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Judith Kessler erinnert an Rutka Laskier

Vor 81 jahren schreibt Rukta Laskier, 14 Jahre alt, in ihr Tagebuch:

„Montag habe ich nicht geschrieben und es gab nichts zu schreiben. Vielleicht nur die Tatsache, dass die Deutschen sich von der Ostfront zurückgezogen haben, was das Ende des Krieges bedeuten könnte … Ich habe nur Angst, dass wir Juden früher erledigt sein werden … Aber wie schlau ich bin, ich habe schon so viel über den Krieg und gar nichts über mich geschrieben. Janek habe ich seit Mittwoch nicht mehr gesehen. Ich muss zugeben, dass ich ihn vermisse, ich meine, nicht ihn, sondern seine Stirn. Er hat eine wunderschöne weiße Stirn …

Ich bin gespannt, ob Jumek immer noch in Tusia verliebt ist. Eigentlich ist er ein guter Typ. Ich mag ihn, aber nicht so, wie ich Mietek mag. Mit Mulek kannst du reden und den Geschlechtsunterschied vergessen, und das gefällt mir sehr. Wenn du mit Janek redest, ist er immer sehr höflich, zurückhaltend, wartet nur auf den Moment, in dem er mir mit etwas helfen kann und zeigt mir auf diese Weise seine Überlegenheit. Oh, er und seine Überlegenheit! Ich halte das nicht aus, deshalb mochte ich Lolek. Eigentlich mag ich ihn immer noch, aber ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen. Ich habe vor, zu Lolek zu gehen, um das Buch „P. P.“ (?) zu bekommen. Ich habe gehört, dass es großartig ist.

Es wäre eine gute Gelegenheit, auch mit Tuska über Różka zu sprechen. Ich hasse die zwei; Ich hasse Różka noch mehr als Tuska. Ich hatte Streit mit Tuska, aber es war zu ihrem Besten. Ich sah, wie eifersüchtig sie war (obwohl ich das damals nicht verstand). Sie hatte Angst, mich mit Janek im Zimmer allein zu lassen. Ich habe eine Szene gemacht und wir sind rausgeflogen. Im Grunde war sie sehr zufrieden damit.

Und noch etwas: Ich habe beschlossen, mich von Janek küssen zu lassen. Irgendwann wird mich ja jemand zum ersten Mal küssen, also lass es Janek sein …“

Wir wissen nicht, ob Janek noch dazu gekommen ist, Rutka zu küssen. Ein halbes jahr nach diesem Eintrag war Rutka tot. Sie wurde im august 1943 in Auschwitz vergast. Ihr Tagebuch hat die Tochter ihres Hausbesitzers in Będzin 60 Jahre lang aufbewahrt. 2006 wurde es erstmalig veröffentlicht.

Judith Kessler
Judith Kessler
Judith Kessler ist Sozialwissenschaftlerin, Redakteurin und Autorin mit den Schwerpunkten jüdische Migration, Gegenwartskultur und Biografieforschung.
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