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Osnabrücks „Mister Apple“

Gerhard Friedrich Wagner: Senator mit speziellen „Fisimatenten“  

Geburtstage muss man feiern, wie sie fallen! Gerhard Friedrich Wagner (1769-1846) hätte heute am 13. Juli zwar nicht genullt, aber immerhin eine einprägsame Zahl von Jahresringen produziert. Schnapszahlverdächtige 255 Jahre sind es her, dass jemand das Licht der Welt erblickte, der als „Mister Apple“ Geschichte schreiben sollte. Keineswegs, weil er im Sinne Luthers den Weltuntergang vor Augen hatte, sondern weil er viel davon hielt, dass Osnabrückerinnen und Osnabrücker mit Apfelbäumen versorgt wurden, um begeistert in das runde Obst hineinzubeißen.

Mit dem Verweis auf die Jahresringe wurde es angedeutet. Wagners Leben war tatsächlich mehr oder weniger dem Apfelbaum gewidmet. Und der Idee, das Volk von Osnabrück kostenlos mit dessen Früchten zu beglücken. Tausende der Bäume standen einmal im Areal der heutigen „Tentenburg“, die ihren Namen Wagner deswegen verdankt, weil Zeitkritiker die baumstrotzenden Plantagen gern als „Wagners Fisimatenten“ verspotteten. Ein Denkmal am Aufgang zum Sportplatz Klushügel, exakt am anderen Ende der alten Apfelpfade, erinnert bis heute an den guten Mann. Um es gleich anzufügen: Zugleich ist Wagner der Erfinder unseres heutigen Bürgerparks! Doch nun der Reihe nach.


Stoffhändler und Flächenplaner

Der spätere Senator Gerhard Friedrich Wagner besitzt im heutigen Osnabrück eine Art pionierhafte Bedeutung für die gärtnerische Gestaltung – vor allem außerhalb der alten Stadtmauern. Die Vorgeschichte dazu ist schnell erzählt. Direkt hinter der nordöstlichen Stadtgrenze, der Anhöhe des Bürgerparks, gehörte dem Senator ein prächtiger eigener Garten. Das Gartenwesen entwickelte sich zeitlebens zu seiner großen Leidenschaft. Immer wieder war Wagner darum bemüht, unterschiedliche Flächen jenseits der Stadtmauern durch vielfältige Anpflanzungen zu nutzen und diese Praxis als vorbildlich zu propagieren. Dabei war der Kaufmann hauptberuflich eigentlich auf das Tuchgewerbe spezialisiert und betrieb seit 1805 im eigenen Haus in der Krahnstraße 30 eine recht gut gehende Stoffhandlung.

Da er Hausbesitzer war, gehörten ihm allerdings – wie anderen Gebäude-Eigentümern auch – Anteile an der Herrenteichslaischaft. Lange Jahre fungierte er als deren Vorsteher und prägte die Aktivitäten. Als Sprecher war er bereits aufgrund seines Amtes darum bemüht, deren Flächen im Sinne von Nutzgärten, Feld- oder Forstflächen gedeihlich zu nutzen.


Obstbäume für alle

Wie kein zweiter Osnabrücker seiner Zeit erkannte der Senator die hohe Bedeutung, die in der weiteren Zukunft der Obstbaum haben sollte. Wagner war der erste, der dessen Pflanzung systematisch in Angriff nahm. Entwickelt hatte sich die neue Disziplin der „Obstbaumkunde“ bereits seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert. Sie war von solchen aufgeklärten Fürsten deutscher Einzelstaaten entwickelt worden, die nicht nur die Funktion des Obstbaums zur Ernährung, sondern auch dessen wirtschaftlichen Nutzen erkannt hatten. Wagner, der von derartigen Ideen fasziniert gewesen sein muss, amtierte darum bereits im Jahre 1820 nicht nur als Vorsteher der Herrenteichslaischaft, sondern auch als Gründer des „Pomologischen Vereins“, wie sich die Vereinigung der Obstbaumfreunde nannte. Das und weiteres berichtet uns zumindest Thorsten Heese in seinem 2009 erschienenen Buch „Gesellschaft im Aufbruch. Der Club zu Osnabrück und die Entwicklung des Osnabrücker Vereinswesens. Eine Gesellschaftsgeschichte“.

Der frühere Ratsgymnasiast und gelernte Lateiner Wagner leitete danach den von ihm kreierten Vereinsnamen vom lateinischen Wort für die Baumfrucht „Pomum“ ab. Besonders der altbekannte Apfel war es, dem Wagner innerhalb der deutschen Baumfrüchte eine besonders hohe, vor allem gesundheitsfördernde Bedeutung zusprach.

Wagner engagierte sich mit seinen Garten-Ideen aber auch auf anderen Gebieten der Stadt. Unter seiner Regie erfuhr vor allem der Klushügel eine großflächige Anpflanzung von Bäumen und Buschwerk, deren Früchte jedermann pflücken durfte. Wir dürfen davon ausgehen, dass sich dieses Angebot, kostenlos Baumfrüchte zu ernten, großer Beliebtheit erfreute. Die Herrenteichslaischaft setzte ihrem Vorsteher darum bereits zu dessen Lebzeiten, im Jahre 1821, ein Denkmal aus Sandstein. Nach einigen Standortwechseln steht das Ehrenmal mittlerweile seit 1995 auf seinem heutigen Standort, der sich – erreichbar von der Ecke Bohmter Straße/Humboldtstraße – am Treppenaufgang zum Klushügel befindet.

In seinen Lebenserinnerungen verwies der Senator auf nicht weniger als 30.000 Obstsetzlinge, die er pflanzen lassen wollte, um eine große Baumschule nach Hannoveraner Vorbild zu schaffen. Dieses Projekt scheiterte jedoch. Aber immerhin gelang es dem umtriebigen Mann, erfolgreich rund 2.000 Apfel-, Kirsch-, Birnen-, Zwetschgen- und Nussbäume im Bereich des Klushügels und seiner Umgebung setzen zu lassen. Ernte und Konsum waren durchaus beachtlich: Rein rechnerisch dürfte – allein an dieser Stelle – auf etwa fünf Einwohner der noch überschaubar kleinen Stadt ein einzelner, durch Wagners Aktivität gepflanzter Obstbaum gekommen sein.

Weil aber Wagners Einsatz keineswegs nur begrüßt, sondern zuweilen auch mit Hohn und Spott überschüttet wurde, haftete seinem stadtgärtnerischen Engagement irgendwann der Makel „Wagners Fisimatenten“ an. Dass der Garten in der am Nordhang des Klushügels gelegenen Domkuhle später „Tentenburg“ genannt wurde, hat deshalb mit jenen vielbelächelten „Fisimatenten“ des umtriebigen Senators zu tun.

Wagner zeigte sich von derartigem Spott offensichtlich wenig beeindruckt. Er selbst freute sich vielmehr in seinen Lebenserinnerungen darüber, dass er die – im wahrsten Sinne des Wortes – Früchte seiner Arbeit noch persönlich erleben durfte. Er berichtete dabei über den „Fußpfad über die Clus nach der Crispinsburg“, wo 1815 eine „Verbesserung vorgenommen“ worden sei, was auch „pecuniären“ Zuwendungen, also Geldspenden, zuzuschreiben war:

„… so konnte ich sämtliche Verschönerungen und Anpflanzungen vor dem Herrenteichstore ausführen und mit pecuniärer Hilfe meiner Mitbürger die Obstbäume anschaffen, die jetzt schon den größten Nutzen bringen und die gemachten Anstrengungen lohnen. Bei meiner schwachen Gesundheit hatte ich kaum hoffen dürfen, dies noch zu erleben.“


Lustgarten am Gertrudenberg

Besonders der Bürgerpark, eng mit Wagners Wirken verbunden, gilt heute als frühe Form für einen „Garten für alle“. In der Tat: Speziell am Gertrudenberg bemühte sich der Senator zeitlebens darum, dort aufgegebene Steingruben, die sich den Beobachtern als überaus öde und trostlos anzuschauende Flächen darboten, wieder zu bepflanzen.

Im Jahre 1831 konnte schließlich ein sogenannter „Lustgarten“ die Aussicht auf das vorindustrielle Stadtpanorama darbieten, das damals noch weitgehend ohne hohe Schornsteine und den Qualm aus solchen Schloten auskam.  Jener Lustgarten war infolge der Vereinsgründung allenfalls der Anfang: Beiträge und Spenden von Mitgliedern und Unterstützern, aber auch besondere Eintrittsgelder für die Besichtigung der – seinerzeit noch geöffneten – Gertrudenberger Höhlen machten es möglich, weitere Flächen zu erwerben und dem Lustgarten anzugliedern.

Infolge dieses Engagements forcierte Senator Wagner später, man schrieb das Jahr 1835, die Gründung des „Vereins zur Erhaltung und Beförderung der Schönheiten vaterländischer Fluren“, den es noch heute unter der Bezeichnung „Verschönerungs- und Wanderverein von 1835 e.V. Osnabrück“ gibt. Jener Verein unternahm weitere Schritte zur Anlage des späteren Bürgerparks. Damit erschloss Wagner zugleich das stadtgeschichtlich und kulturell hohe Potenzial des gesamten Gertrudenberges, das sich dem heutigen Besucher in Gestalt des Klostergeländes, der Gertrudenberger Höhlen bis hin zum Gelände des heutigen Ameos-Klinikums in unmittelbarer Nachbarschaft darbietet. Nicht zuletzt weist der Gertrudenberg an seinem Fuße in Richtung Innenstadt eine beachtliche Zahl von Kleingärten auf.

Als der Senator im Jahre 1846 starb, wurde die Lindenallee gepflanzt. Wagners letzte Ruhestätte befindet in der 1. Abteilung des Hasefriedhofes und damit in direkter Nachbarschaft zum heutigen Bürgerpark.


Franzosenfreundliches

Nebenher: Wagner zählte in Osnabrück nach der kurzen Zugehörigkeit der Stadt zu Frankreich zu Anfang des 19. Jahrhunderts durchaus zu denen, die der französischen Ära positive Aspekte abzugewinnen vermochte. Dies hat die OR bereits vor längerer Zeit in einem gesonderten Artikel beleuchtet.

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