Judith Kessler: Heute vor 232 Jahren forderte Olympe de Gouges die Gleichstellung der Frauen ein …

Beim Stichwort Französische Revolution fallen einem sofort Robespierre oder Marat ein. Und Olympe de Gouges? Die ist vergessen und eines der unzähligen Beispiele für männergemachte Geschichtsschreibung. und doch hat sie die erste umfassende Erklärung der Menschenrechte verfasst, mit der sie heute vor 232 Jahren die Gleichstellung der Frauen einforderte …

marie gouze wurde 1748 in südfrankreich geboren, war tochter einer wäscherin und wurde mit 17 jahren zwangsverheiratet. ihr gatte eröffnete von der mitgift eine kneipe, sie bekam einen sohn und ging mit dem nach paris, als der gastwirt gestorben war.

mit 25 begann sie unter dem namen olympe de gouges zu schreiben; 1774 verfasste sie ihre erste denkschrift gegen die sklaverei, 1784 das erste theaterstück. es folgten aufsätze unter anderem über die miese behandlung unverheirateter mütter, über das scheidungsrecht und das recht auf sexuelle beziehungen außerhalb der ehe. für ihre kritiken wurde die aufklärerin massiv angefeindet und diffamiert und saß eine zeitlang auch im gefängnis.

als die revolution begann, knüpfte olympe de gouges große hoffnungen in die neue bewegung und wurde eine ihrer leidenschaftlichsten unterstützerinnen. doch als die nationalversammlung 1789 dann ihre menschen- und bürgerrechte erklärte (die bald in den verfassungsrang erhoben wurden), kamen frauen darin nicht vor. dass sie keinerlei rechte haben sollten, war für de gouges der grund, in dem neuen regime eine „tyrannei“ zu sehen und der antrieb, die nationalversammlung am 7. september 1791 aufzufordern, die von ihr verfasste „déclaration des droits de la femme et de la citoyenne“ zu verabschieden. stattdessen wurde sie im sommer 1793 verhaftet und am 3. november hingerichtet.


aus olympe de gouges‘ „erklärung der rechte der frau und bürgerin“:

art. 1: die frau wird frei geboren und bleibt dem manne gleich in allen rechten…

art. 4: freiheit und gerechtigkeit bestehen darin, alles zurückzugeben, was einem anderen gehört. so stößt die frau bei der wahrnehmung ihrer natürlichen rechte nur an die ihr von der tyrannei des mannes gesetzten grenzen; diese müssen durch die gesetze der natur und vernunft reformiert werden.

art.6 : das gesetz soll ausdruck des willens aller sein; alle bürgerinnen und bürger sollen persönlich oder über ihre vertreter zu seiner entstehung beitragen…

art. 10: niemand darf wegen seiner überzeugungen, auch wenn sie grundsätzlicher art sind, belangt werden. die frau hat das recht das schafott zu besteigen; sie muss gleichermaßen das recht haben, die tribüne zu besteigen…

art.13: … zu fron und lästigen pflichten wird die frau ohne unterschied herangezogen; sie muss deshalb bei der zuteilung von posten, anstellungen, aufträgen, würden und gewerben gleichermaßen berücksichtigt werden.

art. 16: jede gesellschaft, in der die garantie der rechte nicht gesichert und die trennung der gewalten nicht festgesetzt ist, hat gar keine verfassung. die verfassung ist null und nichtig, wenn nicht die mehrheit der individuen, die die nation bilden, an ihrer ausarbeitung mitgewirkt hat.

Judith Kessler
Judith Kessler
Judith Kessler ist Sozialwissenschaftlerin, Redakteurin und Autorin mit den Schwerpunkten jüdische Migration, Gegenwartskultur und Biografieforschung.
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