Für die New York Times war er „der gute Nazi“ und die Chinesen verehren ihn als den „Oskar Schindler von Nanjing“: der Deutsche John Rabe, heute vor 142 Jahren in Hamburg geboren, hat während des zweiten chinesisch-japanischen Kriegs zehntausende Zivilisten gerettet …
Der Hamburger Kaufmann lebte da schon fast ununterbrochen 30 Jahre in China. Als junger Mann war er für eine englische Firma in der portugiesischen Kolonie Mozambique in Südost-Afrika tätig gewesen, wegen einer Malaria 1906 wieder nach Hamburg zurückgeschickt und 1908 von einer deutschen Firma nach Peking geholt worden. Ein Jahr später heiratete er in Shanghai seine Hamburger Jugendfreundin Dora Schubert, mit der er zwei Kinder bekam, und wechselte 1911 zur Firma Siemens.
Rabe blieb mit seiner Familie auch während des ersten Weltkriegs in Peking, obwohl China Deutschland den Krieg erklärt hatte. Er wurde zwar, nachdem der Krieg verloren war, wie alle Deutschen aus China repatriiert, kehrte aber im Folgejahr durch die Hintertür – über Japan – zurück und baute zunächst unter dem Decknamen Yus Fong Co. die Siemens-Vertretung wieder auf. 1931 versetzte ihn die Firma nach Nanjing, damals die Hauptstadt Chinas, um dort die Leitung von Siemens China Co. für ganz China zu übernehmen (Siemens verkaufte hier Telefone, Turbinen und elektrische Geräte).
Nach Ausbruch des chinesisch-japanischen Krieges 1937 wurde allen Ausländern geraten, das Land zu verlassen. Trotz des Drängens von Freunden und Botschaftsbeamten entschied sich Rabe, zu bleiben („… es ist eine Frage der Moral … ich kann mich vorerst nicht dazu bringen, das Vertrauen zu verraten.“). Seine Familie schickte er nach Deutschland zurück.
rabe und 14 weitere ausländer gründeten am 10. november 1937 das „internationale komitee“. nachdem die chinesen die verteidigung der stadt aufgeben hatten, wurde ihnen die verwaltungsbefugnis über nanjing übertragen. das komitee unter rabes leitung schuf die sog. nanjing-sicherheitszone, ein etwa 2×2 kilometer großes neutrales gebiet für zivilisten mit 25 flüchtlingslagern. auch sein eigenes haus lag in der zone. rabe ließ auf seinem grundstück eine 3×6 meter große hakenkreuzfahne aufspannen, um die (mit deutschland verbündeten) japaner von der bombardierung des hauses abzuhalten und nahm 650 menschen auf. nachts schlief ein teil der flüchtlinge unter der fahne und rabe schrieb in sein tagebuch: „dieser platz gilt als bombensicher.“
nach der einnahme nanjings am 12. dezember plünderten und brannten die japaner die prächtige stadt nieder, und ermordeten bei dem acht wochen andauernden „massaker von nanjing“ wahllos bis zu 300.000 zivilisten und soldaten, die sich ergeben hatten; schätzungsweise 50000 frauen und mädchen wurden vergewaltigt und ermordet; tausende als „comfort women“ zur sexuellen sklaverei gezwungen.
john rabe: „gruppen von 3 bis 10 plündernden soldaten fuhren durch die stadt und stahlen, was es auch immer dort zu stehlen gab … sie wurden nicht müde, frauen und mädchen zu vergewaltigen und töteten jeden, der widerstand leistete oder versuchte vor ihnen wegzulaufen oder bedauerlicherweise am falschen platz zur falschen zeit war. bei ihren gräueltaten wurde nicht zwischen erwachsenen und kindern unterschieden. so wurden mädchen im alter unter acht jahren und frauen über 70 jahre in der brutalsten weise vergewaltigt und danach niedergeschlagen und getötet. wir fanden leichen der frauen auf zerbrochenen biergläsern und andere, denen bambusstangen durch den körper gestoßen wurden …“.
rabe versuchte die japaner dazu zu bewegen, die grenzen der sicherheitszone zu respektieren. mit nur teilweisem erfolg. dennoch konnten er und seine helfer etwa 250000 menschen retten, die es hier her geschafft hatten. die mitglieder seines ausschusses schafften lebensmittel heran und versuchten grausamkeiten zu verhindern. sie appellierten an internationale regierungen (und rabe an hitler), einzugreifen und sie dokumentierten die vorgänge für die medien.
der amerikanische missionar john magee filmte die ereignisse und john rabes tagebuch ist heute eines der wichtigsten dokumente zum nanjing-masskar: „sie würden es nicht für möglich halten, aber die vergewaltigung der frauen erfolgte sogar mitten im frauenlager unserer ‚internationalen zone‘, in der zwischen 5000 bis 10000 frauen lebten. wir wenigen ausländer konnten nicht an allen plätzen gleichzeitig sein, um alle vor den grausamkeiten der japaner zu schützen. ein einzelner war kraftlos gegenüber den monstern, die bis zu den zähnen bewaffnet waren und die jedermann niederschossen, der versuchte, sich zu verteidigen. sie hatten nur respekt gegenüber uns ausländern – aber fast jeder von uns war dutzende male dem tod nahe. wir fragten uns gegenseitig, „wie viel länger kann man das ertragen“?
am 24.dezember 1937: „ich musste so viele leichen in den letzten wochen sehen, dass ich meine nerven unter kontrolle halten muss … es kommt wirklich keine weihnachtsstimmung mehr auf; aber ich wollte diese grausamkeiten mit meinen eigenen augen sehen, damit ich als augenzeuge später darüber sprechen kann. ein mann kann nicht über diese art der grausamkeiten schweigen!“
im frühjahr 1938 wurde rabe aus china abberufen. in berlin versuchte er immer wieder vergeblich, auf die verbrechen an der chinesischen zivilbevölkerung aufmerksam zu machen, bis ihm seine aktivitäten verboten wurden. deutschland war verbündeter von japan und die gestapo hatte ihm bei verhören in der prinz-albrechtstraße unmissverständlich klargemacht, dass das thema tabu war.
john rabe war weiterhin für die firma siemens tätig, die ihn nun für den bereich afghanistan einsetzte. nach ende des krieges musste er zwangsarbeit für die russen leisten, wurde schließlich wegen seines einsatzes in china „entnazifiziert“ (rabe war 1934 in die nsdap eingetreten, lt. siemens, um die für den betrieb der schule auf seinem grundstück notwendigen mittel zu bekommen, und nur einfaches parteimitglied ohne jedwede funktion). er durfte wieder für siemens arbeiten, allerdings nur noch als übersetzer für hochchinesisch, kantonesisch, japanisch und englisch. die rabes verhungerten in dieser zeit fast. seine diabetis verschlimmerte sich und seine frau wog noch 44 kilo. dankbare chinesen schickten ihm lebensmittelpakete nach berlin, boten ihm eine wohnung in nanjing an und baten ihn im nanjing-prozess auszusagen. aber er war schon zu krank und erschöpft. john rabe starb im januar 1950 und wurde in berlin-charlottenburg beigesetzt, hat hier inzwischen ein ehrengrab und seine geschichte wurde mit ulrich tukur verfilmt.