Donnerstag, 2. Mai 2024

Vor 141 Jahren wurde Julius Fromm geboren

Der Mann, dem das erste Markenkondom seinen Namen und Siegeszug verdankt

Julius Fromm wurde am 4. März 1883 als „Israel From“ und eines von acht Kindern einer mittellosen jüdischen Familie geboren, die zehn Jahre später aus der Kleinstadt Konin in das arme Berliner Scheunenviertel zog.

Das chemische Wissen für die Herstellung von Gummiprodukten brachte sich der junge Fromm hier autodidaktisch bei und 1914 (pünktlich zum Beginn des Ersten Weltkriegs und mit den sich ausbreitenden Geschlechtskrankheiten) war er auch mit seinen Versuchen soweit, dass er mit der Herstellung seiner neuartigen Kondome beginnen konnte.

Was die große amerikanische Reifenfirma „Goodyear“ 1901 in Amerika vollbracht hatte, gelang Fromm in Deutschland mehr oder weniger im Alleingang. Bis dahin ähnelten Kondome Fahrradschläuchen mit wulstigen Nähten. Seine hingegen waren aus Naturkautschuk, „hauchdünn“ und mit „sammetartiger Oberfläche“ (Eigenwerbung). Innerhalb weniger Jahre wurde aus einem tabuisierten, meist mangelhaft gearbeiteten Artikel ein seriöses Markenprodukt. Für das hatte der Jungunternehmer den Namen „Fromms Act“ gewählt – das klang international, weltläufig, interessant und ein bißchen anzüglich.

Die Verpackung ließ er in seinen Lieblingsfarben grün-lila und selbstbewusst mit dem Schriftzug seines ganzen Namens bedrucken und die Ware mit flotten Sprüchen vermarkten: „Fromms zieht der Edelmann beim Mädel an“ oder „Wenn’s euch packt, nehmt Fromms Act“ und der Volksmund legte nach: „Ich bin ganz Fromms – zum Platzen gespannt“. Revolutionär waren auch Fromms Kondom-Automaten, die anfangs nur mit dem Slogan: „Männer schützt eure Gesundheit“ warben, da jede Reklame, die auf Liebeslust oder Verhütung hinwies, verboten war. In Läden wiederum konnte man von Fromm vorgedruckte Zettel über die Theke schieben: „Bitte händigen Sie mir diskret 3 Stück Fromms Gummi aus“.

1931 stellte Fromm bereits 50 Millionen Präservative (inzwischen auch in „feucht“ und mit Talkum) im Jahr her, hatte 14 Niederlassungen in ganz Deutschland und den sozialen Aufstieg geschafft. Julius Fromm, der wie der Großteil seiner Familie den jüdischen Glauben nicht mehr praktizierte, interessierte sich nie ernsthaft für Politik. Er wählte die Deutsche Volkspartei, die seine unternehmerischen Interessen vertrat und war noch lange nach der Machtübergabe an Hitler fest davon überzeugt, die Nazis ließen sich „aussitzen“. Schließlich hatte noch 1933 die Apothekerzeitung „Der Drogenhändler“ sein „großangelegtes und genial durchgeführtes Lebenswerk“ gefeiert.

Auch Fromm selbst wies den NS-Behörden gegenüber auf seine „deutsche, saubere und ehrliche Art“ und seinen „deutschen Fleiß“ hin und empfahl sich dem Reichwirtschaftsministerium als „einer der größten Steuerzahler des Wohnbezirks Zehlendorf-Schlachtensee“.

Doch 1937 musste auch Julius Fromm einsehen, dass ihm nichts blieb, als seinen Kindern ins Exil zu folgen, was ihm und seiner Frau dank der immer noch guten Beziehungen auch relativ problemlos gelang. „Fromms Act“ (Verkaufswert: fünf Millionen Reichsmark) musste er zuvor jedoch für die lächerliche Summe von 300.000 RM an Hermann Görings Patentante Elisabeth Edle von Epenstein-Mauternburg (die Göring dafür zwei Burgen überließ) verkaufen, während sein sonstiger Besitz bei einer „Judenauktion“ verramscht wurde.

Enteignet, aber nicht völlig mittellos, hoffte der nun 55-jährige, in England ein neues Unternehmen aufbauen zu können. Obwohl aus diesen Plänen durch den Kriegseintritt der Briten nichts wurde, überdauerten die Kondome der Marke „Fromms“ den Weltkrieg und ihren Erfinder. Der freute sich so sehr auf seine Rückkehr in die Heimat, dass ihm am Morgen des 12. Mai 1945, vier Tage nach Kriegsende, in London das Herz stehenblieb.

Die Technik, die Julius Fromm perfektioniert hatte, ist weitestgehend gleich geblieben und die Firma MAPA, Teil des französischen Total-Konzerns, stellt bis heute jährlich 80 Millionen Kondome der Marke „Fromms“ her.

Wer es genauer wissen will, lese Götz Alys und Michael Sontheimers 2007 erschienenes Buch „Fromms. Wie der jüdische Kondomfabrikant Julius F. unter die deutschen Räuber fiel“.

Judith Kessler
Judith Kessler
Judith Kessler ist Sozialwissenschaftlerin, Redakteurin und Autorin mit den Schwerpunkten jüdische Migration, Gegenwartskultur und Biografieforschung.
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