Die „Linkspartei“ ist auf dem besten Wege, einen durchaus möglichen Politikwechsel bei der kommenden Bundestagswahl zu verhindern
Während sich bei den Umfragen (Forschungsgruppe Wahlen des ZDF) eine rechnerische Mehrheit für Rot-Grün-Rot abzeichnet und eine solche Koalition im Wahlvolk mit 37 Prozent eine gleich hohe Präferenz wie eine Ampelkoalition mit großem Abstand vor allen anderen Koalitionsmöglichkeiten genießt, eröffnet Die Linke mit einer schwer begreiflichen Steilvorlage dem politischen Gegner eine befürchtete offene Angriffsflanke.
Mit ihrem Abstimmungsverhalten am vergangenen Mittwoch, dem 25. August, zu den „Rettungseinsätzen“ der Bundeswehr in Kabul, hat sie alles getan, um eine Reformkoalition ohne Union und FDP so gut wie unmöglich zu machen. In der fraglichen Abstimmung, bei der es um ein Bundestagsmandat für einen Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Kabul ging, um dort durch die Machtergreifung der Taliban bedrohte Menschen in Sicherheit nach Deutschland zu bringen, konnte sich die Linkspartei nicht zu einer Zustimmung durchringen.
Der Parteivorstand wollte den partei- und fraktionsinternen Frieden mit einer Enthaltungsempfehlung retten, dem die Fraktion bei fünf Abweichlern für ein Ja und sieben für ein Nein mehrheitlich zwar folgte, aber dennoch war und ist der Schaden enorm. Das Verhalten der Linkspartei ist nicht nur für Union und FDP, sondern auch für die SPD (jenseits der Parteirechten des Seeheimer Kreises) und die Grünen ein weiterer Beleg zur Unzeit dafür, dass in der Außen- und Sicherheitspolitik mit dieser Partei keine Regierung möglich ist.
Die intransigente Haltung der Linkspartei in wesentlichen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik war schon immer das zentrale kritische Politikfeld für ein mögliches Regierungsbündnis auf Bundesebene. Dabei gab es in dieser Frage beim Wahlprogrammparteitag der Linkspartei im Juni begründete Hoffnung auf etwas mehr Elastizität und Realitätssinn, als die Hardliner, die Verfechter eines sofortigen NATO-Austrittes und Auflösung der Bundeswehr, eine krachende Niederlage erlitten, weil ihre Forderungen von der großen Mehrheit der Delegierten nicht einmal zur Diskussion gestellt wurden.
Mit der Enthaltung zu den „Rettungseinsätzen“ glaubte die Linkspartei vielleicht einem Dilemma zwischen Pragmatik und Prinzipientreue zu entkommen, faktisch stellt sie sich damit lediglich ein moralisches Armutszeugnis aus. Stehen Prinzipien höher als die Rettung von Menschenleben – oder gilt das für Bundeswehrangehörige nicht? Statt die Chancen zu nutzen, die das Afghanistandebakel für die anstehende Diskussion einer Neubestimmung der deutschen Außenpolitik ermöglicht und erzwingt, bezieht man sich auf pseudopazifistische Prinzipien und signalisiert als Botschaft, die menschlichen Notlagen in Kabul sind uns egal, wir hatten immer schon recht mit unserer Ablehnung und dabei bleiben wir auch jetzt: Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr! Wie die gefährdeten Menschen dort aus der Hölle herauskommen sollen – und wer außer der Bundeswehr sollte das gemeinsam mit Verbündeten bewerkstelligen -, scheint die Prinzipienreiter nicht zu interessieren. Dass daraus prächtige Wahlkampfmunition für andere entsteht, ist klar. Wer möchte sich von solch einer Partei, die sich in einer so elementaren Frage so verhält, schon regieren lassen.
Man kann und man wird bei der Aufarbeitung des Desasters in Afghanistan viele Bedenken und Einwände der Linkspartei als berechtigt ansehen müssen, aber fraglich ist doch, ob daraus eine prinzipielle Ablehnung von „Auslandseinsätzen“ und der Austritt aus der NATO folgen muss. Und was wäre damit eigentlich gewonnen?
Die Linke hat es nicht wie die Grünen geschafft, in einem zähen Lernprozess das verantwortungsbewusste außenpolitische Handwerk für eine mittlere Macht in Europa im Bewusstsein der geschichtlichen Erfahrungen zu erlernen. Das hängt möglicherweise damit zusammen, dass man hier in veralteten Imperialismustheorien und den ideologischen Schlachtordnungen des kalten Krieges denkt. Da all diese Themen im Kontext einer auch hier zu führenden Diskussion über die künftige deutsche Außenpolitik und die gravierenden Veränderungen in der Weltpolitik eine umfassendere Darstellung verlangen, sei an dieser Stelle nur darauf hingewiesen, dass die Frage nach der Funktion und Aufgabe der NATO gegenwärtig aktueller denn je ist.
Die Suche nach einer Antwort könnte zunächst einmal anknüpfen an jene in Deutschland sehr ungern zitierte legendäre Formel, die der erste Generalsekretär der NATO, der Brite Lord Ismay prägnant formulierte: „To keep the Russian out, the American in, and the German down“.
Vielleicht begreift die Linkspartei vor allem den letzten Teil auch mal irgendwann. Einem Michal Gorbatschow war ein in die NATO integriertes Deutschland lieber als ein neutrales. Diese für die europäische Sicherheitsarchitektur bis heute grundlegende Funktion der NATO, sicherlich mehr für die anderen als für uns, nicht zu berücksichtigen, ist blauäugig. Bis zur Bundestagswahl besteht da wenig Hoffnung. Deshalb sollten sich ihre Wähler besser auf die Chancen einer Rot-Grünen oder Grün-Roten Mehrheit als Zweierbündnis konzentrieren. Wofür die Linkspartei noch hilfreich ist (das gilt auch für die anderen zahlreichen linken Klein- und Kleinstparteien), außer dass sie Prozente zugunsten ihrer Gegner verschlingt, bleibt politisch-strategisch gedacht schwer begreiflich.