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Rauch Problem! Rauch Moslem!

Über findige Werbemotive und Szlama Rochmanns Berliner „Cigarettenmanufaktur Problem“

Mit dem, was manche vielleicht annehmen, hat diese Zigarettenreklame nichts zu tun. Sie wirbt für die Marke „Moslem“ der Berliner Cigarettenmanufaktur „Problem“ und die hat‘s mir schon rein optisch besonders angetan.

Szlama Rochmann, dem die Firma gehörte, beschäftigte erstklassige Grafiker wie Hans Rudi Erdt, von dem die Entwürfe oben stammen, der Herr mit dem Fez (1908) und der mit dem Monokel (1912), wie Lucian Bernhard, der unter anderem auch Rochmanns Konkurrenten Jacob Mandelbaum erfolgreich mit seiner Werbung für dessen „Manoli“-Zigaretten bediente und später sein Grabmal auf dem Jüdischen Friedhof Schönhauser Allee gestaltete, und wie Julius Oppenheim, der 1913 nicht nur die drei Turban-Raucher im Profil auf der folgenden Abbildung, sondern 1919 auch die ersten Münze für die Weimarer Republik entworfen hat und ebenfalls auf dem Friedhof Schönhauser Allee liegt.

Als diese Entwürfe entstanden, gehörte „Problem“ schon zu den bekanntesten Berliner Zigarettenfabriken, und ihre Sorten trugen– aus heutiger Sicht skurrile – wahlweise exotisch oder patriotisch klingende Namen wie Ethik, Königsloge, Mahala, National, Sokrates oder eben Moslem. Angefangen hatte alles 1869, als Israel Jakob Rochman(n), damals 32 Jahre alt mit seiner Familie aus Warschau, das zu der Zeit (wieder mal) zum Russischen Reich gehörte, nach Berlin gekommen war. Über ihn ist über seine Firma hinaus kaum etwas bekannt; sein Vorname und die Namen seiner Söhne – Szlama und Baruch – das eine die jiddische Form von Shlomo bzw. Salomon, das andere Hebräisch für „der Gesegnete“, deuten aber darauf hin, dass er aus einem religiösen und/oder Stetl-Milieu stammte. In jedem Fall begann in Berlin gerade die neuartige Zigarette – die erste kleine Zigarettenmanufaktur war 1862 in Dresden entstanden – populär zu werden und allmählich der schweren Zigarre und der umständlich zu stopfenden Pfeife den Rang abzulaufen.
Israel Rochmann erkannte das Potential der „kleinen Papier-Zigarre“, wie sie der Duden anfangs erklärt hat, und eröffnete in der Landwehrstraße seine Zigarettenfabrik „I. Rochmann“. Wie alle anderen Hersteller importierte er den Tabak aus der Türkei, Griechenland und Bulgarien, gab seinen Sorten orientalisch klingende Phantasienamen wie „Odaliska“ oder „Yaka“ und nannte seine Firma irgendwann, dem Trend der Zeit und Großstadt folgend, in „Namkori-Phänomen“ um (andere Zigarettenfabriken hießen nun „Mustafa“ oder „Enver Bey“, wie die von Mendel Gottreich).

Als Israel Rochmann 1881 starb, übernahmen seine Söhne das Geschäft. Während Baruch, der jüngere, der Firma erhalten und der Tradition treu blieb, also den hauseigenen Sorten wie der „Mona Lisa“ und den „Drei Türken“, und irgendwann nur den frei erfundenen ersten Teil des Firmennamens ablegte, gründete Israel Rochmanns älterer Sohn Szlama 1889 in der Alexanderstraße 13/22 eine eigene „Cigarettenmanufaktur Mahala“ (möglicherweise nach dem arabischen Wort für „Stadtviertel“), die er 1912 dann aber in „Problem“ umtaufte. Anscheinend sollten sich beim Genuss seiner Kippen alle Probleme wie Zigarettenqualm in Luft auflösen…

Szlama Rochmann war es auch, der frischen Wind in die Branche brachte, mit neuen zeitgemäßen Markennamen wie „Passant“ und „Trans“, die das Tempo und die Beweglichkeit der Zeit symbolisieren sollten, aber auch mit „Kaiserloge“, die mit den zig anderen, dem Zigarettenraucher Wilhelm II gewidmeten Marken konkurrieren wollte. Vor allem aber führte Szlama modern gestaltete Werbemotive ein, die die Kamele, Pyramiden, Haremsdamen oder Adelsschlösser auf den Verpackungen ablösten und ließ Werbemittel aller Art herstellen – von schön gestalteten Zigarettendosen, über Plakate, Sammelbildchen, Aschenbecher, Emailschilder bis hin zu kleinem Spielzeug. Das war auch nötig, denn die Konkurrenz war in Berlin mit um die 500 Zigaretten-Produzenten besonders groß und Werbung alles – in den Zeitungen, in Schaufenstern und in der S-Bahn.

1914, zum 25-jährigen Geschäftsjubiläum, kaufte Szlama Rochmann dem Knochenkohlefabrikbesitzer Gustav Magnus ein großes Grundstück in der Greifswalder Straße 212/213 ab und ließ sich hier von Ernst Ludwig Freud, einem der Söhne Sigmund Freuds, und von Moritz Ernst Lesser, die als Juden später beide emigrieren mussten, einen modernen Komplex mit Produktions-, Lager- und Wohngebäuden errichten. 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, war der soweit fertiggestellt, dass auch Szlama Rochmann, seine Frau Hanna und ihre Kinder Carl, Heinrich, Friedrich und Erna hier einziehen konnten. Carl meldete sich zum Kriegsdienst an die Front und auch Vater Rochmanns bestlaufendste Marke, die „Moslem“-Glimmstengel, mussten nun, die Kriegsbegeisterung der Kundschaft (oder die eigene) im Auge, für deutsch-national angehauchte Motive herhalten, wie mit der schwarz-weiß-roten Fahne des deutschen Kaiserreiches und mit der Flagge des türkischen „Waffenbruders“.

Mit dem Ersten Weltkrieg setzte sich das Zigaretten-Rauchen endgültig durch, wenngleich die zum Ende des Krieges nur noch zu etwa 20 Prozent aus Tabak bestanden, der „Rest“ war Buchenlaub. Die Kippe im Schützengraben vertrieb die Langeweile, sie half Freund und Feind gegen Hunger, Stress und Müdigkeit, und auch die Frauen hatten längst Gefallen an ihrer eleganten Form und dem schnellen „Doping“ gefunden. Zigaretten waren deutlich billiger als Zigarren und deutlich milder als alle anderen Tabakformen, sie galten als gesund, Rauchen als schick und beides war ein Sinnbild für die Moderne geworden.

Als der Krieg vorbei und Carl Rochmann von der Front heimgekehrt war, heiratete er 1919 die aus Gleiwitz stammende ebenfalls jüdische Else Imbach und zog mit ihr vom Prenzlauer Berg nach Charlottenburg. 1925 wurde beider Tochter Marion geboren und starb der „Problem“-Gründer Szlama Rochmann. Ein Jahr später folgte ihm sein Bruder Baruch. Beide wurden wie schon ihre Eltern auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee begraben, wo Szlamas modern gestaltetes Grabmal noch heute zu besichtigen ist.

Szlamas Söhne Carl und Heinrich führten die Firma erfolgreich weiter, auch in puncto Werbung immer auf der Höhe der Zeit, und konnten sich u.a. mehrere Häuser in Charlottenburg kaufen. Doch dann erwischten die Weltwirtschaftskrise, die schlechten Tabakernten in der Türkei und die zunehmende Monopolisierung auch die Rochmanns. 1930 mussten die Brüder erst den Namen „Problem“ und 1932 schließlich die gesamte Fabrik an einen Branchenriesen verkaufen, die Hamburger Firma Reemtsma, die auch andere Berliner Firmen wie Garbáty, Massary und Manoli aufkaufte, die Problem-Produktion bald ganz einstellte und die Fabrikhallen anderweitig vermietete.

Damit endete die Geschichte der Berliner „Problem“-Zigaretten. Die Berliner Geschichte der Familie Rochmann endete ziemlich genau zehn Jahre später. Während Szlama Rochmanns Kinder Heinrich, Friedrich und Erna, seine Witwe Hanna, sowie mit einem der „Kindertransporte“ auch die 14-jährige Enkelin Marion, noch „rechtzeitig“ emigrieren konnten, wurden Carl, der zuletzt Zwangsarbeit in einem Bautrupp bei der Reichsbahn leisten musste, und seine Frau Else am 9. Dezember 1942 vom Güterbahnhof Moabit aus nach Auschwitz deportiert und vergast. (Die Firma „Phänomen“-Firma seine Onkels Baruch war schon 1937 „arisiert“ worden.)

Judith Kessler
Judith Kessler
Judith Kessler ist Sozialwissenschaftlerin, Redakteurin und Autorin mit den Schwerpunkten jüdische Migration, Gegenwartskultur und Biografieforschung.
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