritt, den seither stets der CDU-Finanzminister verhindert hatte: Rotgrün will nämlich „im Verlauf der kommenden Wahlperiode schnellstmöglich auch Lehrkräfte mit dem Lehramt für Grund-, Haupt- und Realschulen nach A13/E13 als Einstiegsgehalt bezahlen.“

Kurzum: Gleiches Gehalt für alle ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer! Wie lange hat die Bildungsgewerkschaft GEW dafür gestritten und wurde deshalb von Philologen und Konservativen geschmäht?

Grundlegend reformieren möchte rotgrün auch die Lehrerausbildung. Hier möchte man „höhere Praxis- und Pädagogikanteile im Bachelor- und Masterstudium, eine Neustrukturierung der Lehrämter des Sekundarbereiches hin zum Stufenlehramt sowie eine Neustrukturierung und breite, schulformübergreifende Öffnung des Vorbereitungsdienstes.“ Überflüssiges kann danach weg: Gestrichen werden künftig „schriftliche Arbeit im Rahmen des Vorbereitungsdienstes für alle Lehrämter.“

Beinahe sensationell klingt auch ein vorsichtiger Abschied von klassischen Schulnoten, die seit ehedem pädagogischen Verzweiflungstaten ähneln. Rotgrüner Originalton: „Wir wollen den Schulen ermöglichen, auf eine numerische Notengebung zu verzichten.“


Bessere Unterrichtsversorgung mit multiprofessionellen Teams

Parallel zum Fehlen von Fachkräften im KiTa-bereich wird über ähnliche Probleme auch in der Schule geklagt. Rotgrün zieht daraus Konsequenzen und notiert im Programm: „Quereinstieg in das Lehramt werden wir erleichtern und Qualifizierungsangebote ausbauen und verbessern.“ Auch die Schulsozialarbeit soll gestärkt werden

Gute Nachricht insbesondere für Eltern, die Probleme haben, für die Speisung ihrer Liebsten in der Schule aufzukommen. Denn Rotgrüne „streben ein kostenloses und qualitativ hochwertiges, nach Möglichkeit regionales Mittagessensangebot in der Schule an und werden mit den Kommunen über Wege zur Umsetzung sprechen.“

Natürlich geht die neue Landesregierung auch auf die aktuelle Not von Schulen ein, die Probleme haben, ausreichend Lehrkräfte einzustellen. Solange diese nicht vorhanden sind, soll vor allem dieses helfen: Durch multiprofessionelle Teams an Schulen und eine bessere technische und personelle Ausstattung soll der Unterricht sichergestellt und an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden.


Demokratie stärken und auch lernbar machen

Politikverdrossenheit, Wahlabstinenz und ein Aufkommen demokratiefeindlicher Kräfte von rechts wollen Rotgrüne keinesfalls hinnehmen. Angesagt ist stattdessen eine immense Stärkung der kulturellen und politischen Bildung. Projekte wie „Demokratieschulen“ und „Lernorte der Demokratiebildung“, „Schulen ohne – Schule mit Courage“ und „Schule gegen Rassismus – Schulen mit Courage“ und „Europaschule“ werden ausdrücklich gestärkt und erweiternd fortgeführt.

Schon die Kleinsten werden an Demokratie herangeführt: Schülerinnen- und Schülervertretungen sollen schulgesetzlich auch in jeder Grundschule eingeführt werden

Endlich wieder gestärkt werden soll die Landeszentrale für Politische Bildung mit ihren aufklärerischen und pädagogischen Serviceangeboten, auf die nicht zuletzt Vermittler*innen in der politischen Bildung dann besser zurückgreifen können.

Auch dies ist nicht zu unterschätzen: „Alle Schulen sollen ein sogenanntes „Demokratiebudget“ für Projekte erhalten, über dessen Verwendung die Schülerinnen und Schüler selbstständig entscheiden und die sie im Bereich der Demokratiebildung umsetzen.“ Auch das „Freiwillige Soziales Jahr Politik“ soll entschieden ausgebaut werden – ein besonders nachhaltiger Aspekt für die Gewinnung des demokratischen Nachwuchses.

Unmittelbar mit Demokratiebildung verbunden ist eine stärkere Rückbesinnung auf Zeiten, in der Demokratie- und Menschenfeindlichkeit angesagt war. Gefordert werden darum ein Erhalt und Ausbau der niedersächsischen dezentralen Gedenkstättenlandschaft. Inhaltlich werden zudem Projekte unterstützt, die eine Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen und der kolonialen Vergangenheit Deutschlands im Blick haben.

Last, but not least: Das Wahlalter soll auf mindestens 16 Jahre gesenkt werden – was allerdings, wie im Bund, einer Zweidrittelmehrheit bedarf. Die Union verweigert sie bislang. Lernt sie womöglich doch noch aus ihrer Flaute unter jungen Wähler*innen? Hoffen wir mal.


Verbindung Schule-Berufswelt auf neuer Basis

Aktiv angepackt wird mit Roten und Grünen auch eine engere Verbindung der Schul- und Berufswelt. In der Sekundarstufe I soll Schülerinnen und Schülern eine Berufsorientierungs-Auszeit ermöglicht werden. Die Schulen erhalten hierfür einen flexiblen Gestaltungsspielraum. Alle können auch die Praktikumszeiten (bis Klasse 10) insgesamt ausweiten und flexibilisieren.

Flankiert wird alles mit einer sozial wie ökologisch sinnvollen Maßnahme: Endlich wird es ein landesweites 29-Euro-Ticket für Auszubildende geben! Dies senkt Schranken, auch Ausbildungsplätze in entfernten Orten anzunehmen.


Förderung studentischer Aktivitäten und Berufschancen

Was Studierendenvertretungen lange forderten, soll endlich Gesetz werden: Verankern werden soll die Landesstudierendenvertretung im Hochschulgesetz. Dies wiederum stärkt eine bessere Beteiligung der Studi-Vertretungen bei den Fragen zu Studium und Lehre.

Stärker als bisher etabliert werden Gründungszentren als Anlaufstellen für Studierende, Start-ups sowie Investorinnen und Investoren an den Hochschulen. Hochschulstandorte wie Osnabrück besitzen dadurch mehr Chancen, Menschen mit abgeschlossenem Studium auch vor Ort mehr anbieten und damit als Einwohner*innen halten zu können.


Kultur als „harter“ Standortfaktor

Die früher oft als „nebensächlich“ abqualifizierte Kultur wird endlich ein „harter Standortfaktor“, was Jahrzehnte stets bestritten wurde. Festgestellt wird, dass gerade auch Kultur etliche Zukunftsarbeitsplätze kreiert und ein wichtiger Baustein im regionalen, sozialen, wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Gefüge ist.

Derartige Feststellungen bleiben keine hohle Phrase: Zur Sicherung und Stabilisierung von Kunst und Kultur in Niedersachsen sollen die Pro-Kopf-Ausgaben des Landes für Kultur erhöht werden.

Hinzu tritt eine gute Botschaft für junge Leute, die sich für ihren späten Lebensweg orientieren wollen: Das bewährte Erfolgsmodell „Freiwilliges Soziales Jahr Kultur“ soll verstärkt genutzt werden und die Angebote dazu sogar exakt verdoppelt werden.


Ein Herz für Soziales und Gesundheit

Eine wahrnehmbare Stärkung soll künftig soziale Arbeit finden, beispielsweise in Quartieren, die oft auch als „soziale Brennpunkte“ gelten. Hinzukommen sollen mehr Familienfreizeiten und Urlaube.

Endlich wird auch eine wichtige Forderung aus der Jugendhilfe aufgegriffen: 10.000 Jugendlichen soll die „Jugendleiter*innen-Card“ (Juleica) ermöglichen, sich so zu qualifizieren und Verantwortung zu übernehmen. Ein Landesprogramm soll dazu die Basis schaffen.

Wichtig bleibt den Rotgrünen eine wohnortnahe gesundheitliche Grundversorgung überall in Niedersachsen. Hochspezialisierte Leistungen sollen allerdings stärker in dafür geeigneten Krankenhäusern konzentriert werden. In der Fläche ist gleichwohl an eine Ausweitung der Förderung regionaler Gesundheitszentren gedacht. Dadurch will man die medizinische Versorgung auch dort sicherstellen, wo Krankenhäuser nicht mehr dauerhaft betrieben werden können.

Nachhaltig ist der Blick auf die Ausbildung: Ehrgeizig wollen SPD und Grüne ein Programm für die Gesundheits-, Sozial- und Pflegeberufe auflegen und die Ausbildungsquoten erhöhen. Die oben erwähnte Schulgeldfreiheit dürfte dabei helfen.

Bedarfsgerecht ausgebaut werden daneben auch endlich Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser, die derzeit infolge der Zunahme von häuslicher Gewalt besonders wichtig sind.

Eine wichtige Neuerung richtet sich an Geflüchtete sowie an diejenigen, die ihnen helfen: Von Kettenduldungen betroffenen Menschen wollen Rotgrüne endlich konkrete Perspektiven bieten und das Projekt „Wege ins Bleiberecht“ zur landesweiten Praxis machen. Nicht unerwähnt soll bleiben: Abschiebungen aus Kitas, Schulen und Frauenhäusern soll es zukünftig nicht mehr geben.

„Sicher in Zeiten des Wandels – so lautet der Titel des Koalitionsvertrags mit den Grünen, auf den sich die Koalitionär*innen geeinigt haben. Sie setzen sich darin in der Tat ambitionierte Ziele und legen klare Schwerpunkte der Regierungspolitik fest. In der OR werden wir gern die Umsetzung ehrgeiziger Zielvorgaben begleiten.

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