Freitag, 3. Mai 2024

Ethel Smyth wurde heute vor 166 Jahren geboren

Weibliches Pfeifen in Eden

 

Ethel Smyth *23.April 1858 – Komponistin, Dirigentin, Literatin, Feministin, Teilzeit-Suffragette, Patriotin, Kettenraucherin, Whiskey-, Frauen-, Hüte- und Hundeliebhaberin über ihre Zeitgenossen und die über sie:

 

Smyth über Leipzig, wie sie von 1877 bis 1852 studierte und über ihre Lehrer:
„Zu der Zeit, als ich mich als Schülerin im Konservatorium einschrieb, lebte diese Institution lediglich von ihrem Mendelssohn-Ruf. […] Der Quell der allgemeinen Schlampigkeit war […] der damalige Direktor, ein alter Freund Mendelssohns, der das Alter erreicht hatte, in dem bei manchen Naturen jeder Gedanke an die Pflicht erstirbt, Skrupel schweigen und nichts außer den Bezügen und dem Vergnügen ernst genommen wird […] Meister, mit denen ich es zu tun hatte, waren Reinecke – Dirigent des Gewandhaus-Orchesters – in Komposition und Jadassohn – ein bekannter Verfasser von Kanons – in Kontrapunkt und allgemeine Theorie […] . Die Unterrichtsstunden bei Reinecke waren eine Farce; er war einer jener Komponisten, die ohne irgendeine Anstrengung oder gar Inspiration meterweise Musik produzierten. […] Jadassohns Unterrichtsstunden fanden im Konservatorium statt und waren zumindest amüsant, doch was den Lerneffekt anging, ebenso lächerlich; offiziell dauerten sie vierzig Minuten, denn wenn er ankam, regelmäßig eine Viertelstunde zu spät, stellte er sich jedes Mal für weitere zehn Minuten mit dem Rücken zum Ofen und erzählte uns lustige Geschichten. […] Sorgfältig setzte er uns Kanons und andere Übungen auseinander, doch es war selten Zeit, sich die Arbeit auch nur anzusehen, die wir mitbrachten, geschweige denn, unsere Fehler zu korrigieren.“

„Eines Tages sah ich, daß Hofmanns Serenade in D, ein Musikstück, das ich ganz besonders gerne hören wollte, am nächsten Abend bei einem Freilicht-Konzert im Rosenthal-Restaurant gespielt werden würde, und kündigte an, daß ich dabeisein wolle. Doch Frau Professor meinte, das sei unmöglich, kein junges Mädchen könne zu einem solchen Ort allein gehen […] Ich lieh mir eine Perücke mit grauen Korkenzieherlocken und eine große Hornbrille, ihren [der Vermieterin] dichtesten Schleier und ihr Ausgehkleid, das, nachdem ich mich in mehrere Schichten Zeitungspapier gehüllt, mit einer Schnur festgezurrt und andere Vorrichtungen angebracht hatte, hervorragend paßte. Nachdem ich mir schließlich die entsprechenden Falten aufgemalt hatte, segelte ich ins Rosenthal.“

Über Edvard Grieg: „Ich werde nie vergessen, wie er mir eine bildliche Ohrfeige verpasste. Er war ein überzeugter Anhänger Liszts, dagegen war es unter den jüngeren Musikern gerade Mode, diesen Komponisten von Grund auf abzulehnen; und das erklärte ich Grieg rundheraus. Was er von einem wohlverdienten, älteren Musiker vielleicht als Gesprächsbeitrag angenommen hätte, fand er aus studentischem Mund unerträglich, und sein Zorn kochte ob meiner sicher sehr undifferenzierten Bemerkungen vollends über. Er fuhr mich ziemlich laut an, was ich mir denn einbilden würde, ich junger überheblicher Parvenü, so über diesen großen Künstler zu reden! Am nächsten Morgen jedoch, da stapfte dieser liebenswürdige Mensch in aller Frühe hoch in meine Mansarde, um sich zu entschuldigen! Und diese kleine Begebenheit legte den Grundstein für eine freundschaftliche, warmherzige Verbundenheit zwischen den Griegs und mir.“

Über Johannes Brahms („Es wird erst dann eine Komponistin geben, wenn der erste Mann ein Kind bekommen hat“): „Als ich hinzukam […] begann er sie [ihre Arbeit] zu analysieren auf eine schlichte, ernste und anerkennende Weise: diese Entwicklung sei gut, jene Modulation seltsam und so weiter. Überrascht und hocherfreut verlor ich den Kopf, deutete auf ein konstruktives Detail […] und fragte in meinem Übereifer: „Glauben Sie nicht auch, wenn ich so empfinde, habe ich ein Recht, auf der Dominante zu schließen?“ Daraufhin veränderte sich die Situation schlagartig. Das ironische Lächeln kehrte auf seine Lippen zurück, er strich sich über den Schnurrbart und sagte mit einer vor herablassenden Verachtung triefenden Stimme: „Liebes Kind, ich bin sicher, dass Sie enden können, wann und wo Sie wollen!“ […]  Da war es wieder! Plötzlich hatte er sich daran erinnert, das ich ja eine Frau war, die ernst zu nehmen unter der Würde eines Mannes war, und die Qualität der Arbeit, die er, wäre ich ein Mann, gegen alles und jeden verteidigt hätte, vergaß er dabei einfach. […]“

„Brahms war als Künstler und Junggeselle so frei, die sozusagen poetische Variante des „Kinder, Küche, Kirche“-Ausspruches für sich zu reklamieren, nämlich dass Frauen nichts weiter seien als Spielzeug. […]  Nach kurzer Zeit der Bekanntschaft erriet ich, dass er einen weiblichen Komponisten niemals ernst nehmen würde, und verspürte keinerlei Bedürfnis, obwohl er mich höflich dazu aufforderte, ihm meine Arbeiten zu zeigen.“  […]

„Da Brahms immerzu Bemerkungen machte über meine schnellen Bewegungen, fand er das Wortspiel unwiderstehlich (gemeint ist, dass die Deutschen „Smyth“ meist wie „Schmeiß“ aussprachen) und gab mir den Spitznamen ‚Die Schmeißfliege‘.  (und später „Oboe“).

„Zwar wurde bei Mozart und ‚Fidelio‘ natürlich eine Ausnahme gemacht, doch mein Bekanntenkreis betrachtete die Oper als eine zu vernachlässigende Kunstform, wahrscheinlich weil Brahms klugerweise die Betätigung auf einem Gebiet vermieden hatte, auf dem er wohl kaum geglänzt hätte und das sein Gegner Wagner besetzt hatte.“

Über Hermann Levi: „Ich hatte Levi, dem berühmten Wagner-Dirigenten, ein großes Chorwerk von mir gezeigt; er war ein aufgeschlossener Mann, der sich nicht scheute, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Nachdem er mein Werk angehört hatte, sagte er: „Ich hätte niemals geglaubt, dass eine Frau das geschrieben hat!“ Und ich antwortete ihm: „Nein, und noch schlimmer ist, Sie werden es auch in Zukunft nicht für möglich halten!“ Er schaute mich einen Moment an und sagte dann langsam: „Ich denke, da haben Sie recht!“ Das Vorurteil würde einfach seinen persönlichen Eindruck und seinen Intellekt beherrschen – am Ende würde ihn sicher das Gefühl beschleichen, dass da mit Sicherheit irgendwo ein Fehler stecken musste…! Diese Anzweiflung weiblicher Fähigkeiten behindert Frauen sogar noch stärker als materielle Hemmnisse.“

George Bernard Shaw aka „Corno di Basseto“ (1893): „Der Komponistin der Messe, die vorige Woche in der Albert Hall ihre Uraufführung erlebte, Miss E. M. Smyth, schulde ich zumindest eine aufrichtige Anerkennung.“ Shaw feiert die Komposition als „Beginn der Eroberung der populären Musik durch die Frau“, stellt sie in ihrer Mischung aus „seltsam heidnisch Pastoralem“ weit über die „langweilige Mechanik des Dvorákschen ‚Requiems‘“ und findet Smyths Musik alles in allem „männlicher als die von Händel“. Dito Bruno Walter und Gustav Mahler: „Diese Engländerin spielt ihr Werk am Klavier vor, wir sind gebannt, sie ist ein wirklicher Komponist …“

Bruno Walter: „Vor mir erschien eine hagere, etwa achtundvierzig Jahre alte Engländerin in farblosem sackartigen Gewand und erklärte mir, sie habe früher in Leipzig studiert, Brahms sei für ihre Kammermusik interessiert gewesen, ihre Oper „Der Wald“ hätte ihre Aufführung in Dresden gehabt und nun sei sie hier, um uns mit ihrer letzten Oper bekannt zu machen. Ich sah unserer Zusammenkunft mit peinlichem Vorgefühl entgegen, aber noch hatte sie nicht zehn Minuten gespielt und mit unschöner Stimme dazu gesungen, als ich sie unterbrach, um zu Mahler hinüberzustürzen und ihn zu beschwören, mit mir zu kommen – mir spiele die Engländerin ihr Werk vor und sie sei ein wirklicher Komponist. Leider war er nicht abkömmlich, und ich kehrte allein zurück. Wir verbrachten dann den ganzen Vormittag mit ihrer Oper, und als wir uns trennten, stand ich völlig im Bann des Gehörten und ihrer Person. […]“.
Walter in seinen Erinnerungen): „Ethel Smyth […] hatte eine flammende Seele. Sie brannte ununterbrochen, ob sie komponierte, ob sie schrieb […] ob sie als Suffragette agitierte, ob sie in einer Art Kimono ein Orchester dirigierte oder ob sie sich unterhielt.“

Richard Specht (Musikkritiker, 1911): „Dieses ‚Strandrecht‘ [The Wreckers] aber, gegen das sich zuerst manches wehrt, dessen herbe Trostlosigkeit anfangs verstört und beunruhigt, lässt einen bald nicht mehr los. In dieser großen dramatischen Ballade ist ein Ton von einer trotzig verzweifelten Leidenschaft und einer unbarmherzigen Kraft, der auch im Abstoßenden unwiderstehlich ist. Eine finstere Sage kornwallischer Überlieferung, die Ethel Smyth von den Fischern dieser Küste gehört hat und die sie sich zu einer Dichtung von unheimlicher und drohender Wirkung gestalten ließ. […] Die Geringschätzung gegen Komponistinnen im allgemeinen ist von einer unbekümmert resoluten, keinem Hindernis ausweichenden, in froher Energie ihren Weg gehenden Engländerin über den Haufen gerannt – fast hätt’ ich gesagt: geboxt – worden. Eine sehr lebhafte, hagere, bewegliche Dame, trotz des leicht ergrauten Haars von siegreich erkämpfter, innerer Heiterkeit und ungeheurer, zäher Willenskraft, die es gezeigt hat, dass die Weiblichkeit kein Hemmnis für ursprüngliche tondichterische Produktion ist.“

Henry Wood (Dirigent): „Sie hat diese Begabung, die für Dirigenten so unerhört wichtig ist – große Persönlichkeit auf dem Podest. Ihre lebhafte, menschliche und verständnisvolle Haltung machen aus ihren Proben angenehme und sehr humane Ereignisse…Wunderbar unberührt von dem, was irgendwer denken könnte, ist sie immer voll und ganz sie selbst. Pose oder Affektiertheit sind ihr zuwider…“

Smyth, nachdem sie als Protest gegen die Verweigerung des Frauenwahlrechts 1912 zusammen mit anderen militanten Suffragetten die Fensterscheiben des britischen Kolonialsekretariats eingeworfen hatte: „Ich denke, die Leute verstehen nicht, dass wir Revolutionäre sind und dass unsere Rechtswidrigkeiten wohlüberlegte politische Handlungen sind. Wenn ich aus bloßem Spaß ein Fenster einwerfe, bin ich in gewisser Hinsicht eine Verbrecherin. Wenn das Zerschlagen einer Fensterscheibe aber die einzige Möglichkeit ist, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit darauf zu lenken, dass ich Grund zur Beschwerde habe, bin ich eine politische Person und keine Verbrecherin.“

Smyth im Prozess 1912: „Die Frauen Englands, die zu den Suffragettes gehören, besitzen eine soziale Einsicht, die in anderen Ländern noch fehlt. Weswegen die Suffragettes denn auch von der Mehrzahl der Zeitgenossen nicht verstanden werden. (…) Damit ist nun die ganze Suffragettebewegung auf ihren wirklichen Grund gestellt. Sie ist eine Bewegung der unterdrückten und verelendeten, zum mindesten der benachteiligten Weiblichkeit unter Führung der bürgerlichen Intelligenz. Die Welt ist fürchterlich. Vielleicht wird sie nie vollkommen; sie könnte aber sehr viel weniger fürchterlich sein. Der Mann allein vermag sie nicht ins Lot zu bringen, denn er sieht gar nicht, was ihr fehlt, und wenn er‘s sieht, so fühlt er‘s nicht, und wenn er‘s fühlt, so ist er eine Ausnahme und kann nicht helfen. Der Welt fehlt – die Frau. (…) Deshalb braucht die Frau das Wahlrecht. Das ist der Sinn der Suffragettebewegung.“

Thomas Beecham (Dirigent; „The English may not like music, but they absolutely love the noise it makes“) nach seinem Besuch bei ihr im Gefängnis: „Ich kam im Gefängnishof an und fand die edle Gruppe der Märtyrerinnen vor, wie sie dort auf- und abmarschierten und mit Herzenslust ihr Kriegslied ‚March of the Women‘ sangen  [das Smyth komponiert hatte], während die Komponistin wohlwollend aus einem der oberen Fenster zusah und dazu mit bacchantischer Energie den Takt mit einer Zahnbürste schlug.“

Israël Zangwill (Rede in Albert Hall, 28.3.1912), nach der Gefangennahme der führenden Suffragetten: „Nie habe ich den Vorzug, für Sie sprechen zu dürfen, mehr geschätzt als heute, wo Ihr Verband vor dem Strafrichter steht, von den Menschen verachtet und gemieden … Es ist ein trauriges Paradoxon, daß der Weg zum Recht den Umweg über das Unrecht machen muß. Das Recht der Empörung ist aber ein ebenso grundlegendes Menschenrecht, wie das Recht der Unterdrückung ein grundlegendes öffentliches Recht. Und die Gegner sind sich gewachsen: der Geist der Gewalt gegen die Gewalt des Geistes. Mag nun die Regierung an Ihren Führern das Äußerste tun … wer wird denn der eigentliche Angeklagte und Verurteilte sein, die Regierung oder Ihre Führer? Wir kennen die Antwort der Geschichte im voraus … Wir haben viel über Eigentumsbeschädigung gehört. Es gibt geistiges Eigentum, das weit kostbarer ist als Schaufenster, so die Achtung vor Gesetz und Ordnung … Es gehört zu den Grundlagen des Staats, dass die Regierung geachtet, Gesetzesübertreter aber verachtet werden. Heute geschieht das Gegenteil: Zehntausende von Frauen betrachten den Staat als ihren Feind, Holloway (das Gefängnis) für ehrenvoller, als Downing Street (der Sitz der Regierung), Zehntausende von Frauen sind bereit, Gesetzesübertreter zu verstecken, Zehntausende von Frauen haben es verweigert, ihre Zettel bei der Volkszählung auszufüllen, und die Regierung hat nicht gewagt, gegen sie vorzugehen. (…) Wir wissen aus Dickens, daß die Hauptkunst der britischen Regierung darin besteht, die Sachen nicht zu tun. Beim Frauenstimmrecht hat sie sich noch übertroffen. Vierzig Jahre hat das Parlament damit gespielt, es eingebracht und ausgebracht, es entworfen und verworfen; es aufgeschrieben und durchstrichen, es neugeboren und wieder erdrosselt. (…) Von diesem Alp erlöste uns das Krachen der zerschlagenen Fensterscheiben. Das Krachen sagte: Nun genug davon. Dies Spiel mag Männer belustigen, uns Frauen ist es um die Sache ernst. Schließt man uns in einen verhexten Kreis, wir brechen durch … Oft heißt es, dieses Vorgehen habe der Sache geschadet. Ja, ist denn dies ein Land, wo der Appell an die Vernunft genügt? … Und liegt Ihr Sinn nicht in den Argumenten Ihrer Gegner? Dieser Gegner, die von der unglücklichen Rasse der ewig Gestrigen sind, während wir zu den Morgigen gehören. Wir sind fertig mit der einseitigen Männerwelt, und unsere Schritte wenden sich schon der Zukunft zu, die Männer und Frauen in ihren Rat beruft, damit es auf Erden lichter werde.“

 

Anna Bahr-Mildenberg (Opernsängerin, 1921): „Ach Ethel, einziger weiblicher Doktor der Musik in England, einzige englische Komponistin, und jetzt neuestens gar Mitkämpferin der Suffragetten, deren wildes, fanatisches Ringen Deine aufrührerische Seele mit heller Begeisterung füllt. […]. „Ich glaube Dich förmlich zu sehen, wie Du neulich in Queen‘s Hall, in der Zensusnacht Deine Kompositionen selbst dirigiert hast. Wie stolz Du in der Albert Hall Deinen Doktortalar trugst, als Dir Mrs. Pankhurst den Ehrentaktstock überreichte, den Dir die Suffragetten gestiftet haben. Zum Dank für Deinen ,March of the Women‘, unter dessen Klängen sie zum Sturm auf die Zwingburgen der Männerherrschaft anrücken.“

Ethel Smyth (1921): „Die gesamte englische Haltung gegenüber Frauen in der Kunst ist lächerlich und unzivilisiert. In der Kunst gibt es kein Geschlecht. Wie Sie Geige spielen, malen oder komponieren, ist das, was zählt. In Ländern, in denen der ästhetische Instinkt stark und kultiviert ist – Frankreich zum Beispiel – ist das Urteil sauber und objektiv, und eine Frau, die Kunst ausübt, ist lediglich eine Künstlerin unter Künstlern. Hier, wo dieser Instinkt schwach und ungeschult ist, ist der erste und letzte Gedanke eines Kritikers im Zusammenhang mit ihrer Arbeit ihr Geschlecht.“

 

„Listeners are specially invited to applaud whenever they feel like it“.
(Hinweis auf allen Programmheften von Smtyhs Konzerten)

Virginia Woolf (1913):  „Eine alte Frau hat sich in mich verliebt! Es ist gleichzeitig schrecklich und traurig. Es ist, als hätte mich ein riesiger Krebs in der Schere.“

Woolf an Vita Sackville-West: „Ethels neuer Hund ist tot. Die Wahrheit ist, kein Hund kann die Anstrengung aushalten, mit Ethel zu leben“.

Woolf an Smyth: … so zähle ich auf Dich, auf der sonnigen Seite des Grabes ein wenig auszuhalten.“— „Bitte, Ethel, sieh nach rechts und links und komme mir nicht wieder unter einem Bus hervor.“

Woolf in einer Rede vor der „National Society for Womens’s Service“ 1931: „Sie ist vom Stamm der Pioniere, der Bahnbrecher. Sie ist vorausgegangen und hat Bäume gefällt und Felsen gesprengt und Brücken gebaut und so den Weg bereitet für die, die nach ihr kommen. So ehren wir sie nicht nur als Musikerin und Schriftstellerin […] sondern auch als Felsensprengerin und Brückenbauerin.“

Vita Sackville-West (Schriftstellerin, Geliebte von Woolf): „Lästig war sie oft, aber nie langweilig».

Smyth an einen Freund: „Ich weiß nicht, warum es für mich sehr viel einfacher ist, mein eigenes Geschlecht leidenschaftlicher zu lieben als das Deine. Es ist ein ständiges Rätsel für mich, obwohl ich eine gesunddenkende Person bin. Ich glaube, sehr viele Engländerinnen fühlen so.“

Über Sir Hamilton Harty:  „Trotz meiner Ehrfurcht vor ihm als Musiker muss ich gestehen, dass mir sein Argument, er strebe nach „Einheitlichkeit des Stils“ und halte deshalb Frauen aus seiner Band fern, Quatsch erschien. Bei reinen Männer- und Frauen-Dinner bekommt man „Einheitlichkeit des Stils“, und wie langweilig diese Abendessen sind! Kunst ist bisexuell, das weibliche Element ist implizit mit dem männlichen verbunden; und ich kann nicht umhin zu vermuten, dass Sir Hamiltons wahres Gefühl einfach das eines Mitglieds seiner Band war, das sich in die Auseinandersetzung stürzte mit der Bemerkung, das Hallé-Orchester sei immer eine Männerangelegenheit gewesen und er hoffe, dass dies immer so bleiben würde! Diese Aussage ist erfreulich offen, aber bald wird sich herausstellen, was sie ist: sowohl lächerlich als auch unzivilisiert; eher in der Art all des aufgebauschten Gerede über 100-prozentige „Amerikaner“ und „die Reinheit der nordischen Rasse“ (was die Schikanierung der Juden einschließt), für die wir Engländer aufgeklärte Verachtung hegen. Ich denke, selbst Männer werden erkennen, dass Nietzsches berühmter Begriff „vom „blonden Biest“ unangenehm an Männer erinnert, die versuchen, Frauen fernzuhalten, die ebenso gute Musikerinnen sind wie sie selbst. Oder leben wir noch in den Tagen von Hunding und Sieglinde? (Weibliches Pfeifen in Eden, 1933)

„Diese Versuchung vorzugeben, dass Frauen musikalisch gar nicht existieren, unsere armseligen kleinen Triumphe zu ignorieren oder herunterzuspielen, ist eine Mikrobe, die sich bequem, wenn auch vielleicht heimlich, im männlichen Organismus breit macht, bis es eines Tages genug Komponistinnen gibt, um diese Mikrobe eines natürlichen Todes sterben zu lassen. […]“

 

Smyth: „Also, mit dem Berühmtsein ist das so eine Sache. Ja, es stimmt, ich habe meine eigenen Opern dirigiert und liebe Bobtails; ich trage immer nur Tweedkleidung, und an kalten Winternachmittagen habe ich darin sogar Konzerte gegeben; ich war eine militante Suffragette und habe zu meinem ‚March for the Women‘ vom Fenster des Holloway-Gefängnisses herunter mit meiner Zahnbürste den Takt geschlagen, ich habe Bücher geschrieben, Reden gehalten, Rundfunksendungen gemacht, und ich achte nicht immer darauf, dass mein Hut gerade sitzt. Ich bin tatsächlich berühmt. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich seit über vierzig Jahren sozusagen meinen Job mache, und es ist mir dabei nicht gelungen, auch nur ein winzig kleines Rädchen im englischen Musikapparat zu werden. Meine Bekanntheit hat auch nicht geholfen, meinen Namen auf die Programmzettel zu bringen.“ (1933)

„Wenn ich nicht drei Dinge besessen hätte, die absolut nichts mit Musikalität zu tun haben, nämlich 1. eine eiserne Gesundheit, 2. einen recht ausgeprägten Kampfgeist und 3. – und das ist das wichtigste – ein kleines, aber selbständiges Einkommen – wenn ich das nicht gehabt hätte, dann hätten Einsamkeit und Entmutigung mich schon vor vielen Jahren bezwungen. Ich möchte, dass Frauen sich großen und schwierigen Aufgaben zuwenden. Sie sollen nicht dauernd an der Küste herumlungern, aus Angst davor, in See zu stechen. Ich habe weder Angst, noch bin ich hilfsbedürftig; auf meine Art bin ich eine Entdeckerin, die fest an die Vorteile dieser Pionierarbeit glaubt.“ (What Happened Next, 1940)

„Der genaue Wert meiner Musik wird wahrscheinlich erst dann erkannt werden, wenn nichts von mir übriggeblieben ist als geschlechtslose Punkte und Striche auf liniertem Papier […] Wenn das kümmerliche Rinnsal eines persönlichen Schicksals mit dem Strom menschlicher Erfahrungen davongetragen wird; wenn auch nur ein Quentchen von alledem ins Werk eines Künstlers einfließt, lohnte es sich, dieses Werk verfaßt zu haben. Und sollten andere jetzt oder nach meinem Tod nur ein schwaches Echo eines solchen Geistes in meiner Musik erfassen, dann ist alles gut, und mehr als gut.“ (1933)

 

_Mass in D (1893): https://youtu.be/DY6XSur6Dp8?si=7OTtycmdnhDCaYq0

_Der Wald (1899/1901): https://youtu.be/8tlCYThAC8Y?si=_GSzeq6QlrMdZWQs

_The Wreckers (1902/04): https://youtu.be/dj9U3QLTd1c?si=pem76AdhKgpuj60X

_March of the Women (1911): https://youtu.be/qTYv4wT8g4E?si=CmK9_zrm2MHQyGo6

_The Prison (1930): https://youtu.be/3y_T9pxvv8A

Judith Kessler
Judith Kessler
Judith Kessler ist Sozialwissenschaftlerin, Redakteurin und Autorin mit den Schwerpunkten jüdische Migration, Gegenwartskultur und Biografieforschung.
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