Freitag, 19. April 2024

Neue Serie der Osnabrücker Rundschau: Widerstand im Osnabrück der NS-Zeit

Eine neue Serie der OR widmet sich einem spannenden, aber bisher kaum bekannten Thema: Sie erinnert an mutige Menschen, die sich aktiv dem Nazi-Terror und seinen menschenverachtenden Ideen widersetzt und dafür ihr Leben riskiert haben.
Links zu allen bisher erschienenen Folgen am Ende dieses Artikels. 

Opposition gegen die NSDAP bis 1945: Viel mehr als Calmeyer!

Unsere Serie besitzt einen konkreten Anlass: Die Villa Schlikker, zur NS-Zeit das Hauptquartier der NSDAP und darum „Hitler-Haus“ oder „Braunes Haus“ genannt, soll nach unverändert gültigem Ratsbeschluss künftig „Hans-Calmeyer-Haus“ heißen. Es ist eines von vier Gebäuden im sogenannten „MQ4“, dem Osnabrücker Museumsquartier, zu dem vier Gebäude zählen, deren markantestes das Felix-Nussbaum-Haus ist. Gegen diese, mit der Bezeichnung „Hans-Calmeyer-Haus“ oft als Verklärung empfundene historische Bedeutung des Gebäudes gibt es nicht nur in Osnabrück erheblichen Widerstand.

Ein vom Rat berufener wissenschaftlicher Beirat soll zur endgültigen Benennung des neugestalteten Hauses in naher Zukunft eine Empfehlung abgeben. Die Debatte, ob Osnabrücks ehemaliges Nazi-Hauptquartier eines Tages tatsächlich den Namen „Hans-Calmeyer-Haus“ tragen sollte, muss allerorten, besonders in der Osnabrücker Bürgerschaft, und nicht nur im Beirat geführt werden. Denn das Vorhaben eines Calmeyer-Hauses wird nicht zuletzt in den Niederlanden kritisch betrachtet. Durchaus spektakulär wurde dort bereits im einem offenen Brief an die vormalige Bundeskanzlerin Merkel gegen eine Benennung der Villa nach Calmeyer protestiert. Ein zentrales Argument für den Protest war, weil Hans Calmeyer sich, wie dort auch mit Zeitzeugenaussagen belegt wurde, aktiv an der Vernichtung von in den Niederlanden ansässigen Juden beteiligte.


Neue Anstöße der „ILEX-Gruppe“

Die in Osnabrück ansässige „ILEX-Gruppe“ hat sich nach dem Pseudonym des Journalisten Josef Burgdorf benannt. Jener war leitender Redakteur der Osnabrücker Freien Presse, der in seinen Artikeln bis zum Zeitungsverbot 1933 die Nationalsozialisten heftig attackierte und dafür sofort von ihnen verfolgt wurde. Die Osnabrücker Rundschau hat darüber mehrfach berichtet.

Die Initiative möchte mit der Erinnerung an Widerstand und Verfolgung in der NS-Zeit völlig andere Schwerpunkte als eine Fixierung auf Calmeyers Tätigkeit im niederländischen Den Haag setzen. Vor allem die lokale Perspektive sollte dabei im Fokus stehen. Die ILEX-Gruppe stellte Erkenntnisse zusammen, nach denen es in Osnabrück Widerstand in vielen Facetten gab. Deutlich über hundert Personen sind daran beteiligt gewesen.

Im Gegensatz zu offenen NS-Funktionsinhabern wie Hans Calmeyer stehen im Blickpunkt des ILEX-Kreises vor allem solche Menschen aus Osnabrück, die sich unter Einsatz ihres Lebens vor Ort im Osnabrücker Widerstand betätigt haben oder die aufgrund ihrer oppositionellen Haltung gegen das Regime verfolgt wurden.

Hans Calmeyer, unter dessen Verantwortung es im NS-besetzten Den Haag gelang, fast 3.000 als Jüdinnen oder Juden verfolgte Menschen vor der drohenden Deportation ins KZ zu bewahren, verdient nach Auffassung des ILEX-Kreises zweifellos eine historische Würdigung. Er verdient es danach als Mitarbeiter im Reichskommissariat der besetzten Niederlande unter Arthur Seyss Inquart aber ausdrücklich nicht, einseitig als glaubwürdiger Widerstandskämpfer gesehen zu werden.

Als Unterzeichner von mehr als tausend Ablehnungsbescheiden, die zur Ermordung niederländischer Menschen jüdischer Religion im KZ beitrugen, blieb der Osnabrücker Jurist trotz seiner Rettungsaktivitäten ein NS-Funktionär, der aus freien Stücken Mitglied der Besatzungsbehörde wurde und der sich bewusst innerhalb der Regeln des Systems bewegte.

Calmeyers historische Rolle ist deshalb insbesondere in den Niederlanden weiter äußerst umstritten. Auch in der deutschen Debatte mehren sich die Zweifel an der positiven Betrachtung, die Calmeyer lange Jahre zuteilwurde.

In der Osnabrücker Rundschau wird die ILEX-Gruppe deshalb im Rahmen einer längeren Reihe Kurzbiografien solcher Osnabrückerinnen und Osnabrücker vorstellen, deren Widerstand gegen das mörderische NS-Regime eindeutig ist. Sie werden folgend im Wesentlichen in alphabetischer Reihenfolge behandelt.

Los geht es morgen mit Walter Bubert, bei dem es in der Tat nicht nur formale alphabetische Gründe gibt, seine Persönlichkeit an erster Stelle hervorzuheben. Von da an erscheint jeden Sonntag um 18.00 Uhr eine weitere Folge.


Artikel des ILEX-Kreises zum „Braunen Haus“
Denkschrift ILEX-Kreis als PDF-Datei

Folge 01: Walter Bubert
Folge 02: Hans Bodensieck 
Folge 03: Emil Berckemeyer
Folge 04: Josef Burgdorf
Folge 05: Fritz Bringmann
Folge 06: Anna Daumeyer-Bitter
Folge 07: Erwin Förstner
Folge 08: Ruth Gottschalk-Stern
Folge 09: Heinrich Groos
Folge 10: Gustav Haas 
Folge 11: Frieda Höchster
Folge 12: Ženja Kozinski
Folge 13: Luwig Landwehr
Folge 14: Franz Lenz
Folge 15: Paul Leo
Folge 16: Hans Lücke
Folge 17: Wilhelm Mentrup

 

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