Donnerstag, 28. März 2024

„Calmeyer-Haus“ trotz wachsender Bedenken?

ILEX-Kreis sagt „Nein“ – und stellt umfangreiche Denkschrift vor

„Das ehemalige ‚Braune Haus‘ muss offenbaren, was es in Osnabrück einst ausgelöst hat“, lautet die Schlussfolgerung einer Denkschrift des Osnabrücker ILEX-Kreises.

Nicht ohne Grund befasst sich dieser Kreis von örtlichen Geschichtsforschenden seit einiger Zeit intensiv mit der Untersuchung des örtlichen Widerstands gegen die NS-Diktatur. Aus dem ILEX-Kreis stammt auch diese Serie über Osnabrückerinnen und Osnabrücker im Widerstand, welche die OR seit einigen Wochen jeweils Sonntagabend ab 18.00 Uhr präsentiert.

Die Denkschrift selbst geht insbesondere auf das Wirken von deutlich über 100 Osnabrückerinnen und Osnabrückern ein, die von Beginn an, also bereits vor 1933, dem Nazi-Terror unter Einsatz ihres Lebens entgegengetreten sind. Insbesondere solche Schicksale verdienen es nach Auffassung des ILEX-Kreises, in der Dauerausstellung jenes Gebäudes präsentiert zu werden, das von 1932 bis 1945 NSDAP-Hauptquartier war – worauf der Begriff „Braunes Haus“ im Umgangsdeutsch älterer Menschen in Osnabrück zurückzuführen ist.

 

Kein Widerständler mit „weißer Weste“?

Auf heftigen Widerspruch der ILEX-Gruppe stößt unverändert eine umstrittene Aussage des Calmeyer-Biografen und CDU-Bundestagsabgeordneten Mathias Middelberg. Öffentlich hatte dieser laut Online-Ausgabe der Neuen OZ vom 1. Mai 2020 die Feststellung getroffen: „Den Widerständler mit der weißen Weste, den Calmeyers Kritiker suchen, den gibt es nicht in einer totalitären Diktatur.“

„Sehr wohl gab es solche Menschen!“, betonen die Kritiker. Allein die in der ILEX-Denkschrift aufgelisteten Personen des Widerstands widerlegen nach Auffassung der Denkschrift-Autor:innen die Middelberg-Position eindrucksvoll.

 

Eine langjährige Kontroverse

Die Frage, die Villa im Museumsquartier nach Calmeyer zu benennen, dessen Wirkungsstäte im Weltkrieg die niederländische Hauptstadt Den Haag gewesen war, wird in Osnabrück bereits seit mehreren Jahren kontrovers debattiert.

Im Zentrum steht die Frage, ob Hans Calmeyer (1903-1972), dem es in den Niederlanden innerhalb der deutschen Besatzungsbehörde gelungen war, bis zu 3.000 Menschen jüdischer Religion durch Anerkennung oft gefälschter Papiere vor einer Deportation ins KZ zu retten, nicht zugleich verantwortlich für über 1.000 abschlägige Bescheide war, was direkt zur Ermordung der Betroffenen im KZ führen konnte. Befürworter einer Namensbenennung des Hauses nach Calmeyer sehen jene Opfer als quasi alternativlos an, um Calmeyers Funktion in der NS-Bürokratie nicht zu gefährden. Der Begriff „Ambivalenz“ bestimmt somit bis heute viele Debatten, was sich auch in unterschiedlichen Gutachten und auch Promotionen niederschlägt.

Der ILEX-Kreis, dem auch der Autor dieses Beitrags angehört, sieht sich mit seiner kritischen Haltung keineswegs isoliert. Vor allem renommierte Historiker:innen wie auch Fachleute aus der niederländischen Öffentlichkeit äußerten an der in Rede stehenden Namensnennung deutliche Kritik, die unverändert anwächst. Gleichwohl steht unverändert jener Namensvorschlag im Raum, dem sogar ein offizieller Ratsbeschluss zugrunde liegt. Ein vom Rat der Stadt berufener Beirat soll allerdings eine Empfehlung zur Benennung aussprechen, was aktuell mit Spannung erwartet wird.

Die Osnabrücker Rundschau präsentiert gern einen Link zur Denkschrift des ILEX-Kreises, um einen Beitrag zur weiteren Diskussion zu leisten:

Denkschrift ILEX-Kreis als PDF-Datei

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