Anmerkungen zu einer überfälligen Entscheidung
Netanjahus Rechtsregierung hat mit dem Beschluss des Sicherheitskabinetts, die Stadt Gaza einnehmen zu wollen, offensichtlich das Fass der Duldung selbst in seiner getreuesten Gefolgschaft zum Überlaufen gebracht. Bundeskanzler Merz, der Israel trotz vorsichtiger Kritik an den Zuständen in Gaza die Stange hielt, verkündete nun einen Kurswechsel.
Die Bundesregierung wird Israel keine Rüstungsgüter mehr senden, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen könnten. Was immer Merz dazu bewogen hat, ein falsches Verständnis der deutschen „Staatsräson“ für das Existenzrecht Israels, das Israels Rechtsregierung damit auch einen Freibrief für seine Expansionspolitik als Antwort auf das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 und Scheinlösung des „Palästinaproblems“ ausstellt, zu korrigieren, es war mehr als überfällig. Das Schweigen zu den Menschrechtsverletzungen im Gazastreifen durch Israels Regierung hat der Bundesrepublik mehr geschadet als den Bedrängten in der Region geholfen.
Der Widerstand in Israel gegen die Expansionspolitik der Rechtsregierung, die Netanjahu vertritt und vorantreibt, verdient unsere politische Unterstützung. Er ist nicht der Gejagte seiner Rechtskoalitionäre, er ist auch Jäger dieser Politik. Da die USA, mit Trump an der Spitze, Israel in seinem Drang nach Expansion und Annexion eher unterstützt als bremst, ist es umso wichtiger, alle Kräfte im Innern Israels und international zu stärken, die eine dauerhafte friedliche Ordnung in der Region und eine Option für ein Miteinander von Israelis und Palästinensern noch möglich macht.
So verständlich Israels Streben nach absoluter Sicherheit, nicht nur aus der leidvollen historischen Erfahrung, auch ist: Sie ist eine Illusion. Wenn das nicht nur die Ausschaltung aller Gegner und Feinde impliziert, sondern zusätzlich eine Region schafft, in der Israel den Anschein einer neuen Ordnungsmacht darstellt, aber die Ordnung primär auf Israels militärischer Macht basiert, ist das ein schwaches Fundament für eine dauerhafte Ordnung. Ohne Freunde als Nachbarn und in der Region kann Israel weder in Sicherheit noch in Frieden leben.
Es gibt in Israel eine breite Opposition, die das verstanden hat. Sie verdient unsere volle Solidarität und Unterstützung. Dass die Bundesregierung ihre Rüstungslieferungen nun an Bedingungen knüpft, die Israels Expansionspolitik bremst, ist zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung, wird aber nicht reichen.