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OR-Serie „Widerstand im Osnabrück der NS-Zeit“ – Folge 27: Friedrich „Fritz“ Szalinski

Die OR-Serie „Widerstand im Osnabrück der NS-Zeit“ (am Ende dieses Textes finden sich Links zu allen bislang erschienenen Folgen dieser Serie) widmet sich einem spannenden, aber bisher kaum bekannten Thema: Sie erinnert an mutige Menschen, die sich aktiv dem Naziterror und seinen menschenverachtenden Ideen widersetzt und dafür ihr Leben riskiert haben.


Friedrich „Fritz“ Szalinski
Gewerkschaftssekretär und Sozialdemokrat

Für die Nazis in Osnabrück war er einer der verhasstesten Gegner. Trotz mehrfacher Verhaftungen, Schmähungen und gar Misshandlungen durch die Nazis trat er bis zu seinem gewaltsamen Tod für seine Überzeugungen ein.


Aus Ostpreußen nach Osnabrück

Am 22. April 1878 im ostpreußischen Lesgewangminnen bei Tilsit geboren, dem heutigen Sabrodino in der russischen Region Kaliningrad, kam er in jungen Jahren um 1900 nach Osnabrück, wo er nach der Erinnerung eines Landsmannes zunächst „als ungelernter Werkzeugmacher im Stahlwerk arbeitete.“  Schon bald erhielt er eine feste Anstellung im Werk. Im Jahr 1905 heiratete er die drei Jahre jüngere Amalie Steinbacher, die ebenfalls gebürtig aus Ostpreußen stammte. Am 8.12.1905 kam ihr Sohn Fritz zur Welt, der später ein bekannter Osnabrücker Bildhauer werden sollte. Nach dem frühen Tod seiner Ehefrau im Jahre 1911, heiratete Fritz Szalinski am 2. November 1912 ein zweites Mal: Karoline Glindmeyer. 1916 wurde Tochter Henriette „Henny“ geboren.


Mit Fleiß zum Gewerkschaftssekretär

Fritz Szalinski besuchte zu dieser Zeit mit Fleiß und Ausdauer Abendkurse, um sich weiterzubilden. Neben der Vertiefung seiner Allgemeinbildung widmete er sich besonders den sozial- und arbeitsrechtlichen Belangen, was ihn schon bald unter seinen gewerkschaftlich organisierten Kollegen in eine führende Rolle bringen sollte. 1919 wurde Fritz Szalinski zum Sekretär des Deutschen Metallarbeiterverbandes gewählt. In dieser Aufgabe ging er voll auf. Außerdem fungierte er noch als Arbeitnehmervertreter beim Arbeitsgericht. Wie selbstverständlich war er auch in die Osnabrücker SPD eingetreten, deren Vorsitzender er in den Jahren 1926 / 27 wurde.


Im Fokus der Nazis

Mit seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit und seiner Mitgliedschaft in der SPD geriet auch Fritz Szalinski – wie andere Gleichgesinnte – nahezu automatisch in den Fokus der Nazis. Nach anfänglichen Schmähungen und Repressalien durch die Nazischergen und ihre Unterstützer erreichten die Eingriffe nur wenige Monate nach der Machtübergabe an Hitler ihren vorläufigen Höhepunkt. Am 2. Mai 1933, nur einen Tag nach dem von den Nazis pompös inszenierten „Tag der nationalen Arbeit“, wurden „erstmals die führenden Osnabrücker Sozialdemokraten inhaftiert, die nicht mehr rechtzeitig fliehen konnten. Darunter befanden sich SPD-Fraktionssprecher Gustav Haas, der zu der Zeit amtierende Parteivorsitzende der SPD Wilhelm Wiltmann, Reichsbannerführer Adolf Staperfeld und eben auch Metallgewerkschafter Fritz Szalinski“, wie wir aus der Festschrift „100 Jahre SPD in Osnabrück“ erfahren


2. Mai 1933 – Vorgeschmack auf schlimme Zeiten

Dr. Heinrich Koch führt in der von ihm verantworteten 5. Auflage der „Chronik der Stadt Osnabrück“  aus dem Jahre 1985 dazu aus: „Die am 1. Mai 1933 von den Losungen „Achtet den Arbeiter!“ und „Ehret die Arbeit!“ getragene allgemeine Feierstimmung führte jedoch am nächsten Morgen zu einem jähen Erwachen. Am 2. Mai, unmittelbar nach dem Tage, an dem „der Traum von der Volksgemeinschaft Wirklichkeit wurde“, schlug man erneut zu. In einer für das ganze Reich koordinierten Blitzaktion besetzten SA-Kolonnen die Gewerkschaftshäuser, verlangten – unter Beschlagnahme des Vermögens des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), der größten Arbeiterorganisation dieser Zeit – die Aushändigung der Kassen.

In Osnabrück hatten die Gewerkschaftsfunktionäre bereits seit der Erstürmung des Gewerkschaftshauses am 11. März ihre Amtsgeschäfte in ihre Privatwohnungen verlegen müssen, jetzt war auch das vorbei.

Wie diese Aktion im Einzelnen in Osnabrück vor sich ging, erfahren wir aus einem persönlichen Bericht von Inge Wellmann, die mit ihren Eltern in der Meller Straße wohnte und die Geschehnisse in dem von der Geschichtsgruppe Arbeit und Leben Osnabrück herausgegebenen Buch „Freiheit – Krise – Diktatur, Zur Zerschlagung der Gewerkschaften in Osnabrück 1933“ wie folgt beschreibt: „In der Nacht vom 1. auf den2. Mai 1933 kamen in der Morgenzeit gegen 4 oder 5 Uhr 1 SA-Mann und ein Kriminalbeamter in unsere Wohnung. Wir mußten aufstehen und uns unter Aufsicht anziehen. Es sollte eine Wohnungsdurchsuchung stattfinden. Mein Vater und meine Mutter waren ehrenamtlich beim Textilarbeiterverband tätig, mein Vater war dort Kassierer. Die beiden Männer suchten bei uns Beitragsmarken, Adressenmaterial und vor allem Beitragsgeld. Sie entleerten die Bettgestelle, Kleiderschrank, Küchenschränke; selbst der Linoleum-Fußbodenbelag in der Küche wurde hochgerissen.“ Ihre Mutter habe die gesuchte Geldkassette unbemerkt durch ihre zufällig vorbeikommende Schwester aus dem Haus schmuggeln und in Sicherheit bringen können. Anderen Osnabrücker Ortsverbänden der Gewerkschaften war es zum Teil noch gelungen, ihr Geld an Arbeitslose, Witwen und andere Bedürftige auszuzahlen, bevor es der SA in die Hände fiel. Schließlich gaben sie nach mehreren Stunden die Suche auf, aber mein Vater mußte mitkommen“, schließt Inge Wellmann ihren Bericht.


Nazis mit deutscher Gründlichkeit        

Liste der beschlagnahmten Gegenstände bei Fritz Szalinski, Wörthstr. 37, am 2. Mai 1933 Quelle: Geschichtsgruppe Arbeit und Leben Osnabrück

Auch in der Wohnung von Fritz Szalinski in der Wörthstraße 37 tauchen die SA-Trupps in den frühen Morgenstunden des 2. Mai 1933 auf. Leider war es dem Gewerkschaftssekretär nicht mehr gelungen, das Eigentum seiner Organisation vor den Nazis in Sicherheit zu bringen. Von den an dieser Aktion beteiligten SA-Leuten der SA-Standarte 78 mit Sitz in der Möserstraße 36, SA-Unterführer Bögemann und SA-Mann Horro sowie Kriminalassistent Belkney, wurde akribisch aufgelistet, welche Sachen beschlagnahmt werden konnten: unter anderem zwei Scheckhefte sowie ein „Blechkasten (Geldkassette)“.


Eingesperrt im Gewerkschaftshaus

In der „gleichgeschalteten“ Osnabrücker Presse vom 3. Mai 1933 heißt es über diese Aktion: „Im Zuge der gestern im ganzen Reich durchgeführten Gleichschaltung der Freien Gewerkschaften wurden auch in Osnabrück schon in den frühen Morgenstunden zahlreiche Haussuchungen bei den hiesigen Gewerkschaftsfunktionären vorgenommen, wobei das vorgefundene Eigentum der Gewerkschaften sichergestellt und zum Gewerkschaftshaus geschafft wurde. Eine Reihe von Gewerkschaftsführern wurde bei dieser unter der Leitung des Regierungskommissars Dr. Marxer erfolgten Aktion in Schutzhaft genommen.“ Diese seien zunächst in den Hof des Gewerkschaftshauses gebracht worden. Diese Angabe deckt sich mit den Beobachtungen von Fritz Rabe, der seit 1926 als Wirt im Restaurant des Gewerkschaftshauses war, in dem erwähnten Buch „Freiheit – Krise – Diktatur“: „Alle ADGB-Funktionäre hatte man aus ihren Wohnungen heraus verhaftet und zum Kollegienwall transportiert. Dort sperrten die Nazis sie alle in das Zimmer ein, das den Gesellen auf der Walz als Unterkunft gedient hatte.“ Um die Kollegen lächerlich zu machen, hätten die Nazis vor die Tür des Zimmers Hampelmänner gehängt. „Um frische Luft zu schnappen, wurden die Gefangenen ab und zu in den Hof geholt, wo man sie spaziergehen ließ.“ Am Nachmittag wurden die Gefangenen von einer SA-Abteilung in Begleitung von Kriminalbeamten in den Polizeigewahrsam an der Turnerstraße eingeliefert. Inge Wellmann glaubt sich zu erinnern, dass unter den 16 Verhafteten, außer den oben schon genannten, die Gewerkschaftssekretäre Beckmann, Bolwin und andere, darunter auch die langjährige SPD-Bürgervorsteherin Alwine Wellmann sowie der Redakteur der „Freien Presse“, Josef Burgdorf, auch „Ilex“ genannt, gewesen seien. Als ihr Vater am 3. Mai, wie die anderen auch, nach Hause entlassen worden sei, habe er zu seiner Familie gesagt: „Nun kommen schlimme Zeiten …“

Gewerkschaftshaus am Kollegienwall in Osnabrück 1920er Jahre - Quelle: Geschichtsgruppe Arbeit und Leben OsnabrückGewerkschaftshaus am Kollegienwall in Osnabrück 1920er Jahre - Quelle: Geschichtsgruppe Arbeit und Leben Osnabrück

Rufschädigung und erneute Repressalien

Nach dieser ersten Verhaftung waren Fritz Szalinski und die anderen Gewerkschafts- und Parteifunktionäre aus ihren Ämtern gejagt und hatten damit ihren Beruf verloren. Fritz Szalinski musste sich fortan als Zeitungsbote verdingen. Und sie waren auch weiteren Repressalien ausgesetzt. Nicht nur an Fritz Szalinski wurde in der Folge durch die Nazis eine systematische Rufschädigung vollzogen, Gerüchte über angebliche Geldunterschlagungen der Gewerkschaftsangestellten wurden gezielt verbreitet oder ähnliche Vergehen erfunden. Fritz Szalinski hätten diese – ungerechtfertigten – Beschuldigungen nach Angaben seines Sohnes schwerer zu schaffen gemacht als die körperlichen Misshandlungen. Nur wenige Wochen später gab es eine neue Verhaftungswelle. Zwei Tage nach dem offiziellen Verbot der SPD: Am 24. Juni 1933 wurden zwölf der führenden Osnabrücker Sozialdemokraten erneut verhaftet, darunter Fritz Szalinski. Gerd Steinwascher gibt in seinem Buch „Gestapo Osnabrück meldet …“ die Abschrift des „Bericht[s] der Ortspolizeibehörde – Nachrichtenstelle – Osnabrück vom 7. Juli 1933“ wieder: „Am 24.6.33 sind nachstehende Personen der SPD bzw. der Freien Gewerkschaften pp. vorläufig festgenommen worden: 1. Szalinsky […]“ Die Festgenommenen seien jedoch am gleichen Tage wieder entlassen worden. Fritz Szalinski und den anderen Betroffenen sei von der Ortspolizeibehörde zur Auflage gemacht worden, „sich täglich vormittags 10 Uhr im Dienstzimmer der politischen Polizei zu melden“.  Die Eintragung dazu auf der Gestapo-Karteikarte, die im Niedersächsischen Landesarchiv Osnabrück unter der Signatur Rep 439 Nr. 42046 einzusehen ist, lautet für Fritz Szalinski lapidar: „SPD – Freie Gewerkschaft. am 24.6.33 festgenommen, am gleichen Tage wieder entlassen, Meldung jeden Tag bei der pol. Polizei. (Geschäftszeichen: St.P.1430/14)“.


Mutige Rede am Grab seines Freundes und Genossen

Am 13. Oktober 1933 verliert die Osnabrücker Sozialdemokratie eine ihrer größten Persönlichkeiten: Gustav Haas stirbt mit nur 47 Jahren im Osnabrücker Stadtkrankenhaus. Der SPD-Fraktionssprecher war bereits durch ein Asthmaleiden gesundheitlich beeinträchtigt. Durch die erlittene Haft, durch die körperlichen Misshandlungen und nicht zuletzt durch die psychisch belastenden Schmähungen der Braunhemden hatte sich der Gesundheitszustand von Gustav Haas rapide verschlechtert und schließlich den Tod herbeigeführt. Der stille Beerdigungszug mit über Tausend Trauernden von der Johanniskirche zum Johannisfriedhof wird zu einer imposanten Demonstration der aufrechten Demokraten gegen das braune Regime. Ein Zeitzeuge berichtet einer vom Antifaschistischen Arbeitskreis herausgegeben Heftreihe mit Antifaschistischen Beiträgen in Heft 5 „Osnabrücker Arbeiter im Widerstand“, dass in Höhe der Spindelstraße ein Pkw gestanden habe, von dem ein fanatischer NSDAP-Anhänger die Teilnehmer des Beerdigungszuges fotografiert habe.  Auf dem Johannisfriedhof hält Fritz Szalinski die Grabrede zu Ehren seines Freundes, Kollegen und Genossen. Eine mutige Geste, denn es dürfte die für lange Jahre wohl letzte öffentliche Rede eines Demokraten in Osnabrück gewesen sein …


„Aktion G(ew)itter“

Das Attentat am 20. Juli 1944 war der letzte und bekannteste Versuch, durch den Sturz Hitlers den Zweiten Weltkrieg zu beenden. „Zu der sehr unterschiedlichen, teilweise in ihrer Zielsetzung widersprüchlichen Gruppe der Verschwörer gehörten auch die Sozialdemokraten Julius Leber und Adolf Reichwein“, heißt es dazu in der Festschrift „100 Jahre SPD in Osnabrück“. Als der Staatsreich scheiterte, wurden neben Stauffenberg und anderen auch Leber und Reichwein zum Tode verurteilt und hingerichtet. Als Folge der Tat verhaftete die Gestapo am 22. August 1944 im gesamten Gebiet des Deutschen Reiches etwa 5.000 bis 6.000 potenzielle Regimegegner, insbesondere Mitglieder und Funktionäre der inzwischen verbotenen deutschen Arbeiterparteien und der Gewerkschaftsbewegung. Die Verhaftungsaktion wurde ausgelöst durch ein Fernschreiben des Reichsführers SS, wonach „alle früheren Reichs- und Landtagsabgeordneten sowie Stadtverordneten der KPD und SPD“ sowie „die ehemaligen Partei- und Gewerkschaftssekretäre der SPD“ am 22. August „in den frühen Morgenstunden“ reichsweit festzunehmen seien, wie Volker Issmer in seiner 2000 vorgelegten, umfassenden Dokumentation „Das Arbeitserziehungslager Ohrbeck bei Osnabrück“ darlegt. Offensichtlich habe selbst auf Seiten der Gestapo Unklarheit darüber bestanden, welche Bezeichnung „Gitter“ oder „Gewitter“ für die Aktion zutreffend sei, da in dem erwähnten Fernschreiben beide Begriffe verwendet worden seien, führt Issmer weiter aus. „In Osnabrück traf dieser Schlag u. a. die Sozialdemokraten Mentrup, Szalinski und Groos und den ehemaligen sozialdemokratischen Parteisekretär Niedergesäß …“ heißt es dazu in „100 Jahre SPD in Osnabrück“.

Von Heinrich Hofrichter, zu der Zeit Gewerkschaftssekretär und SPD-Funktionär in Bramsche (1946 bis 1957 Bürgermeister in Bramsche), erfahren wir aus dem Vorwort zu seinem Tagebuch aus dem Jahre 1952 ( Archiv der SPD Bramsche): „Nach dem Attentat auf Hitler 1944 wurden allerorts die früheren Funktionäre der SPD abgeholt, so auch ich. Nachts um drei Uhr hieß es: Aufmachen – Polizei! Die Fahrt ging nach Osnabrück zum Schloß. In engen Zellen eingesperrt, sah man bekannte Gesichter.“ Friedrich „Fritz“ Timmer, SPD-Vorsitzender in Bramsche, beschreibt in seinen Erinnerungen, ebenfalls im Jahre 1952 aufgeschrieben (Archiv der SPD Bramsche), die Geschehnisse detailliert. Neben Hofrichter und ihm seien noch fünf weitere Genossen aus Bramsche, Wehrmeyer, Bührmann, Wortmann, Görtemöller und Alwes, verhaftet worden. „An dem fraglichen Morgen wurden bei der Gestapo in Osnabrück mehr als 80 Personen eingeliefert. Wegen Platzmangel wurden zunächst 10 bis 11 Mann in einer Zelle eingesperrt. Das winzige Fenster oben an der Zellenwand, welches auch noch mit Splitterschutz versehen war, ließ wenig Licht und Luft eindringen. Die gute Luft war bald verbraucht. Um die Mittagsstunde war die Hitze und stickige Luft fast unerträglich. Trinkwasser gab es erst nach lebhaftem Protest. Wer austreten mußte, sollte den Zelleneimer benutzen; erst nach lebhaften Trommeln mit den Fäusten wurde dem Betreffenden die Zellentür geöffnet, wo er dann mit Schimpfen und Drohungen vom Wachposten auf dem Flur in Empfang genommen wurde. Für die Nacht wurden dann die Zellentüren geöffnet. Die zur Nacht verstärkte Wache rief dann bei jeder Zellentür, das Heraustreten aus der Zelle sei verboten und falls ein Fluchtversuch unternommen werden sollte, würden 10 Mann liquidiert. Am folgenden Morgen trugen viele Häftlinge die Spuren von Wanzenbissen mit sich herum.“ Das war also die Situation, in der sich auch Fritz Szalinski befand. Doch, wie von einem Betroffenen bereits zehn Jahre zuvor vorausgesagt, es sollte noch schlimmer kommen …


Arbeitserziehungslager Ohrbeck

„Am folgenden Tag in den Abendstunden wurde der größte Teil der Häftlinge mit Lastwagen nach dem Arbeitserziehungslager für Fremdarbeiter in Ohrbeck abtransportiert“, schreibt Fritz Timmer weiter. Während Heinrich Hofrichter wegen einer kurz zuvor überwundenen Erkrankung als haftunfähig nach Hause entlassen worden war, wurden die übrigen, darunter Fritz Timmer und Fritz Szalinski, ins Arbeitserziehungslager Ohrbeck gebracht. Ein Ende des Monats August von der Gestapo erfasstes Stimmungsbild brachte zutage, dass die Verhaftungsaktion in der Öffentlichkeit Beunruhigung ausgelöst hatte, weil man nicht verstehen konnte, „dass diese Leute den Staat noch bedrohen könnten …“, wie Volker Issmer aus einer erhalten geblieben Schriftstück der Gestapo zitiert. Das Anfang 1944 von der Gestapo Osnabrück in Betrieb genommene Arbeitserziehungslager, in das die Verhafteten jetzt gebracht wurden, diente vor allem der Bestrafung „auffällig“ gewordener ausländischer Zwangsarbeiter. Die deutschen „politischen“ Häftlinge, die streng abgesondert von den ausländischen „Sträflingen“ untergebracht wurden, erhielt im Vergleich zu diesen eine Vorzugsbehandlung. „Es wurde uns noch gesagt, daß die Verpflegung gut und wir nicht zu arbeiten brauchten und wir uns bei Tage innerhalb der Einfriedung an der Vorderseite des Lagergebäudes frei bewegen konnten“, berichtet Fritz Timmer weiter. Gleich am ersten Abend bekamen sie mit, wie ausländische Häftlinge, die auf Essen warteten, von den Aufsehern regelrecht verprügelt wurden. Von weiteren Misshandlungen oder gar Tötung von Häftlingen hätten sie während ihres Aufenthalts nichts mitbekommen. Nach wenigen Wochen wurden die meisten der deutschen „politischen“ Häftlinge entlassen.


Abschied für immer

Registrierungskarte für Fritz Szalinski im Konzentrationslager Neuengamme Foto: Arolsen Archives

Nach den Ausführungen von Karl Kühling habe der Osnabrücker Bildhauer Fritz Szalinski seinen Vater nach dessen Verhaftung noch einmal gesehen, „als dieser mit anderen unter SS-Bewachung durch die Straßen geführt [wurde], um, vom Arbeitszuchtlager Ohrbeck kommend, zum [Polizei]Gewahrsam an der Turnerstraße gebracht zu werden. Vater und Sohn konnten bei dieser traurigen Gelegenheit noch einige Worte miteinander sprechen; dann sahen sie sich nicht wieder.“ Am nächsten Tag seien die Inhaftierten mit „unbekanntem Ziel“ abtransportiert worden. Fritz Timmer und andere hatten das Glück und konnten nach Hause. „Aber nicht alle wurden entlassen“, schreibt Timmer in seinen Erinnerungen. „Die Genossen Groos, Niedergesäß, Mentrup, Szalinski und noch einige kamen in ein KZ-Lager und haben die Heimat nie wieder gesehen. Der G[enosse] Bubert war wegen einer Lungenentzündung in ein Krankenhaus überführt worden, sonst hätte ih[m] dasselbe Los geblüht.“ Bei den anderen erwies sich das „unbekannte Ziel“ als Konzentrationslager (KZ) Neuengamme.


Tod im KZ

Fritz Szalinski musste bei seiner Einlieferung ins KZ Neuengamme bei Hamburg seine Wertsachen abgeben. Über seine Lagerhaft gibt es leider keine Informationen. In den seit wenigen Jahren online zugänglichen Arolsen Archives, dem Internationalen Zentrum für NS-Opfer, ist lediglich die am 2. Februar 1945 ausgestellte Sterbeurkunde erhalten. Danach ist „der Bote Friedrich Szalinski, glaubenslos, wohnhaft in Osnabrück, am 15. Januar 1945 um 9 Uhr in Hamburg-Neuengamme, Hausdeich 60 verstorben.“ Als Todesursache wird von dem Kriminalsekretär Otto Apenburg gegenüber dem Standesbeamten angegeben: „Pleuritis. Herzinsuffienz.“ Kühling behauptet in seiner Schrift „Osnabrück 1933 – 1945“, dass ihm der Bildhauer Fritz Szalinski im Januar 1945 mitgeteilt habe, „daß ihm am 15. dieses Monats die Nachricht zugestellt sei, sein Vater sei einem Herzleiden erlegen und die Asche bereits beigesetzt.“

Sterbeurkunde Fritz Szalinski Arolsen ArchivesSterbeurkunde Fritz Szalinski Arolsen Archives

Die Witwe Karoline Szalinski hat zusammen mit einem Briefumschlag, mit dem Fritz Szalinski „kleine Taschenuhr, gelb mit Kette, gelb und Kapsel“ übersandt wurde, einen auf den 20. Januar 1945 datierten Brief des KZs Neuengamme erhalten, beides abgedruckt in „Freiheit – Krise – Diktatur“, mit folgenden Worten:

„Ihr Ehemann Friedrich Szalinski, […] der im hiesigen Lager wegen seines Alters und seiner Körperkonstitution nur mit leichten Arbeiten im Sitzen beschäftigt war, wurde nach seiner Krankmeldung am 15. Januar 45 in den Krankenbau eingewiesen. Die ärztliche Untersuchung ergab Pleuritis und Herzinsuffizienz. Trotzdem ihm die bestmögliche pflegerische und medikamentöse Behandlung zuteil wurde, gelang es den Bemühungen des Arztes nicht, der Krankheit Herr zu werden, sodass es am 15.1.45 zum Ableben mit ihm kam. Ich spreche Ihnen zu diesem Verlust mein Beileid aus! Letzte Wünsche hat Ihr Ehemann nicht geäußert, …“


Was bleibt von Fritz Szalinski?

Seiner Witwe wurde nach dem Krieg die monatliche Ehrenrente von der Stadt Osnabrück versagt mit der Begründung, dass die total ausgebombte Witwe nicht in Osnabrück, sondern bei der Tochter in Oldenburg wohnte. Sie starb am 25. Mai 1970.

Seinem Sohn, dem Künstler Fritz Szalinski, verdankt die Stadt Osnabrück die Türklinke am Eingangsportal des Rathauses mit der Friedenstaube und der Jahreszahl 1648 zur Erinnerung an den u. a. in Osnabrück geschlossenen Frieden im 30-jährigen Krieg.

Foto: Stadt Osnabrück

An Fritz Szalinski erinnert ein Stolperstein an dem ehemaligen Standort des Gewerkschaftshauses am Kollegienwall. Außerdem ist ein Straßenzug nach ihm benannt: der Fritz-Szalinski-Hof.

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