Freitag, 3. Mai 2024

Judith Kessler erinnert an den 137. Geburtstag des jüdischen Lyrikers und Dramatikers Jizchak Katzenelson

Jizchak Katzenelson, geboren am 21. Juli 1886 in Korelicze, heute Karelitschy, wurde am 1. Mai 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau vergast. Das Lied vom erschlagenen jüdischen Volk; TagebuchHannibalGeneralstab), sind einmalige, erschütternde Dokumente der jüdischen Leidenserfahrung.

Ich hatte einen Traum

Ich hatte einen
schrecklichen Traum.
Meine Leute sind nicht mehr, meine Leute sind weg.
Ich sprang mit einem Schrei auf:
Ah! Ah!
Was ich geträumt habe, ist mir passiert!
Gott in den Höhen!
Ich rufe zitternd an:
Im Namen dessen, was und warum
mein Volk gestorben ist?
Im Namen dessen, was ist
er vergebens gestorben?
Nein zum Krieg,
nein zum Kampf.
Junge Menschen, alte Menschen,
Frauen und Kinder
sind nicht mehr, nicht mehr.
Klatschen Sie in die Hände!
So werde ich
Tag und Nacht in Trauer weinen.
Im Namen von was, Herr,
warum, Gott?

דאָס ליד פונעם אױסגעהרגעטן ײדישן פאָלק –
Aus Katzenelsons gerettetem Poem „funm ojsgehargetn jidischen folk“, (freie) Nachdichtung von Wolf Biermann:

Nach all dem

Das Ende. Feuer flackern über Warschau in den
aaaaaHimmel hoch
Der hüllt bei Tage sich in Rauch, grell in die Nächte
aaaaaflammt das Licht
Das hatten wir schon mal erlebt, vor langer Zeit und
aaaaaanders. Gott
Wies durch die Wüste uns den Weg als Feuersäule in der Nacht
Bei Tag als Wolkensäule. Und mit Freuden ging mein Volk gestärkt
Im Glauben seinen Weg voran, mit seiner ewig jungen Zuversicht
Und jetzt das Ende. Ausgetilgt von dieser Erde sind wir. Schluß
Ganz gleich, ob groß, ob klein, man hat uns diesmal alle umgebracht

 

Mit Zvi, dem ältesten Sohn, im Internierungslager Vittel 1944
Judith Kessler
Judith Kessler
Judith Kessler ist Sozialwissenschaftlerin, Redakteurin und Autorin mit den Schwerpunkten jüdische Migration, Gegenwartskultur und Biografieforschung.
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