Die AfD-Fans – unbekannte Wesen?

Über fast nichts wird mehr spekuliert als über die Anhänger- und Wählerschaft der AfD

Großen Teilen der Bevölkerung – und dazu dürfte auch die überwältigende Mehrheit der Leserschaft unserer Zeitung gehören – sind diese Menschen nicht nur ein Rätsel, sondern gänzlich unbekannte Wesen. Man kennt sie nicht leibhaftig aus dem Freundes-, Bekannten-, Nachbarschafts-. Kollegen- und Familienkreis, um sich von ihren Ansichten, Motiven und Weltwahrnehmungen ein auf unmittelbare Erfahrung basierendes Bild machen zu können.

Also ist man auf „Erfahrungen“ aus zweiter Hand angewiesen. Es gibt Reportagen, Berichte über die AfD und ihre Anhänger. Sie können hilfreich sein, zu verstehen, was da vor sich geht. Es sind Momentaufnahmen. In wissenschaftlich kontrollierter Form erfolgt das in Gestalt der empirischen Sozialforschung, dort überwiegend spezialisiert in der Wahl- und Meinungsforschung. Es gibt aus diesem Umkreis zahlreiche Erhebungen und Studien, die methodisch sorgfältig aufgebaut sind und Vieles zutage befördert haben, aber sie weisen auch erhebliche Unterschiede auf. Das liegt auch daran, dass nicht alle langfristig angelegt sind und zugleich die jüngste Entwicklung nach Corona, der Ampelregierung und dem Ukrainekrieg nicht aufnehmen, kurzum auch den rasanten Zuwachs an potenziellen Stimmen nicht ergründen, die alle Umfragen signalisieren.

In der neuesten Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT vom 21. März 2024 findet sich unter dem Titel „Wer Wählt die AfD?“ eine aufschlussreiche Auswertung der Daten der Deutschen Gesellschaft für Wahlforschung und des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften. Die Daten ergeben sich aus kontinuierlich seit 2016 im halbjährlichen Rhythmus gewonnenen intensiven politischen Meinungsbefragungen von jeweils ca. 10.000 repräsentativ ausgewählten Menschen. Die letzte Befragung erfolgte im Oktober 2023.

Diese Untersuchungen umfassen also genau den Zeitraum des Wandels der AfD von einer „Anti-Euro-Parteien von Professoren“ zu einer Rechtspartei und zugleich den Zeitraum, in dem die AfD ihre Wahlzustimmung demoskopisch verdoppeln konnte. Dem entsprechen ca. 8 Millionen Wähler und Wählerinnen, die nun ihr Kreuz zusätzlich bei der AfD machen könnten. Die ZEIT-Autoren Sasan Abdi-Herrle und Christian Endt sehen angesichts der Ergebnisse dieser Studien viele gängige Vorstellungen und Theorien über die AfD-Wählerinnen und Wähler als unhaltbar an.


Was man neuerdings über das Phänomen AfD-Wählerschaft weiß

Das beginnt mit der Geschlechterfrage. Als Partei erscheint die AfD als eine von Männern dominierte Organisation, ihrer Wählerschaft entspricht das nicht. Zwar wählen etwas mehr Männern diese Partei, aber bei 44 Prozent weiblichen Stimmenanteil kann man wohl kaum von einer Männerpartei sprechen. Nichts verweist auch darauf, dass die AfD ihre Politik primär an Männer adressiert, auch wenn dieser Eindruck von einigen Führungspersonen durchaus erzeugt wird, so die Autoren.

Wenig Bestand haben auch andere Befunde. Dazu gehören der angebliche Stadt-Land-Konflikt und die Partei der „alten weißen Männer“. Mitnichten wohnen AfD-Anhänger auf abgelegenen Dörfern oder in Kleinstädten, sondern sie verteilen sich statistisch gleichermaßen auf alle Siedlungsformen inklusive Großstadt wie bei anderen Parteien. Sie schwächeln allerdings in Metropolen.

Unzutreffend ist auch die Vorstellung der Überalterung. In den meisten Alterskategorien unterscheidet sich die AfD nicht auffällig von anderen Parteien, allein bei den über 60 jährigen liegt der Anteil dieser Altersgruppe an der gesamten AfD-Wählerschaft mit 40 Prozent um 6 Punkte unter dem Durchschnitt der Gesamtwählerschaft und bei den 50 bis 59 jährigen mit 25 Prozent um 5 Prozent über diesem Durchschnitt. Inwieweit sich hieraus ein besonderes generatives Sozialisationsmuster für Verhaltens- und Einstellungsformen erkennen lässt, wäre eine interessante Frage.

In allen Sozialkategorien von Alter, Wohnort und Geschlecht ist die AfD statistisch gesehen eine Volkspartei, die alle Sozialkategorien in etwa gleichmäßig abbildet. Selbst der Ost-West-Unterschied hat sich inzwischen so stark relativiert, dass er als aufgelöst erscheint. Zwar erhält die AfD im Osten relativ mehr Zuspruch, aber die Einstellungen, Gründe und Motive für eine Zustimmung zur AfD gleichen sich immer mehr an.

Die AfD-Wählerschaft weist lediglich eine Besonderheit auf. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung zeigt sich ein leichter Überhang bei den formal „einfacheren“ Bildungsabschlüssen. Es gibt mit sechs Prozent mehr beim Hauptschulabschluss und sieben bei dem Realschulabschluss als bei der Gesamtbevölkerung, wo der Anteil bei 32 bzw. 30 Prozent liegt, eine nennenswerte Abweichung. Die ist beim Abitur noch deutlicher, denn mit 18 Prozent liegt der bei der AfD-Anhängerschaft um 12 Prozent unter dem Anteil bei der Gesamtbevölkerung relativ hoch. Beim Fachabitur ist dagegen die Differenz marginal.

Keinesfalls handelt es sich bei der AfD-Wählerschaft um „sozial Abgehängte“ oder „Benachteiligte“. Dennoch ist der Faktor Einkommen von Relevanz. Die Befragten schweigen sich zwar überwiegend über ihre realen Verdienste aus, doch aus den verfügbaren Daten ließe sich, so die Autoren, tendenziell herauslesen, dass die Mehrheit der AfD-Anhänger weniger als der Durchschnitt verdiene. Gesichert ist, dass AfD-Wähler subjektiv ihre eigene ökonomische Lage wesentlich schlechter und perspektivisch pessimistischer einschätzen als die Gesamtbevölkerung. Das käme den bekannten Befunden aus älteren Studien über die Entwicklung des Rechtspopulismus entgegen, dass „Abstiegsängste“ ein zentrales Motiv für den Zuwachs für die rechten Parteien sind. Kombiniert man die Einkommen mit den Bildungsabschlüssen, ließe sich daraus schließen, dass große Teile der AfD-Wähler einer von Zukunftsängsten geplagten unteren und mittleren Mittelschicht zuzuordnen sind. „Abstiegsängste“ eruierte auch eine Studie der „Friedrich Ebert Stiftung“ von 2023, wo der Sachverhalt als „bedrohte Mitte“ bezeichnet wird.

Und in der Tat verweisen auch die in den Befragungen festgestellten Präferenzveränderungen aus der jüngsten Zeit in diese Richtung. Die Befragungsdaten zeigen deutlich, dass der Klimawandel mit Auftreten der allerjüngsten Wirtschaftskrise (Inflation, Energiekostenexplosion) in relativ breiten Teilen der Bevölkerung mit erkennbarer Tendenz zur AfD seinen Platz als größtes Gegenwartsproblem räumen musste. Wirtschaftswachstum steht nun an vorderster Stelle und der Klimawandel und seine Bekämpfung wandert weit nach hinten.

Inwieweit die befürchteten oder realen Abstiegsängste einer breit gestreuten sozio-ökonomischen Mittelschicht ein sozialer Nährboden vor allem für die AfD ist oder werden könnte, ist schwer abzuschätzen. Denn allein bezogen auf diesen Faktor, steht hier, wenn man die etablierten Parteien mal ausblendet, immerhin noch die Wagenknecht-Partei als Konkurrentin zur AfD bereit. Wenn es nur um die Verteilung der Stimmen aus der Ampelregierung geht, ist noch offen, wer hier künftig die meisten Zugewinne einfährt.


Das eigentliche Profil der AfD-Wählerschaft

Die Stärke der AfD und ihr Zuwachs lässt sich also nicht auf bestimmte Sozialkategorien reduzieren, sie ist mit ihrer Wählerschaft ein Abbild des „Volkes“ oder der Gesellschaft. Sie ist keine Interessen- und keine „Milieupartei“, sie verbindet keine wie auch immer geartete „Weltanschauung“ oder gar „Ideologie“. Es gibt nicht „den“ typischen AfD-Wähler oder die Wählerin. Das spiegelt sich in verblüffender Weise in der Selbstbeschreibung der Befragten, die sich zur AfD bekennen. Sie verorten sich politisch überwiegend in der Mitte, lediglich knapp fünf Prozent sieht sich selbst am rechten Rand. Der überwiegende Teil der neuen Wähler hat vorher eine der etablierten Parteien gewählt.

Zu den 50 Prozent AfD-Wählern, die sich schon im Dezember 2021 zu dieser Partei bekannten, kamen mit dem kontinuierlichen Umfragehoch als potenzielle neue Wähler und Wählerinnen folgend Anteile aus den anderen Parteien hinzu: 11 Prozent wählten zuvor die SPD, 9 die FDP, 8 die CDU/CSU, 7 Sonstige, 7 waren Nichtwähler, 5 von der Linken und nur 2 von den Grünen. Diese relativ breite Streuung der Herkunftsstimmen ist ein weiterer Beleg für eine sozial wie auch politisch heterogene Wählerschaft. Aber sie zeigen auch, dass es eine gegen die AfD nahezu immune Wählerschaft der Grünen gibt.

Damit stellt sich verstärkt die Frage, was die Anhänger dieser Partei eigentlich vereint? Es ist vor allem die Einstellung, die zeigt sich zu allererst im Prinzipiellen. Auf die Frage, ob „unter bestimmten Bedingungen eine Diktatur die bessere Staatsform“ sei, stimmen bei den AfD-Anhängern nur 35 Prozent dieser Aussage „überhaupt nicht“ zu (Bevölkerung insgesamt 62 %), 28 Prozent der AfD-Anhänger sehen es teils/teils gegenüber 17 in der Gesamtwählerschaft, und 13 stimmen eher zu (5 insgesamt) und 5 Prozent stimmen dem ganz und gar zu (insgesamt 1 %). Da zeichnet sich ein grundsätzlich autoritäres Einstellungsmuster deutlich ab.

Stark ausgeprägt ist die radikale Ablehnung der gegenwärtigen Ampelregierung und die hasserfüllte Einstellung zu deren Spitzenpersonal, konzentriert auf die Grünen Harbeck und Baerbock. Hier zeigt sich nochmals die tiefe Kluft zwischen den Grünen und der AfD, die mehr als gegensätzliche Positionen in politischen Sachfragen umfasst. Hier geht es um mehr als um Heizungsgesetze, hier geht es um fundamental konträre Welt- und Lebensauffassungen. Sie sind die Antipoden eines schwelenden Kulturkampfes, bei dem es letztlich um die politische Substanz dieses Staates geht.

Denn was sich im neu hinzugekommenen AfD-Umfeld zunächst als fundamentale Kritik an der Ampelregierung äußert, erweitert sich auf die etablierten Parteien insgesamt und geht dann nahtlos über in eine grundsätzliche Ablehnung des politischen Systems an sich. Die liberale Demokratie gilt als unfähiger Parteien- und Interessenhaufen, entscheidungsschwach und ist verantwortlich für die Kontrollverluste des Nationalstaates. Das korrespondiert mit der oben angeführten Präferenz für eine Diktatur zwecks Wiederherstellung der Ordnung. Wie das mit der Selbsteinschätzung, die AfD repräsentiere die politische Mitte in Deutschland, zusammenpassen soll, macht zwar zunächst sprachlos, ist aber ein Indiz für die politisch-kulturellen Gewichtsverschiebungen nach rechts in diesem Lande.

Aber weder die Ampelregierung für sich noch das Hassobjekt Grüne sind das zentrale einigende Band dieser Partei. Deren Ideal der Ordnung, der Ruhe, der Eintracht und Harmonie, der absoluten Sicherheit und Souveränität nach außen, ruft nach festen Grenzen und Mauern gegen die das Volk zerstörenden und verderbenden Einflüsse von außen. Und da geraten auch die Helfer aus dem Innern, auch hier vor allem die Grünen, ins Visier, die durch gezielte Öffnung die „Umvolkung“ überhaupt erst ermöglichen. Dem muss nun Einhalt geboten werden.

Zwar taucht vermehrt in einer revisionistischen deutsch-nationalen Geschichtsschreibung eine historische Aufwertung des Kaiserreichs auf, aber es geht nicht um rückwärtsgewandte Idyllen, so nützlich sie als Geschichtskonstrukte für eine identitäre Geschichtserzählung auch sein mögen. Wenn bei der Hälfte der AfD-Wählerschaft die Überzeugung vorherrscht, die eigenen Wertvorstellungen würden öffentlich missachtet und seine eigene Meinung dürfe man nicht öffentlich aussprechen, dann geht es um das, was die AfD im Innersten zusammenhält. Die AfD lebt von einem anderen Urelement: der Angst! Und die hat einen Namen: Migration!


Migration als identitätsstiftendes Thema und der Umgang mit der AfD

Es ist vielleicht auf Dauer zu kurz gegriffen, die Existenz der AfD allein vom Thema der Migration abhängig zu machen. Wenngleich die globale politische wie auch die Klimaentwicklung dafürsprechen, dass dieses Thema noch an Bedeutung und Brisanz zunimmt. Derzeit jedenfalls lasse sich, so die Aussage des Soziologen Nils Kumkar von der Uni Bremen, an der „Migration das eigene Zukurzkommen thematisieren, man kann darin das Unbehagen an der Veränderung der Welt verhandeln (was die AfD „Souveränitätsverluste“ nennt, R.W.), und man kann die Regierung für das verantwortlich machen, was passiert.“

Die Befragungen verweisen darauf, dass die ablehnende Einstellung zur Migration keine Folge gegenwärtiger Probleme ist, sondern auf einer mehr oder weniger latent ablehnenden Grundeinstellung gegenüber der Migration aufbaut. Solange das Thema nicht im Zentrum stand, blieb es im Verborgenen und die Grundeinstellung war nicht abrufbar. Nun macht das Thema aus vielfältigen Gründen in der Öffentlichkeit und in den Echokammern der „sozialen“ Medien umso mehr Karriere. Es wird immer dominanter und es wird nicht nur von der AfD, sondern auch den Unionsparteien angereichert mit weiteren identitären Themen wie Gender, Sprache, Hautfarbe, Ethnie, Religion. Beteiligt an diesen Themen sind – siehe Gender – aber auch Linke. So wird ein Themenkatalog bedient, der den Zündstoff für einen Kulturkampf abgibt, der zwar national ausgetragen wird, aber globale Züge erhält.

Auffällig ist daran, dass das Themenfeld der ökonomischen Globalisierung, dessen Anteil an der weltweiten Entstehung des Rechtspopulismus und der Neuen Rechten nicht hoch genug veranschlagt werden kann, an Relevanz in dem Maße verliert, wie die Globalisierung sich im Rückzug befindet. Die Themenverlagerung vom Sozialen und Ökonomischen zum Kulturellen hat für die AfD zusätzlich den Vorteil, dass sie sich damit in etlichen Politikfeldern, insbesondere der Sozial- und Wirtschaftspolitik vor grundlegenden Entscheidungen herumdrücken kann.

AfD-Wähler zeichnen sich in diesem Themenfeld nicht durch hohe Rationalität aus. Einerseits sorgen sie sich um ihre wirtschaftliche Zukunft und befürchten Wohlstandverluste durch Klimawandel, Globalisierung und Migration, letzteres nicht nur wegen der realen Kosten, sondern auch, weil Migranten ja auch als potenzielle Konkurrenten auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt erscheinen können. Das knüpft an rationalen Besorgnissen „kleiner Leute“ an. Der Weg von der Konkurrenzangst zur „Fremdenfeindlichkeit“ kann kurz sein. Aber wie die Befragungen zeigen, favorisieren AfD-Anhänger ein wirtschaftspolitisch neoliberales Projekt mit Steuersenkungen und einer Reduktion des Sozialstaates. Den halten sie für einen Teil des für sie schon abgehakten „Systems“, weil von ihm neben Migranten jene profitieren, die nicht arbeiten wollen. Sie fordern die Streichungen sozialer Leistungen, die sie selbst negativ betreffen. Sie wählen also nicht aus einem eigenem materiellen Nutzenkalkül, sondern sogar gegen ihre ureigensten sozialen und ökonomischen Interessen. Das ist für einen am ökonomischen Nutzen der Wähler orientierten Wahlkämpfer eine schlechte Botschaft. Mit materiellen Wohltaten lassen sich diese Wähler nicht ködern. Mit Kulturkämpfen haben die etablierten Parteien aber offensichtlich ihre Probleme. Für die heute tonanagebenden Politikertypus des Pragmatikers ist das ohnehin nichts.

Für die etablierten Parteien der Mitte wird die Situation dadurch erschwert, dass sie zwischen die Hauptkonfliktlinien geraten, deren Pole AfD und Grüne sind. Zudem taucht die Wagenknecht-Gruppe als Konkurrentin auf, die mit größerer Glaubwürdigkeit gegen beide Pole zugleich antreten kann. Grüne und AfD in einen Sack zu packen, fällt dagegen selbst der Union schwer. In deren ewiger Totalitarismutheorie, wo sich hufeisenförmig die Extreme von links und rechts treffen, hat zwar die Linke noch Platz (was in Thüringen zum Verhängnis werden könnte), aber die Grünen lassen sich allen Versuchen, sie wieder in einen Schmuddelecke zu drängen, als die alten Schreckgespenster schon deshalb nicht einordnen, weil sie noch Koalitionspartner der Union auf Länderebene ist und die Umwerbungen als Koalitionspartner auf Bundesebene noch nicht vollends in Vergessenheit geraten sind.

Die bizarre Karriere der Grünen, innerhalb von zwei Jahren vom umworbenen Partner eines neuen Bürgerblocks zu dessen „Hassobjekt“ zu avancieren, bedarf sicherlich einer gesonderten Betrachtung. Aber in der aufschlussreichen Studie Triggerpunkte von Steffen Mau und seinen Mitarbeitern an der Berliner Humboldt-Universität von 2023, die der Frage nachgeht, ob Deutschland gespalten sei und dabei zu der beruhigenden Antwort gelangt, so schlimm sei es nicht, wird auch darauf verwiesen, dass es um die Maßnahmen gegen den Klimawandel wahrscheinlich zu einem Kultur- und Klassenkampf kommen wird, der die soziale Frage mit kulturellen und Lebenseinstellungen verbinden wird.

Dass die Wählerschaft der Grünen auch im momentanen medialen Gegenwind relativ stabil bleibt und sie sich gegen rechtspopulistische Parolen immun erweist, ist sicherlich ein Gewinn. Aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das „Grüne Milieu“ auch als eine in sich abgeschlossenste Blase mit einer hermetischen Echokammer interpretiert werden kann. Sie leben sozialräumlich relativ abgeschlossen mit ihren Themen, ihren Einstellungen und Werthaltungen weitestgehend unter ihresgleichen. Grundlegend andere Positionen treffen nicht auf Intoleranz, sie tauchen erst gar nicht auf. Man ist unter sich und muss über den Basiskonsens nicht mehr verhandeln. Wird das zu einer Blase, besteht die Gefahr, dass man sowohl für die Auseinandersetzung mit Angriffen der Gegner schlecht gewappnet ist und noch weniger fähig ist, etwa in das Lager auf der radikal anderen Seite einzubrechen. Es ist zwar zum großen Teil kalkulierte Verleumdung, die Grünen zur „Verbotspartei“ zu stilisieren, aber dass ihnen die engagierte Ãœberzeugungskraft und der Kontakt zu weiten Teilen der Bevölkerung -wenn es ihn denn jemals gab – abhandengekommen ist, lässt sich wohl nicht bestreiten.

Ist das eine Überzeichnung, eine Karikatur?  Fragen wir uns wie eingangs, warum ist uns die AfD-Wählerschaft ein unbekanntes, fremdes Wesen? Leben wir nicht (auch) in unseren Echokammern oder in einer der (vielen) Blasen oder gar Parallelgesellschaften?

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