Samstag, 7. September 2024

Heute vor 130 Jahren wurde der Kabarettist Willy Rosen geboren

„In Omsk, in Tomsk, in Astrachan, da traun die Fraun sich mächtig ran, und ist man auch schon 70 Jahr, ihr Kuss, der wirkt wie Kaviar …“

Willy Rosen, geboren am 18. Juli 1894, einer der witzigsten und beliebtesten deutschen Komponisten und Kabarettisten, wird nicht so alt wie der Glückliche in seinem Text, er endet mit 50 in Auschwitz.

Der gelernte Tuchhändler und Sohn von Amelie (Mally) und Arthur Rosenbaum aus Magdeburg, der sich schon während des ersten Weltkriegs bei der Truppenbetreuung in Russland ein paar Sporen als Pianist und Kapellmeister verdient hatte, begann seine richtige Laufbahn um 1920 als Alleinunterhalter in Berliner Kaffeehäusern, Kabaretts und Stummfilmkinos (da wohnte er in der Pankstraße 39, später Cicerostraße 55 in Halensee). Rosens eingängige Melodien und lustigen Texte fanden schnell ein Publikum im vergnügungssüchtigen Berlin – und darüber hinaus. Rosen gastierte in diversen deutschen Städten und im Ausland, trat im Rundfunk und in den aufkommenden Tonfilmen auf, nahm Schallplatten auf und schrieb Revuen, Schlager und Nonsenstexte (Frau Meier tanzt Tango; erst trinken wir noch eins; was macht der Mann da, auf der Veranda?). Gesungen wurden sie von allen großen Stars der Zeit: Richard Tauber, Willi Kollo, Trude Hesterberg, Max Hansen, Curt Bois, den Comedian Harmonists …

Heute ist Willy Rosen nahezu vergessen, auch wenn manche seiner Lieder (hier und da anderen Verfassern zugeschrieben) immer noch gesungen werden, so von Max Raabe oder Henry de Winter. nachdem Rosen 1933 wie alle Juden und „jüdisch versippten“ Auftrittsverbot bekommen hatte, gab er Konzerte im ausland, nahm 1935 noch heimlich im Keller einer Berliner Synagoge eine Platte für Lukraphon auf (das Label des jüdischen Kulturbunds), versuchte es in der Schweiz und Österreich, gründete mit anderen Berliner Emigranten das Exilkabarett „Theater der Prominenten“ und emigrierte mit der Truppe 1937 in die Niederlande, nachdem ihm die Schweiz den dauerhaften Aufenthalt verweigert hatte. Bei den Revuen, die hier entstanden, saß auch mal ein Max Schmeling oder ein Maurice Chevalier im Publikum, bis die „Prominenten“ nach dem Einmarsch der Deutschen nur noch vor jüdischem Publikum auftreten durften und ihr Theater, die joodsche Schouwburg, schließlich 1942 von den Nazis geschlossen und zur Deportationssammelstelle umfunktioniert wurde. Rosens freunde hatten zwar in New York Geld für seine Überfahrt nach Amerika gesammelt und er hatte Visa für Kuba, doch die waren mit dem Eintritt der USA in den Krieg annuliert worden.

willy rosen tauchte unter, zusammen mit der seiner zweiten frau, der schauspielerin mara krauskopf, die er kurz zuvor geheiratet hatte (elsbeth, seine erste frau, hatte sich unter dem druck der gestapo 1940 von ihm scheiden lassen). das paar wurde jedoch aufgespürt und im frühjahr 1943 in das lager westerbork verschleppt. hier, wo bereits die creme der kabarettszene versammelt war, schrieb er zusammen mit max ehrlich mehrere revuen, deren songs rosen dem lager-kommandanten konrad albert gemmeker zunächst einzeln vorsingen musste, bevor die show auf der lagerbühne aufgeführt werden durfte. eine augenzeugin: „er sang sich die seele aus dem leib“, um nicht auf der transportliste zu landen. die bühne war ein lieblings- und vorzeigeobjekt gemmekers und wenn seine „hofnarren“ rosen und ehrlich auftraten, saßen regelmäßig hohe nazi-besucher, darunter adolf eichmann, in der ersten reihe, hinter ihnen die menschen, die am nächsten oder übernächsten tag „nach osten geschickt“ werden sollten.

willy und mara rosen wurden am 4. september 1944 als nr. 576 und 577 im transport XXIV/7 zusammen mit max ehrlich abtransportiert. der zug schlängelte sich durch das besetzte europa, passierte willys geburtsstadt magdeburg (aus der seine mutter schon im dezember 1942 nach theresienstadt verschleppt worden war, wo sie drei monate später starb) und endete ebenfalls in theresienstadt. am 29. september wurden willy rosen und max ehrlich hier erneut in einen zug gepfercht. am 30. september kamen sie an rampe 3 in auschwitz-birkenau an und wurden unmittelbar nach der ankunft oder am folgenden tag vergast, mara, die mit einem der nächsten transporte gekommen war, zwei wochen später.

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Judith Kessler
Judith Kessler
Judith Kessler ist Sozialwissenschaftlerin, Redakteurin und Autorin mit den Schwerpunkten jüdische Migration, Gegenwartskultur und Biografieforschung.
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